S&P 500: Sind die Renditeerwartungen für das Jahr 2025 völlig übertrieben?

Veröffentlicht am 21.01.2025, 18:08
US500
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In einem kürzlich veröffentlichten Beitrag habe ich die Renditeschätzungen der Wall Street für den S&P 500 Index unter die Lupe genommen. Darin schrieb ich unter anderem:

"Wir haben bereits einige erste Prognosen der Wall Street für den S&P 500 vorliegen – und wie so oft sind sie für das kommende Jahr überwiegend optimistisch. Die Medianschätzung geht davon aus, dass der Index auf 6600 Punkte steigen wird. Nach zwei Jahren mit jeweils rund 20 % Zuwachs entspräche das einer vergleichsweise bescheidenen Rendite von 8,2 %. Während die optimistischste Prognose von Wells Fargo eine Rendite von 14 % vorsieht, rechnet die pessimistischste Einschätzung von UBS (SIX:UBSG) mit einem Anstieg von lediglich 5 %. Interessanterweise gibt es jedoch keine einzige Schätzung, die von einer negativen Entwicklung ausgeht.”

S&P 500 Schätzungen der Wall Street

Doch nicht nur die Analysten der Wall Street blicken optimistisch auf die Renditen für 2025 – auch Privatanleger zeigen sich so zuversichtlich wie selten zuvor.

Tatsächlich sind sie derzeit optimistischer in Bezug auf steigende Aktienkurse als je zuvor. Es ist daher wenig überraschend, dass diese positive Stimmung zu einem regelrechten Run auf Vermögenswerte geführt hat, wodurch die Bewertungen für das kommende Jahr deutlich gestiegen sind.

Verbrauchervertrauen, Aktienkurse vs. PE-Ratios

Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass dieser Optimismus in erster Linie von psychologischen Faktoren getrieben wird. In den vergangenen 15 Jahren lagen die Renditen am Aktienmarkt deutlich über dem langfristigen Durchschnitt von rund 8 % pro Jahr. Historisch betrachtet haben Aktien über die letzten 125 Jahre hinweg eine durchschnittliche nominale Rendite von etwa 6 % durch Kursgewinne und 4 % durch Dividenden erzielt. Berücksichtigt man die durchschnittliche Inflation von 2,5 % im gleichen Zeitraum, ergibt sich eine reale Rendite von etwa 7,5 % pro Jahr.

Realer S&P 500

Ein Blick auf die Daten zeigt: Die inflationsbereinigten Gesamtrenditen (einschließlich Dividenden) lagen seit 1948 im Durchschnitt bei 9,26 % pro Jahr. Diese Daten stammen von Aswath Damodaran von der NYU Stern School of Business. Besonders auffällig ist, dass die inflationsbereinigten Renditen nach der Finanzkrise in den letzten Jahren im Schnitt um drei Prozentpunkte höher ausfielen.

BIP vs S&P 500 Total Returns (real)

Doch hier ist Vorsicht geboten: Die Berechnung der realen Aktienmarktrenditen ist im Grunde einfach – sie setzen sich aus dem Wirtschaftswachstum (BIP) plus Dividenden abzüglich der Inflation zusammen. Bis zum Jahr 2000 entsprach dieses Muster weitgehend den Erwartungen. Seit 2008 allerdings wächst das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Durchschnitt um etwa 5 % pro Jahr, die Dividendenrendite liegt bei rund 2 %, doch die tatsächlichen Marktrenditen haben diese wirtschaftliche Leistungsfähigkeit deutlich übertroffen.

Die außergewöhnlich hohen Renditen der letzten 15 Jahre haben die Erwartungen vieler Anleger geprägt und sie daran gewöhnt, höhere Portfoliorenditen als selbstverständlich anzusehen.

Doch ist das wirklich realistisch?

Eineinhalb Jahrzehnte überdurchschnittlicher Earnings

Mit Blick auf das Jahr 2025 stellt sich die Frage, was die außergewöhnlichen Renditen der letzten 15 Jahre angetrieben hat – und ob die aktuellen Bedingungen weiterhin für hohe Earnings sorgen können.

Wie bereits erwähnt, besteht langfristig ein klarer Zusammenhang zwischen dem Aktienmarkt und der Wirtschaft. Letztlich sind es wirtschaftliche Aktivitäten, die den Unternehmen Umsätze und Gewinne ermöglichen. Aktienkurse können daher nicht dauerhaft schneller steigen als die Wirtschaft wächst. Wenn sich der Markt zu weit von den zugrunde liegenden Fundamentaldaten entfernt, führt dies früher oder später zu einer Korrektur.

Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung dieser drei Faktoren von 1947 bis 2024. Der starke Anstieg der Unternehmensgewinne im Jahr 2021 war eine Folge der wirtschaftlichen Wiedereröffnung nach den pandemiebedingten Einschränkungen von 2020. Doch dieser Trend normalisierte sich 2022 und führte in den Jahren 2023–2024, parallel zum moderaten Wirtschaftswachstum, zu einer Rückkehr zu langfristigen Durchschnittsraten. Dennoch liegen die Renditen von Anlagewerten weiterhin deutlich über ihrem historischen Durchschnitt – trotz nachlassenden Gewinnwachstums und einer sich abschwächenden Wirtschaft.

S&P 500 EPS

Seit 1947 sind die Unternehmensgewinne jährlich um durchschnittlich 7,72 % gestiegen, während die Wirtschaft mit einer jährlichen Wachstumsrate von 6,4 % expandierte. Diese enge Korrelation ist nachvollziehbar, da die Verbraucherausgaben einen wesentlichen Bestandteil des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen.

Wie das Jahr 2021 gezeigt hat, kann es jedoch immer wieder zu Phasen kommen, in denen Unternehmensgewinne das Wirtschaftswachstum übertreffen. Dies geschieht insbesondere nach Rezessionen, wenn Unternehmen von einer wirtschaftlichen Erholung profitieren. Zwar haben Aktien im historischen Durchschnitt Renditen von 9,36 % erzielt, doch langfristig tendieren sie dazu, sich dem tatsächlichen Wirtschaftswachstum anzupassen. Letztendlich hängen Unternehmensgewinne von Faktoren wie Konsumausgaben, Unternehmensinvestitionen sowie Importen und Exporten ab.

Wenn diese Beziehung zwischen Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinnen so eng ist, stellt sich die Frage: Warum hat sich der Markt in den letzten 15 Jahren dennoch von der wirtschaftlichen Realität entkoppelt? Anders ausgedrückt: Was hat die Portfoliorenditen angetrieben, wenn sich die wirtschaftlichen Fundamentaldaten kaum verändert haben?

Zwei entscheidende Entwicklungen, die es vor 2008 in diesem Ausmaß nicht gab, spielten dabei eine zentrale Rolle:

1. Unternehmensrückkäufe als Wachstumstreiber

Aktienrückkäufe sind zwar keine neue Erscheinung, doch nach der Finanzkrise 2008 nahmen sie in bisher unbekanntem Ausmaß zu. Unternehmen nutzen Rückkäufe verstärkt, um den Gewinn pro Aktie künstlich zu steigern. Wie bereits an anderer Stelle erörtert wurde, ergab eine Untersuchung des Wall Street Journal, dass 93 % der befragten Unternehmen angaben, Aktienrückkäufe hauptsächlich zur Beeinflussung des Aktienkurses und unter dem Druck externer Erwartungen durchzuführen. Besonders nach der Pandemie stiegen die Rückkäufe sprunghaft an und trieben die Aktienkurse weiter in die Höhe.

2. Fiskal- und geldpolitische Interventionen

Ein weiterer maßgeblicher Faktor war das beispiellose Ausmaß an geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen, die seit der Finanzkrise von 2008 umgesetzt wurden. Wie in unserem Artikel die Märkte greifen der Fed vor erläutert, hat mehr als ein Jahrzehnt an Interventionen die Finanzmärkte von der wirtschaftlichen Realität entkoppelt. Seit 2007 haben die Fed und die US-Regierung rund 40 Billionen US-Dollar in das Finanzsystem und die Wirtschaft gepumpt, um das Wachstum zu stabilisieren und die Marktstimmung zu unterstützen.

Staatliche Eingriffe vs. Wirtschaftswachstum

Diese massiven Liquiditätszuflüsse haben nicht nur die Preise von Anlagewerten in die Höhe getrieben, sondern auch das Vertrauen der Verbraucher gestärkt, was wiederum das Wirtschaftswachstum stützte.

In den letzten zwei Jahren jedoch hat die US-Notenbank (Fed) begonnen, ihre Bilanz zu reduzieren und die Zinssätze anzuheben. Trotz dieser strafferen Geldpolitik stiegen die Aktienmärkte weiter – in der Erwartung, dass die Fed letztendlich wieder auf einen expansiven Kurs einschwenken könnte.

Staatliche Eingriffe vs. Aktienmarkt

Gleichzeitig wuchsen die staatlichen Ausgaben weiter und kompensierten so teilweise die restriktiveren Maßnahmen der Fed.

Reales BIP vs. US-Bundesausgaben

Die starke Korrelation zwischen staatlichen Interventionen und den Finanzmärkten ist nicht zu übersehen. Der einzige größere Ausreißer dieser Entwicklung war die Finanzkrise, als die Fed mit ihrer ersten Runde der quantitativen Lockerung (QE) begann. In den Folgejahren gab es mehrere staatliche Rettungspakete, Unterstützung für den Immobilienmarkt, eine Nullzinspolitik und schließlich direkte Finanzspritzen für Haushalte während der COVID-19-Pandemie.

Zusammenhang zwischen staatlichen Eingriffen und dem Aktienmarkt

Angesichts der zahlreichen Interventionen der letzten 15 Jahre ist es wenig überraschend, dass Anleger weiterhin mit hohen Renditen rechnen. Doch auf dem Weg ins Jahr 2025 zeichnen sich neue Herausforderungen ab, die diese Erwartungen dämpfen könnten.

Gegenwinde im Jahr 2025

Seit der Wahl hat sich die Stimmung an den Märkten spürbar aufgehellt. Viele Anleger setzen darauf, dass die Trump-Regierung wirtschaftsfreundliche Maßnahmen ergreifen wird – darunter Steuererleichterungen, Deregulierung und Konjunkturimpulse.

Dieser Optimismus spiegelt sich auch in der jüngsten Umfrage des (Bundesverbands der unabhängigen Unternehmen - NFIB) wider, die eine wachsende Zuversicht unter Unternehmern zeigt.

Stimmungsindex des Bundesverbandes der unabhängigen Unternehmen  (NFIB)

Allerdings sind diese optimistischen Erwartungen an ein starkes Wirtschaftswachstum und weiterhin hohe Anlagerenditen nicht ohne Risiken. Wie bereits erwähnt, müssen eine Reihe von Annahmen erfüllt werden, damit die Märkte überdurchschnittliche Renditen erzielen können. Dazu gehören:

  • Anhaltend starkes Wirtschaftswachstum: Die Wachstumsrate müsste über dem Durchschnitt der letzten 20 Jahre liegen.
  • Stabilisierung der Lohn- und Arbeitskosten: Die aktuellen, historisch hohen Gewinnmargen können nur dann aufrechterhalten werden, wenn das Lohnwachstum nicht weiter anzieht.
  • Niedrigere Zinsen und Inflation: Nur wenn diese weiter sinken, bleibt die Kaufkraft der Verbraucher stark genug, um das Wirtschaftswachstum zu stützen.
  • Handelszölle: Die von Trump angestrebten Zölle könnten die Kosten für bestimmte Produkte erhöhen, was nicht immer durch Alternativen kompensiert werden kann.
  • Staatsausgaben und Defizite: Sollten geplante Kürzungen in diesen Bereichen ausbleiben, könnte dies die Unternehmensprofitabilität gemäß der Kaleckigleichung weiterhin unterstützen.
  • Internationale Nachfrage: Ein schwächeres Wachstum in wichtigen Wirtschaftsräumen wie China, Europa und Japan müsste sich wieder beleben, um die Nachfrage nach US-Exporten zu sichern.
  • Geldpolitik der Federal Reserve: Eine Fortsetzung niedriger Zinsen und ein Zurückfahren des Bilanzabbaus wären erforderlich, um die Liquidität der Märkte aufrechtzuerhalten.

Aktuelle Wirtschaftsdaten bestätigen diese Annahmen jedoch nicht in vollem Umfang. Insbesondere dann nicht, wenn sich die derzeitigen Bewertungen zunehmend vom langfristigen, nachhaltigen Wachstumstrend entfernen. Um die ambitionierten Bewertungen zu rechtfertigen, müssen die Unternehmensgewinne in einem rasanten Tempo wachsen. Bleiben die Erträge jedoch hinter den hohen Erwartungen zurück, könnte die Marktkorrektur entsprechend drastisch ausfallen.

Bewertungen vs. Abweichung vom Wachstumstrend

Jeremy Grantham bringt es auf den Punkt:

„Alle 2-Sigma-Aktienblasen in den Industrieländern sind letztlich wieder auf ihren langfristigen Trend zurückgefallen. Allerdings gab es einige wenige Ausnahmen, die sich zu 3-Sigma-Superblasen oder mehr ausgeweitet haben – in den USA war das 1929 und 2000 der Fall, in Japan 1989. Im Immobiliensektor erlebten die USA 2006 und Japan erneut 1989 eine solche Superblase. Alle fünf dieser Superblasen sind schließlich komplett zum Trend zurückgekehrt – und das mit deutlich größeren und langanhaltenderen Verlusten als in normalen Marktzyklen.“

Heute, so Grantham, befinden wir uns in den USA in der vierten Superblase der letzten hundert Jahre.

Ob wir tatsächlich in einer neuen Blase stecken oder nicht – das muss jeder Anleger für sich selbst beurteilen. Fakt ist jedoch, dass die derzeitige Abweichung von langfristigen Wachstumstrends kaum nachhaltig sein kann. Durch wiederholte Interventionen der US-Notenbank (Fed) und der Regierung hat sich die aktuelle Marktlage in einem Ausmaß von historischen Mustern entfernt, das beispiellos ist.

Früher oder später scheint eine Rückkehr zu den langfristigen Durchschnittswerten unvermeidlich – es sei denn, die Fed bleibt dauerhaft bei ihrer Politik von Nullzinsen und quantitativer Lockerung.

Realer S&P 500

Betrachtet man die aktuelle Marktdynamik, fällt es schwer zu glauben, dass die zukünftigen Renditen mit denen des vergangenen Jahrzehnts mithalten können. Die außergewöhnlichen Gewinne, an die sich viele Anleger gewöhnt haben, basieren zu einem großen Teil auf einer geldpolitischen Illusion. Wenn diese Illusion eines Tages endet, dürfte die Ernüchterung groß sein.

Bedeutet das, dass Anleger in den kommenden Jahren, etwa 2025 und darüber hinaus, kein Geld mehr verdienen werden? Nein, das nicht. Aber die Renditen dürften wohl deutlich niedriger ausfallen als in den vergangenen Boomjahren. Für viele Anleger könnte das durchaus enttäuschend sein – auch wenn es sich dabei um eine völlig normale Marktentwicklung handelt.

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