In Form des englischen Begriffs „stock“ trägt die Marke die Aktie bereits im Namen und möchte nun auch tatsächlich den Gang an die Börse antreten: Noch im Oktober dieses Jahres will Schuhproduzent Birkenstock an der New Yorker Börse (NYSE) gelistet werden. Es liegt ein langer Weg hinter dem deutschen Unternehmen, doch mit dem (bequemen) Gehen kennt es sich als Erfinder der „Gesundheitslatschen“ schließlich aus…
Vom Schuhmacher zur Holding
Die Wurzeln von Birkenstock lassen sich bis ins Jahr 1774 zu dem Schuhmachermeister Johannes Birkenstock aus dem hessischen Langen-Bergheim zurückverfolgen, dessen Nachfahre Konrad Birkenstock 1896 zwei Schuhgeschäfte in Frankfurt am Main eröffnete. Er erfand anatomisch geformte Schuhleisten, die unter anderem eine Unterscheidung zwischen linkem und rechtem Fuß ermöglichten und sich schon bald zum neuen Standard der industriellen Schuhproduktion entwickeln sollten. Seine Konstruktion ließ Konrad Birkenstock 1913 unter dem Namen „Fußbett“ offiziell registrieren. 1925 kaufte er schließlich eine große Fabrik in Friedberg und begann, auch in andere Länder zu liefern: etwa nach Österreich, Frankreich, Dänemark, Italien, Luxemburg, Belgien, Norwegen und Schweden sowie in die Niederlande, die Tschechoslowakei und die Schweiz. Der erste Vorstoß nach Übersee erfolgte im Jahr 1966 mit dem Aufbau eines kleinen Vertriebs in Kalifornien, der später zu „Birkenstock USA“ ausgebaut wurde. Seit den 1980ern sind die Vereinigten Staaten der größte und wichtigste Markt für das Unternehmen, erwirtschaftet es dort doch eigenen Angaben zufolge 45 Prozent seines Umsatzes. 2010 ging das Tagesgeschäft des Konzerns schließlich erstmals an Nicht-Familienmitglieder über, und zwar an die beiden Manager Markus Bensberg und Oliver Reichert. Damit wurde die Birkenstock Group geboren, die der ehemalige Footballspieler und Sport1-Chef Reichert inzwischen seit 2021 alleine leitet. In diesem Zuge wurde das Unternehmen, welches zuvor nur aus einem Verbund (VIE:VERB) verschiedener Einzelunternehmen bestanden hatte, in eine Holding mit fünf Firmen und drei Geschäftsfeldern (Produktion, Vertrieb, Services) umstrukturiert. Zudem wurden Chefs in den einzelnen Vertriebsländern eingesetzt, um die jeweiligen Märkte „systematisch“ bedienen zu können.
Aus Familienhand in eine Beteiligungsgesellschaft
Im Februar 2021 wurde dann die Mehrheit der Kapitalanteile von Birkenstock an die Beteiligungsgesellschaft L Catterton verkauft, die durch den Zusammenschluss des nordamerikanischen Investmenthauses Catterton mit dem Private Equity-Geschäftsbereich des Luxusgüterkonzern LVMH (EPA:LVMH) (Louis Vuitton Moët Hennessy) entstanden ist. Dabei wurde das Unternehmen mit 4€ Milliarden ($4.9 Milliarden) bewertet. Somit hält L Catterton 65 Prozent der Anteile an Birkenstock, LVMH-Hauptaktionär Bernard Arnault gehören über seine Holding Financière Agache etwa 20 Prozent und die übrigen Anteile verbleiben in der Hand der Gründerfamilie. Diese Übernahme war für Birkenstock ein wichtiger Schritt auf dem Weg vom Gesundheitsschuh zur Luxusmarke und brachte immer mehr Kooperationen mit bekannten Designern mit sich, etwa mit der zu LVMH gehörenden Marke Dior. Die daraus hervorgegangenen „Diorkenstocks“ kosten rund 960€. Der Erfolg treibt entsprechend die Preise in die Höhe (die Versteigerung von Steve Jobs‘ Birkenstocks brachte mehr als $200 000 ein) – und befeuert zugleich das Geschäft mit Fälschungen. So hatte Birkenstock bereits im Jahr 2018 die Arbeit mit Amazon (NASDAQ:AMZN) gekündigt, da der Onlinehändler zu wenig gegen kursierende Fake-Birkenstocks unternommen habe.
Der Gang an die Börse
Und nun, im Jahr 2023, sollen Birkenstock-Aktien in den USA gelistet werden. JP Morgan, Goldman Sachs (NYSE:GS) und Morgan Stanley (NYSE:MS) wurde dabei die Leitung der Transaktion übertragen, doch auch einige weitere Banken sollen beteiligt sein, darunter große nordamerikanische Investmentbanken wie die Bank of America (NYSE:BAC), Citi, Jefferies sowie die europäischen Geldinstitute Deutsche Bank (ETR:DBKGn) und BNP Paribas (ETR:BNPP). Am 12. September also legte Birkenstock seinen vorläufigen Börsenprospekt bei der nordamerikanischen Börsenaufsicht SEC vor, ließ dabei allerdings Angaben zu Volumen und Aktienplatzierung noch offen. Herauszulesen ist jedoch, dass das Unternehmen einen Handelsstart ab dem 9. Oktober anvisiert, unter dem Kürzel BIRK geführt werden möchte, 10 bis 15 Prozent seiner Anteile verkaufen will und eine Gesamtbewertung von mindestens $8 Milliarden (7.3€ Milliarden) anstrebt. Da der Konzern als Hersteller von Lifestyle- und Luxusprodukten präsentiert wird, halten Experten sogar eine Bewertung von $10 bis $11.5 Milliarden nicht für ausgeschlossen. Die tatsächliche Preisspanne sowie der finale Börsenprospekt sollen aber schließlich in etwa drei Wochen veröffentlicht werden.
Birkenstock heute
Anders als der sprichwörtliche Schuster ist Birkenstock nicht (nur) bei seinen Leisten geblieben, sondern hat seine Produktpalette inzwischen erweitert. So stellt das Unternehmen mit Sitz in Linz am Rhein auch Naturkosmetik und Schlafsysteme her. Seine Waren, welche die rund 3000 Mitarbeiter vorwiegend an den eigenen Standorten in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Sachsen produzieren, werden in ca. 90 Ländern weltweit verkauft und über Niederlassungen in den USA, Brasilien, China, Hongkong, Japan, Dänemark, Slowakei, Spanien und dem Vereinigten Königreich vertrieben. Nach eigenen Angaben ist Birkenstock „eine der bekanntesten deutschen Marken weltweit“ und „der größte Arbeitgeber der deutschen Schuhindustrie“ und dieser Erfolg spiegelt sich auch in den Unternehmenszahlen. So konnte der Konzern seinen Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr um 29 Prozent auf rund 1.2€ Milliarden steigern und rechnet auch für 2023 mit einem deutlichen Zuwachs. Immerhin wurden bereits im ersten Halbjahr Erlöse von 646€ Millionen erwirtschaftet, während das bereinigte Ebitda bei 224€ Millionen lag und der Nettogewinn bei 40€ Millionen betrug. Auch im vorgelegten Börsenprospekt weist Birkenstock auf das eigene Wachstumspotenzial hin. Der weltweite Schuhmarkt habe im letzten Jahr ein Umsatzvolumen von 340€ Milliarden aufgewiesen und solle laut Projektionen von Marktforschungsunternehmen Euromonitor bis 2027 auf 430€ Millionen anwachsen, was einer Steigerung von etwa 5 Prozent pro Jahr entspricht. Daher rechnet sich der Schuhproduzent gute Chancen aus, seinen aktuellen Marktanteil von einem Prozent signifikant zu erhöhen. Dabei soll vor allem dem asiatischen Markt mehr Beachtung gewidmet werden, ebenso wie den USA, wo immer mehr Prominente Birkenstock-Schuhe für sich entdecken und somit ordentlich die Werbetrommel rühren.
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