Die Gold- und Silberpreise erlebten in den letzten Tagen eine ziemliche Achterbahnfahrt. Angesichts der schnellen Erholung am Freitag sehen wir nun zwei mögliche Szenarien, wie sich die Edelmetallmärkte in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln könnten. Gold - Gesunder Rücksetzer oder direkte Eskalation bis in den Hochsommer hinein?
1. Rückblick
Das Doppeltief bei 1.676 USD Mitte März sowie bei 1.678 USD Ende März markierte das Ende der achtmonatigen Korrektur am Goldmarkt. In den vergangenen zwei Monaten konnte sich der Goldpreis bereits um satte 240 USD von diesem Doppeltief erholen. Unsere konservativen Erholungsziele von 1.785 USD und 1.855 USD wurden dabei schnell erreicht und abgearbeitet. Darüber hinaus setzte Gold seine Erholung bis auf 1.916 USD fort.
In den letzten zwei Wochen gelang es den Bullen jedoch (trotz mehrerer Anläufe) nicht, die psychologische Marke von 1.900 USD nachhaltig zurückzuerobern. Der Rücksetzer in den vergangenen Tagen kam daher nicht überraschend. Allerdings stürmte der Goldpreis ausgehend vom Tief bei 1.856 USD am frühen Freitagmorgen an den asiatischen Märkten schnell zurück bis auf 1.895 USD am Freitagnachmittag, als die neuesten US-Arbeitsmarktdaten die Erwartungen verfehlten.
Der Silberpreis hingegen konnte sich während der gesamten Korrektur seit dem letzten August etwas besser halten als der Goldpreis. Nachdem jedoch der Angriff auf die Widerstandszone um 30 USD Anfang Februar scheiterte, rutschte der Silberpreis zusammen mit dem fallenden Goldpreis deutlich nach unten. Parallel zum Goldpreis erreichte auch der Silberpreis am 31. März sein finales Korrektur Tief bei 23,78 USD. Im Gegensatz zum Gold markierte dieses Niveau aber im Vergleich zum Dezembertief ein höheres Tief innerhalb der Korrektur, die am 7. August begann. Aktuell notiert Silber knapp unter 28 USD und hat dabei die starke Widerstandszone um 30 USD damit weiter im Blick.
Insgesamt hat sich das Bild für den Edelmetallsektor dank der klaren Erholung in den letzten zwei Monaten deutlich verbessert. Die gesunde Korrektur ist abgeschlossen und der Bullenmarkt ist intakt. Die Frage ist nun, wie viel Zeit Gold und Silber für den Ausbruch auf neue Allzeithochs benötigen werden und welche Art von Rücksetzer(n) wir während des Vormarsches auf neue Allzeithochs noch sehen werden.
2. Chartanalyse Gold in US-Dollar
a. Wochenchart: Klarer Ausbruch aus dem Abwärtstrendkanal
Gold in US-Dollar, Wochenchart vom 6.Juni 2021. Quelle: Tradingview
Auf dem Wochenchart hatte der Goldpreis Mitte Mai den Sprung über die Abwärtstrendlinie der letzten neuneinhalb Monate locker geschafft. Damit ist die Korrektur, die mit dem neuen Allzeithoch bei 2.075 USD am 7. August 2020 begann, nun höchstwahrscheinlich beendet. Letztlich scheint sich diese gesunde Korrektur in einem bullischen Flaggenmuster entfaltet zu haben.
Gleichzeitig hat der Goldpreis die mittlere Linie des dreijährigen Aufwärtstrendkanals erreicht (aktuell um ca. 1.920 USD). Zudem wurde das 61,8%-Retracement der Korrektur bei 1.923 USD bisher verfehlt. Damit bleibt die Zone zwischen 1.920 USD und 1.925 USD eine starke Hürde. Sollte es den Bullen gelingen, die Marke von 1.925 USD zu überwinden, ist eine schnelle Rallye in Richtung der nächsten Widerstandszone zwischen 1.950 und 1.960 USD sehr wahrscheinlich. Diese Zone um 1.960 USD ist jedoch ein sehr harter Widerstand, da Gold Anfang November und Anfang Januar an diesem Niveau kläglich gescheitert war.
Insgesamt ist der Wochenchart trotz einer leicht überkauften Stochastik bullisch. Es gibt noch keine Signale, die auf eine größere Korrektur oder gar eine Trendwende hindeuten. Tatsächlich macht das bullische Momentum die Fortsetzung der Rallye in Richtung 1.960 USD recht wahrscheinlich. Sollte sich hingegen der Rücksetzer der letzten Woche ausweiten, ist mit einer Zielzone von ca. 1.820 bis 1.845 USD zu rechnen. Hier würde sich vermutlich kurz vor der saisonal besten Phase des Jahres nochmal eine sehr gute Kaufgelegenheit ergeben.
b. Tageschart: Neues Verkaufssignal
Gold in US-Dollar, Tageschart vom 6.Juni 2021. Quelle: Tradingview
Auf dem Tages-Chart musste Gold am vergangenen Donnerstag und am frühen Freitagmorgen einen schnellen Rücksetzer überstehen. Dieser Rücksetzer führte die Notierungen zurück an die Oberkante des ehemaligen Abwärtstrendkanals und damit zum Test des erst kürzlich erfolgten Ausbruchs. Bislang konnten die Bullen sofort zurückkommen, und der Korrekturzyklus könnte mit dem Tief am Freitagmorgen theoretisch bereits extrem schnell beendet worden sein.
Im besten Fall haben die Bullen nun noch genügend Treibstoff, um die Erholung in Richtung des 61,8%-Retracements bei 1.923 USD und insbesondere in Richtung des harten Widerstands um 1.960 USD auszuweiten. Ein solcher Vorstoß würde wahrscheinlich noch mehr Schwung freisetzen (insbesondere beim Silber) und könnte sogar eine direkte Eskalation bis in den Hochsommer hinein bewirken. Eine Eskalation würde bedeuten, dass Gold erst den Bereich von ungefähr 2.000 USD bis 2.025 USD anlaufen würde, bevor es zu einem größeren Rücksetzer kommen würde.
Eine defensivere Sichtweise wäre hingegen, dass ein gesunder, aber größerer Rücksetzer bereits am vergangenen Mittwoch begonnen hat. In diesem Szenario würde Gold höchstwahrscheinlich unter weiteren Verkaufsdruck geraten. Dies könnte einen fortgesetzten Ausverkauf bis zum gleitenden 200-Tage-Durchschnitt (1.843 US-Dollar) und dem 38,2 %-Retracement bei 1.825 US-Dollar im Juni und Juli bedeuten.
In beiden Fällen wird Gold irgendwann seinen gleitenden 200-Tage-Durchschnitt testen. Im Szenario "Eskalation" würde es noch eine ganze Weile dauern und Gold würde zuerst in Richtung 2.000 USD explodieren, bevor eine größere Korrektur die ganze Euphorie später im Herbst wieder zunichte machen würde. Alternativ bekommen wir jetzt den Rücksetzer an die Oberkante des ehemaligen Abwärtstrends und Gold nutzt diese kleine Korrektur als Startrampe für höhere Kurse im Sommer.
Insgesamt ist also früher oder später in diesem Sommer (Juli bis September) ein Angriff auf die 2.000 USD Marke zu erwarten. Außerdem hat sich das Bild im Edelmetallsektor durch die starke Erholung in den letzten beiden Monaten deutlich verbessert. Zusätzlich muss angemerkt werden, dass der eigentliche Schwung im Silbermarkt stattfinden wird, sobald der Widerstand bei 30 USD überwunden ist.
2. Terminmarktstruktur Gold
Commitments of Traders Report für den Gold-Future, Stand 6.Juni 2021.Quelle: Sentimenttrader
Aufgrund der Goldpreiserholung in den letzten zwei Monaten hat sich der Commitment of Trades Report (CoT) wieder verschlechtert. Die kumulierte Netto-Short-Position lag am vergangenen Dienstag bei 248.175 leerverkauften Kontrakten. Im langfristigen Vergleich ist diese Position jedoch relativ hoch und mahnt weiterhin zur Vorsicht und Geduld. Der CoT-Report liefert weiterhin ein Verkaufssignal.
3. Sentiment Gold
Sentiment Optix für Gold. Stand 6.Juni 2021. Quelle: Sentimenttrader
Die Sentiment-Daten für Gold zeigen derzeit eine eher neutrale Bewertung. Bisher hat die Erholung keinen nennenswerten Optimismus, geschweige denn extreme Euphorie hervorgerufen. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die laufende Erholung zumindest ein gewisses Maß an übertriebenem Optimismus erzeugen wird, bevor die Stimmung wieder umschlägt oder pausiert. Das Sentiment steht einer Fortsetzung der Rallye also nicht im Wege.
4. Saisonalität Gold
Saisonalität für den Goldpreis über die letzten 53 Jahre. Stand 6.Juni 2021. Quelle: Seasonax
Über die letzten 53 Jahren hat sich am Goldmarkt ein starkes saisonales Muster entwickelt. Demnach erreicht Gold sein typisches Frühsommertief meist im Juni oder Juli. Anschließend folgte im nächsten Schritt häufig ein starker Anstieg, der den Goldpreis zu einem saisonalen Hoch Ende September oder Anfang Oktober führte.
In der aktuellen Situation könnte dies eine Fortsetzung des am vergangenen Mittwoch begonnenen Rücksetzers über die nächsten Wochen bedeuten. Von einem prognostizierten Tiefpunkt um 1.820 bis 1.840 USD wäre Gold dann bereit für eine starke Rallye im Hochsommer.
Saisonalität für den Goldpreis über die letzten 5 Jahre. Stand 6.Juni 2021. Quelle: Seasonax
Reduziert man jedoch die historischen Bewegungen von Gold auf die letzten fünf Jahre, zeigt sich ein ganz anderer saisonaler Zyklus! So neigt Gold im aktuellen Bullenmarkt seit 2016 dazu, bis Mitte/Ende August Stärke zu zeigen, bevor es im September deutlich einbricht. Die aus den langfristigen Kursdaten bekannte Schwäche im Juni und Juli war in den letzten fünf Jahren nicht zu beobachten.
Angesichts dieser statistischen Evidenz hat Gold eine recht hohe Wahrscheinlichkeit, seine Rallye in Richtung 1.960 USD und vermutlich sogar 2.000 bis 2.025 US-Dollar in den nächsten zwei bis drei Monaten einfach fortzusetzen! Erst nach einer solchen Rallye wäre ein großer Rücksetzer im Herbst wahrscheinlich.
5. Bitcoin gegen Gold
Bitcoin/Gold-Ratio, Stand 6.Juni 2021. Quelle: Tradingview
Bei Preisen von ca. 36.000 USD für einen Bitcoin und 1.890 USD für eine Feinunze Gold liegt das Bitcoin/Gold-Verhältnis derzeit bei etwa 19. Das bedeutet, dass Sie derzeit „nur“ noch 19 Unzen Gold für einen Bitcoin bezahlen müssen. Umgekehrt kostet eine Unze Gold derzeit 0,052 Bitcoin. Damit hat Bitcoin gegen Gold im Vergleich zu den Kursen im März und April rund 45% verloren.
Grundsätzlich sollte man sowohl in Edelmetallen als auch in Bitcoins investiert sein. D.h. mindestens 10% und besser 25% seines Gesamtvermögens sollte man in physische Edelmetalle anlegen, während man in Kryptos und vor allem im Bitcoin zunächst wenigstens 1% bis 5% halten sollte. Wer sich mit den Kryptowährungen und Bitcoin sehr gut auskennt und das Potenzial erkannt hat, kann individuell sicherlich bei größeren Rücksetzern auch deutlich höhere Prozentzahlen in Bitcoin allokieren. Für den normalen Anleger, der natürlich vor allem in Aktien und Immobilien investiert ist, sind maximal 5% im immer noch spekulativen und vor allem hochvolatilen Bitcoin aber ein guter Richtwert.
6. Makro-Update und Crack-Up-Boom
FED Balance Sheet. © Holger Zschaepitz via Twitter @Schuldensuehner 3.Juni 2021.
Wie in fast jeder Woche hat die Fed-Bilanz zuletzt mal wieder ein neues Allzeithoch erreicht. Fed-Chef Jerome Powell lässt die Druckerpresse trotz steigender Inflation weiter rattern. Die Bilanzsumme wuchs um 0,4% auf einen neuen Rekordwert von 7,94 Billionen USD! Die Bilanz der Fed entspricht nun 36% des BIP der USA.
ECB Balance Sheet. © Holger Zschaepitz via Twitter @Schuldensuehner, 5.Juni 2021.
Natürlich druckt Madame Lagarde noch stärker, denn die EZB-Bilanz entspricht mittlerweile fast 80% des Bruttosozialproduktes der Eurozone. Dieser Aufstieg zum Mond nimmt zunehmend parabolische Züge an, da die Bilanzsumme durch „Quantitative Lockerung“ um weitere 14,5 Milliarden EUR gestiegen ist. Sie können sicher sein, dass keiner dieser unverantwortlichen Zentralbanker den Mumm haben wird, zu einer nachhaltigeren Geldpolitik zurückzukehren.
World total stock market cap. © Holger Zschaepitz via Twitter @Schuldensuehner, 6.Juni 2021.
Eine der offensichtlichsten Folgen ist natürlich die Inflation der Vermögenspreise. Während die Weltwirtschaft durch die Lockdowns fast zum Stillstand gekommen war, erreicht die Marktkapitalisierung aller Aktienmärkte weltweit zusammengenommen fast täglich ein neues Allzeithoch. Erzeugt wird dies durch die überbordende Liquidität, die von fast allen Zentralbanken auf diesem Planeten ständig bereitgestellt und ausgeweitet wird.
Doch während weiter steigende Aktienportfolios sicherlich von den meisten Anlegern gerne gesehen werden, bedeuten die gestiegenen Lebenshaltungskosten für viele Menschen ein ernsthaftes Problem. Dies gilt insbesondere, da die große Mehrheit der Menschen in jeder Gesellschaft immer so gerade um ihre Existenz kämpft. Die große Mehrheit der Menschen besitzen einfach nichts, was sie investieren könnten. Daher steigen die Spannungen innerhalb der meisten westlichen Gesellschaften weiter an. Diejenigen, die zumindest verstehen, was vor sich geht, sind gezwungen, zu Spekulanten zu werden und nutzen oft Fremdkapital, Kredite und Hebel, um irgendwie von der Inflation der Vermögenspreise zu profitieren. Doch mit Kredit und Margin, aber ohne Erfahrung, vergrößern sie nur die Ungleichgewichte im Finanzsystem.
Insgesamt ist der Crack-Up-Boom in vollem Gange und beschleunigt sich. Das Ganze gleicht einem Tanz auf dem Vulkan. Und die Zentralbanker tun alles, um jegliche deflationären Kräfte zu übertünchen, indem sie einfach immer mehr Währung aus dem Nichts drucken. Doch der weltweite Abwertungswettlauf hat keinen Ausgang, sondern ist eine Sackgasse.
7. Fazit: Gold - Gesunder Rücksetzer oder direkte Eskalation bis in den Hochsommer hinein?
Noch nie in den letzten 50 Jahren war es so wichtig, physisches Gold und Silber zu besitzen. Unabhängig von irgendwelchen Kurssteigerungen oder möglichen Spekulationsgewinnen. Einfach als Schutz gegen den Kaufkraftverlust und viele andere drohende Worst-Case-Szenarien.
Auch aus technischer Sicht ist es unerlässlich, jetzt eine volle physische Position in Edelmetallen zu besitzen. Der 8-monatige Rücksetzer vom neuen Allzeithoch ist geschafft und die Bullen sind wieder am Drücker. Sobald der Goldpreis sein Allzeithoch bei 2.075 USD nachhaltig überwunden hat, dürfte sich der Bullenmarkt beschleunigen und eine schnelle Rallye in Richtung ca. 2.500 USD und höher folgen. Dann werden Anleger panisch einem Zug herlaufen, der seinen Bahnhof bereits verlassen hat. Schon jetzt ist das physische Angebot eingeschränkt und die Aufschläge teilweise absurd hoch.
Charttechnisch gesehen befindet sich Gold seit dem 31. März in einer Erholungsphase, die noch Raum für eine Fortsetzung in Richtung 1.960 USD und ca. 2.025 USD hat. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit zu urteilen, sollten die Goldbullen genug Kraft haben, um die Preise in den kommenden zwei bis vier Monaten in Richtung dieser beiden Kursziele zu drücken. Jeder Rücksetzer bzw. jede Verschnaufpause auf dem Weg nach oben sollte als eine der letzten Chancen begrüßt werden, Gold entspannt unterhalb von 2.000 USD und Silber unterhalb 30 USD kaufen zu können.
Daher könnte das Szenario eines "gesunden Pullbacks" in den kommenden Wochen perfekt für alle diejenigen sein, die sich noch positionieren müssen. In einem Bullenmarkt kommen die Überraschungen jedoch in der Regel auf der Oberseite. Eine direkte Eskalation bis in den Hochsommer hinein würde daher viele Zögerliche am Wegesrand stehen lassen.