Das griechische Parlament hat Alexis Tsipras das Vertrauen ausgesprochen – 162 von 299 anwesenden Abgeordneten stimmten für Tsipras’ Agenda. Damit erhielt der neue Regierungschef „nur“ exakt die Stimmen seiner Linkspartei Syriza (149) und des rechtspopulistischen Koalitionspartners „Unabhängige Griechen“ (13). Abgesehen von einem abwesenden Abgeordneten stimmten alle anderen Parlamentarier gegen die neue Regierung.
Vertrauensfrage nach nur zwei Wochen Amtszeit
Nur zwei Wochen nach seinem Wahlsieg stellte sich der griechische Regierungschef Tsipras am gestrigen Dienstag einer Vertrauensabstimmung im Athener Parlament. Zuvor hatte der Regierungschef den Abgeordneten versprochen, dass er das Hilfspaket nicht verlängern werde, „egal was Schäuble fordert“. Tsipras will aus den strikten Sparauflagen des internationalen Hilfsprogramms aussteigen und eine neue Lösung für die Schulden aushandeln. Bei einem Sondertreffen der Finanzminister der Eurozone will die griechische Regierung heute in Brüssel darlegen, wie sie sich die Zukunft des Hilfsprogramms der europäischen Partner vorstellt.
Griechische Banken ab Morgen auf Notfallkredite angewiesen
Ab Morgen sind die griechischen Banken auf Notfallkredite der eigenen Zentralbank angewiesen, weil die Europäische Zentralbank (EZB) griechische Staatsanleihen dann nicht mehr als Sicherheit akzeptiert.
„Grexit“ wird immer wahrscheinlicher
Der Chefvolkswirt von Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG und Co. KGaA, Dr. Martin Moryson, zeigte sich in einem Kommentar wenig optimistisch: „Auch wenn wir von einer Kompromisslösung ausgehen, ist das reale Risiko eines griechischen Austritts aus der Währungsunion heute größer als zum Höhepunkt der Staatsschuldenkrise. Vor allem die Gefahr, dass einerseits die Basis von Syriza mit der Kompromisslinie nicht einverstanden ist und dass anderseits die Rücknahme der Reformen so gravierend ist, dass die nördlichen Staaten der EWU dies nicht akzeptieren wollen, erhöht das Risiko für einen GREXIT.
Nachdem die EZB griechische Staatsanleihen nicht mehr als Kollateral akzeptiert, ist eine politische Vereinbarung notwendig, um das Bankensystem nicht weiter zu destabilisieren.“
Wie konnte Griechenland überhaupt in diese Lage geraten?
Wenn Sie sich die Frage stellen, wie Griechenland überhaupt in diese Lage geraten konnte, dann liefert die aktuelle Ausgabe des CIO-View der Deutsche Asset & Wealth Management in der Februar 2015-Ausgabe Antworten:
Demnach führte die jahrelange Finanzierung des zu hohen Lebensstandards durch Kapitalzuflüsse aus dem Ausland zu einer Abhängigkeit. Als dann die Finanzierungsquellen versiegten, kam es zu einer Zahlungsbilanzkrise. Und weil dann auch noch ausländische Kapitalgeber die Rückzahlung alter Kredite forderten, waren der Staat, die privaten Haushalte und die Unternehmen gezwungen, ihre Ausgaben einzuschränken und mehr zu sparen.
Sparen und Wettbewerbsfähigkeit stärken sind die Aufgaben für Griechenland
Zudem musste die Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden. Früher konnten die Südländer in Europa dies über eine Abwertung der eigenen Währung erreichen. Mit der Einführung des Euro steht diese Maßnahme aber nicht mehr zur Verfügung. Stattdessen trugen ein Rückgang der Löhne und Preise sowie Produktions- und Arbeitsplatzverluste dazu bei, die langjährige Lücke zwischen inländischer Ersparnis und inländischer Investition zu schließen. Dadurch ließ sich eine Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts beobachten.
„Um die sozialen Kosten des Reformprozesses zu mildern, gewährten der IWF, die Regierungen innerhalb der Eurozone sowie die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) Schützenhilfe“, ist in dem CIO-View zu lesen. Dass die griechische Regierung und die Bevölkerung des Landes diese simplen Zusammenhänge nicht erkennen wollen, liegt wohl in den hohen Lasten aus der Spar- und Reformpolitik, die einfach nach vielen Jahren der erzwungenen Enthaltsamkeit andere Prioritäten in den Fokus rücken lassen.
Entweder… oder…
Doch wenn man eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit nicht durch sinkende Löhne und Preise sowie durch strukturelle Reformen erreichen will, dann kann dies eben nur mit einer eigenen Währung klappen, die man abwerten kann. Die Folgen dessen wären aber Inflation und drastisch sinkende Kaufkraft und damit nicht weniger schlimm als der bisher beschrittene Weg.
Zurückhaltung weiterhin angebracht
In Anbetracht der aktuellen Nachrichten und der ungewissen Lage verhalten sich die Märkte insbesondere in Europa überraschend ruhig. – Wir trauen dem Braten nicht und halten uns daher weiterhin mit Investments zurück. Anleger sollten auch bedenken, dass wir uns im siebten Jahr eines Aufwärtszyklus an den Aktienmärkten befinden.
(Quelle: Geldanlage-Brief, Ausgabe vom 11.02.2015)