Im Jahr 2024 zählten die „Magnificent Seven“ und viele andere Growth-Aktien mit hoher Marktkapitalisierung zu den klaren Börsengewinnern. Im Laufe des Jahres 2025 hat sich das Bild jedoch spürbar gedreht: Anleger meiden mittlerweile die ganz großen Growth-Titel und jene mit besonders hoher Volatilität (Beta), um sich stattdessen stärker Value-Aktien zuzuwenden – mit deutlichem Fokus auf Large-Cap Value.
Diese Verschiebung hin zu Value, weg von Growth-Titeln, ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich Anlegerpräferenzen innerhalb verschiedener Sektoren und Faktoren ändern. Genau solche Rotationen von Sektoren und Faktoren sorgen regelmäßig dafür, dass es Verlierer und Gewinner gibt. Wer den Markt schlagen will, könnte versuchen, solche Rotationen möglichst früh zu erkennen. Natürlich setzt das voraus, dass man besser als der Durchschnitt beurteilen kann, wann sich die Anlegerstimmung dreht und wie lange diese Laune anhält.
Im Folgenden zeige ich euch einige Werkzeuge, die wir regelmäßig einsetzen, um Sektor- und Faktorrotationen zu verfolgen. Mit diesen Modellen gelingt es uns hoffentlich, früh zu erkennen, wie sich die Ströme an den Märkten verschieben – und idealerweise einen kleinen Schritt voraus zu sein.
Growth weicht Value – ein Stimmungswandel
Zahlreiche Indikatoren deuten darauf hin, dass Value-Aktien derzeit „in“ sind, während Growth-Aktien ihren bisherigen Thron räumen müssen. Auf der Startseite von SimpleVisor gibt es beispielsweise eine Vergleichstabelle, die das Marktergebnis nach Growth/Value und Marktkapitalisierung aufschlüsselt. Dort sehen wir, dass alle neun Kombinationen (Large-, Mid- und Small-Cap, jeweils als Growth oder Value) im bisherigen Jahresverlauf im Minus liegen. Allerdings fällt das Minus bei Large-Cap-Value deutlich geringer aus als bei den anderen Kategorien. Und umgekehrt gehören Large-, Mid- und Small-Cap-Growth zu den größten Underperformern.
Ein weiterer Beleg für diesen Stimmungsumschwung findet sich im Vergleich zweier börsengehandelter Fonds (ETFs): IVE, der Large-Cap-Value abbildet, und IVW, der Large-Cap-Growth repräsentiert. Schaut man sich das Kursverhältnis IVE zu IVW an (IVE / IVW), ist seit Mitte Februar ein klarer Aufwärtstrend auszumachen. Das deutet darauf hin, dass Value relativ zu Growth in letzter Zeit deutlich an Boden gutgemacht hat (siehe Chart).
In besagtem Chart werten wir neben dem Kursverhältnis mehrere technische Indikatoren aus. Darunter ist ein eigens entwickelter Oszillator, aber auch klassische Modelle wie MACD und Stochastik. Momentan liegen alle drei Indikatoren im stark überkauften Bereich. Außerdem nähern sich ihre Signallinien zunehmend an. Sprich: Sollte das Ganze „kippen“, könnte ein baldmögliches Verkaufssignal folgen. Das wäre dann ein Hinweis, dass dieser Value-Run zumindest pausieren oder sich sogar umkehren könnte – also wieder ein Schritt zurück in Richtung Growth.
Natürlich bedeutet eine technische Überkauft-Situation nicht zwangsläufig, dass nun sofort massenweise Growth-Aktien nachgefragt werden. Aber es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die zuletzt beliebte Value-Handelsidee eine kleine Verschnaufpause einlegt und Growth erneut interessant wird.
Relative und absolute Bewertung
Die bisher genannten Daten sind nur ein kleiner Vorgeschmack dessen, was die Plattform SimpleVisor an Rotation-Analysen zu bieten hat. Ein zentrales Tool, das wir täglich nutzen, zeigt uns, welche Sektoren und Faktoren auf relativer und absoluter Basis überverkauft oder überkauft sind – und das anhand von klaren Score-Werten. Dieser Überblick hilft uns, Trends zu erkennen und mögliche Trendwenden abzuschätzen.
Der von uns verwendete Modellansatz greift auf 14 technische Indikatoren zurück, die zu einem Score zwischen +1,0 (extrem überkauft) und -1,0 (extrem überverkauft) zusammenfließen. Werte über +0,80 oder unter -0,80 betrachten wir als potenziell „extrem“ und folglich als nicht nachhaltig. In solchen Extrembereichen erwarten wir, dass sich das Blatt häufig zugunsten der Gegenrichtung wenden könnte.
- Absoluter Score: Hier werden nur die Kursbewegungen der einzelnen Faktoren oder Sektoren selbst berücksichtigt.
- Relativer Score: Hier wird der jeweilige Faktor oder Sektor ins Verhältnis zum S&P 500 gesetzt. Wir betrachten also das Kursverhältnis statt des reinen Kursverlaufs.
Wenn wir zum Beispiel IVE näher betrachten, liegt der relative Score bei +0,30 – das heißt, verglichen mit dem Gesamtmarkt ist Large-Cap-Value moderat überkauft. Absolut gesehen (rein auf den eigenen Kurs bezogen), bekommt IVE hingegen einen Score von -0,38 und befindet sich damit im überverkauften Bereich. Mit anderen Worten: IVE sinkt, aber eben weniger stark als der breite Markt.
Im Ranking der Faktoren, die SimpleVisor überwacht, ist High Beta gerade stark überverkauft, während Goldminen (auf relativer Basis) als extrem überkauft dastehen. Auf absoluter Ebene zählt das Quality-Faktor-ETF VFQY ebenfalls zu den überkauftesten Bereichen. Das zeigt also, dass Value zwar stark performt, aber es gibt auch Nischen – wie Goldminen –, in denen die Übertreibung noch größer sein könnte.
Im nächsten Schritt betrachten wir bei SimpleVisor die Entwicklung dieser Scores über mehrere Wochen, um Rotationen nicht nur im Ist-Zustand, sondern im Zeitverlauf zu erfassen. Für IVE (Large-Cap-Value) und IVW (Large-Cap-Growth) sehen wir beispielsweise, wie sich die Scores für beide Faktoren in den letzten fünf Wochen verändert haben. So lassen sich Trendbrüche oder stärkere Momentum-Wechsel besser entdecken. Wer sich fragt, ob ein Stimmungswandel in Richtung Growth ansteht, kann anhand solcher Verlaufsbetrachtungen ein Gefühl dafür entwickeln, ob der Trend schon brüchig wird oder ob er noch andauert.
Auf der Suche nach Pair Trades
Wer nach spannenden Paar-Trades sucht (etwa Long Value, Short Growth oder umgekehrt), kann sich zusätzlich die statistischen Korrelationen zwischen verschiedenen Faktoren anschauen. SimpleVisor liefert dazu eine umfassende Korrelationsmatrix, in der wir uns beispielsweise die Korrelationen der Excess Returns (also der Über- oder Unterperformance zum S&P 500) anschauen können.
- IVE vs. IVW: Die Korrelation der Excess Returns liegt bei 0,97. Eine nahezu perfekte negative Abhängigkeit in Bezug auf Outperformance zum Markt. Mit anderen Worten: Läuft Value deutlich besser als der S&P 500, läuft Growth in der Regel schlechter – und umgekehrt.
Der dazugehörige Chart verdeutlicht, wie die jeweiligen Excess Returns von IVE und IVW fast gegensätzlich verlaufen. So etwas ist supernützlich, wenn du gezielt Positionen aufbauen möchtest, die von einer bestimmten Rotation profitieren – zum Beispiel, indem du Growth leerverkaufst und Value kaufst (oder umgekehrt).
Damit man nicht jede Kombination selbst durchforsten muss, bietet SimpleVisor auch einen Scanner, der gezielt nach besonders starken Korrelationen oder Gegenkorrelationen sucht. Für IVE vs. IVW sehen wir, dass die Korrelation in den letzten 21 Tagen extrem angestiegen ist. Im 252-Tage-Durchschnitt liegt sie hingegen eher im mittleren Bereich. Heißt übersetzt: Die Beziehung zwischen Growth und Value ist kürzlich noch deutlicher invers geworden. Wer also glaubt, Growth werde bald wieder angesagt sein, findet in dieser Liste schnell zusätzliche Ideen für ähnliche Pair Trades mit hoher negativer Korrelation.
Natürlich beschränkt sich das Ganze nicht nur auf vorgefertigte Faktoren oder Sektoren. Wer eine eigene Watchlist oder ein Portfolio an Einzelaktien besitzt, kann genau dieselben Tools auf sein individuelles Aktienuniversum anwenden. Das erleichtert das Identifizieren von möglichen Kandidaten für Trendfolge-Trades oder für Kontra-Strategien, wenn man eine Trendwende erwartet.
Fazit: Value-Rotation oder nur eine kurze Episode?
Die SimpleVisor-Daten lassen unmissverständlich erkennen: Wir haben eine beachtliche Rotation von Growth- in Value-Aktien erlebt. Der Trend zu Large-Cap-Value ist kaum zu übersehen. Allerdings zeigen unsere Indikatoren auch, dass Value im Verhältnis zu Growth schon ziemlich überkauft wirkt. Zwar wäre es verfrüht, jetzt sofort das Ende der Value-Stärke auszurufen, aber es könnte durchaus ein Atemholen anstehen. In diesem Fall dürfte Growth wieder etwas Aufwind erhalten.
Ob es nur eine kurze Gegenbewegung wird oder wir uns erneut in Richtung 2024-Modus begeben (als Growth klar dominierte), hängt von vielen Faktoren ab: Gewinnsaisons, Konjunkturdaten, Zentralbankpolitik und nicht zuletzt der Marktpsychologie. Der eigentliche Vorteil unserer Analysen besteht darin, dass wir in Echtzeit verfolgen können, was gerade heiß ist und was weniger. So haben wir die Möglichkeit, früh aufzukreuzen, wenn sich Trends abzeichnen oder eine Sektor-Rotation ins Stocken gerät. Wir sind damit nicht blind auf Medienberichte angewiesen, die solche Entwicklungen oft erst mit Verspätung melden.