Von Anders Tandberg-Johansen, Portfolio Manager des DNB Fund Technology
Mit Blick auf das ewige Duell zwischen Growth (NYSE:IVW) und Value (NYSE:IVE) könnte ein Paradigmenwechsel bevorstehen. Die Diskrepanz zwischen beiden Kategorien ist fast so hoch wie kurz vor der dem Platzen der Dotcom Blase. Ohne auf die Bewertung zu achten, engagierten sich Anleger im Zuge der Coronakrise in großem Stil in Wachstumswerten und Titeln, die in den vergangenen Jahren besonders beliebt waren.
Die Dominanz der Technologiewerte in den Indizes ist heute so stark wie seit dem Platzen der Internetblase zu Beginn dieses Jahrtausends nicht mehr. Mit Facebook (NASDAQ:FB), Amazon (NASDAQ:AMZN), Google (NASDAQ:GOOGL), Apple (NASDAQ:AAPL) und Microsoft (NASDAQ:MSFT) waren es nur fünf Aktien, die den 500 Titel umfassenden S&P 500-Index in positives Terrain geführt haben. Seit Beginn dieses Jahres sind ihre Kurse, aber nicht die Gewinne gestiegen, was zu deutlich größeren Kurs-Gewinn-Verhältnissen (KGVs) geführt hat. Bei Amazon beträgt es derzeit 69, nach 46,7 Anfang Januar. Gerade die Dotcom-Krise hat gezeigt, dass sich Anleger bei zu hoch bewerteten Aktien nicht der langfristigen Risiken bewusst sind und sich stattdessen zu stark auf das kurzfristige Momentum fokussieren. Dies stellt auch heute eine Herausforderung dar.
Ein Beispiel: Das KGV auf Basis der Gewinnprognosen für die kommenden 12 Monate im Bereich Software & Services liegt bei durchschnittlich 36. Berücksichtigt man die Aktienoptionen als Teil der Kompensation der Führungskräfte – was viele Anleger nicht tun – ergibt sich ein deutlich höheres Niveau. Firmen wie Adobe (NASDAQ:ADBE) oder Salesforce (NYSE:CRM) kommen gar auf KGVs von 50 bzw. 75. Im gesamten Sektor gibt es derzeit nur wenige vernünftig bewertete Unternehmen, die langfristig überzeugende Renditechancen bieten.
Historisch günstige Telecoms
Die Märkte sind nach wie vor sehr enthusiastisch, was Wachstumsaktien betrifft. Auf der anderen Seite wurden Unternehmen mit gutem strukturellem Wachstum wie etwa Autozulieferer wegen des Lockdowns abgestraft. Dies schafft gute Investmentmöglichkeiten.
Gute Chancen bietet etwa der von stabilen Erträgen geprägte Bereich Telekommunikationsdienstleistungen, der historisch günstig bewertet ist. Die Sektorvertreter verbessern kontinuierlich ihre Kapitalrendite und steigern ihre Kosteneffizienz. Die Gewinnschätzungen sind niedrig und die Pandemie wirkt als Katalysator für die Unternehmen, deren Cashflow-Rendite bis zu 10 % pro Jahr steigen dürfte. Mit Blick auf die Bewertungen haben sich die Telecoms vom Software & Services-Sektor entkoppelt. Erstere haben seit Jahresbeginn im Schnitt um 11,1 % an Wert verloren, während der Gewinn je Aktie in diesem Zeitraum um 5 % nachgab. Software-Titel hingegen sind um 22,7 Prozent gestiegen, obwohl der Ertrag je Anteilsschein um 6 % abschmolz. Die lange Zeit der Outperformance des Tech-Sektors (NYSE:XLK) gegenüber den Telecoms (NYSE:XTL) dürfte sich daher dem Ende nähern. Zwar ist das Timing schwierig zu greifen, doch langfristig bietet das günstige Risiko-Ertrags-Profil attraktive Renditechancen.
Blickt man beispielsweise auf die Kursentwicklung der Deutschen Telekom (DE:DTEGn) ist verwunderlich, dass sie so weit hinter dem Markt herhinkt. Während die Tochter T-Mobile US (NASDAQ:TMUS) in diesem Jahr mehr als 40 Prozent gestiegen ist, liegt die Performance der Telekom-Aktie bei minus 10 %. Diese Diskrepanz ist enorm, zumal 80 Prozent der Geschäftsaktivitäten der Deutschen Telekom mit den USA verbunden sind. Nach der Fusion von mit Sprint wird T-Mobile US in diesem Jahr einen Cashflow von rund 10 Milliarden Dollar erwirtschaften, der sich dank der Synergien und des Marktanteils innerhalb der nächsten drei bis vier Jahre nochmals verdoppeln dürfte. Mit einem KGV von 4 ist die Deutsche Telekom vor diesem Hintergrund deutlich unterbewertet.
US-Aktien untergewichten
Die US-Regierung will die Marktmacht von Google bei der Internetsuche brechen und hat kürzlich eine Kartellklage gegen den Konzern erhoben. Dies ist für Google beherrschbar und im aktuellen Kurs eingepreist. Zwar könnte sich das Prozedere über mehrere Jahre hinziehen, doch sind keine gravierenden Folgen für das Geschäftsmodell absehbar. Die großen Internetunternehmen tendieren dazu, größer zu werden – und das wird sich nicht ändern.
Die schwachen Quartalszahlen, die jüngst von SAP (DE:SAPG) gemeldet wurden, sind kein Anzeichen für eine allgemeine Nachfrageschwäche im Software-Sektor. Microsoft etwa punktete kürzlich mit sehr starken Ertragskennziffern. Bei SAP sind es eher hausgemachte Probleme. Belastend wirkte vor allem die gekappte Mittelfrist-Prognose. Gleichwohl war der Kursabschlag übertrieben. Wenn SAP zeigt, dass es die Transition zu einem besseren Business-Modell kommt, wird der Markt dies belohnen.
Mit Blick auf die regionale Allokation sollten Anleger die USA auf Basis einer Bottom-up-Analyse untergewichten. US-Aktien sind nicht nur deutlich höher bewertet als ihre europäischen Pendants. Sie könnten zudem unter steigenden Unternehmenssteuern leiden, falls Biden die Präsidentschaftswahlen gewinnt.