Das Original des Artikels erschien am Mittwoch, dem 23. Oktober 2019, unter dem Titel 'Intervention' von Sven Henrich auf NorthmanTrader.com.
Die Fed (Federal Reserve) ist voll in den Interventionsmodus übergegangen. Nicht nur ist sie voll im Interventionsmodus, sondern im beschleunigten Interventionsmodus. Wir sprechen hier nicht nur von ein bisschen „Anpassung in der Mitte des Zyklus“ sondern von täglichen Markteingriffen in Höhe von Dutzenden von Milliarden Dollar. Was ist die Krise? Immerhin leben wir im Zeitalter von Billionen-Dollar-Unternehmen, einer Arbeitslosigkeit auf 50-Jahrestiefs und doch verhält sich die Fed so, als stünde der Weltuntergang ins Haus.
Sie denken, ich übertreibe? Keineswegs.
Es sei denn, die umfangreichsten Repo-Geschäfte der Fed aller Zeiten, weitaus größer als die Eingriffe während der Finanzkrise von 2008, sind eine Übertreibung.
Was sagt uns die Fed eigentlich nicht?
Hier ist etwas Merkwürdiges im Gange. Sehen Sie, alles begann als vorübergehende Lösung im September, als plötzlich die Zielrate für Zinsen auf Übernachtkredite in den Himmel sprang und die Fed eingreifen musste, um zu verhindern, dass der Karren an die Wand fährt. Kurzfristige Liquiditätsprobleme, sagten sie. Nun, die scheinen ziemlich dauerhaft geworden zu sein:
Und diese Liquiditätsspritzen sind absolut massiv. Erst gestern führte die Fed dem Finanzsystem 99,9 Mrd Dollar an temporärer Liquidität zu und stellte weitere 7,5 Mrd. Dollar als permanente Reserve im Rahmen des monatlichen Kaufprogramms von US-Staatsanleihen in Höhe von 60 Milliarden Dollar bereit. Die 99,9 Milliarden Dollar stammen aus 64,90 Milliarden Dollar für Übernacht-Rückkaufvereinbarungen und rund 35 Milliarden Dollar für Repo-Operationen.
All die Hektik ist ehrlich gesagt überraschend. Was für ein stabiles Finanzsystem braucht fast 100 Mrd. Dollar an Liquiditätsspritzen in einer einzigen Nacht. Die Fed sah die Notwendigkeit für diese Maßnahmen nicht kommen. Sie reagiert auf einen Markt, der sie plötzlich benötigt. Als Finanzierungsprobleme bezeichnete Jay Powell sie im Oktober. Die Fed war völlig unvorbereitet, als die Tagesfinanzierungsrate plötzlich auf über 5% anstieg und sie reagiert seitdem nur auf das Geschehen, was die Fed im Jahr 2019 ziemlich genau beschreibt.
Was als allmähliche Abkehr von den Zinserhöhungen und dem Eindampfen der Bilanzsumme (Quantitative Verknappung, QT) auf Autopilot des letzten Jahres begann, ist nun zu einer umfassenden Lockerung der Geldpolitik mit Zinssenkungen und Anleihekäufen der Fed eskaliert.
Und um das klarzustellen: Dies ist keine vorübergehende Erhöhung in der Bilanzsumme der Fed, dies ist der Beginn von etwas Großem. Die Bilanz der Fed wird sich voraussichtlich wieder auf Rekordhöhen aufblähen.
Keine Anpassung in der Mitte des Zyklus.
Ich bezweifle die Wirksamkeit von all dies und ich muss die Ehrlichkeit der Fed in Frage stellen. Schließlich rennen sie den Ereignissen hinterher und ihre geldpolitischen Maßnahmen werden immer aggressiver, während sie darauf bestehen, dass alles in Ordnung ist. Ihre Maßnahmen sagen, dass die Dinge nicht in Ordnung sind. Weit davon entfernt. Andernfalls wären sie nicht zu all diesen geldpolitischen Maßnahmen gezwungen. Aber würde die Fed zugeben, dass die Dinge nicht gut laufen? Dies zu tun, würde Vertrauen zerstören. Das kann sie nicht haben.
Wie würden die Märkte denn ohne all diese geldpolitischen Interventionen aussehen? Man kann sich nur wundern. Nun, wir wissen, dass die Übernachtfinanzierungsrate viel höher sein würde. Dies ist schließlich der Grund, warum die Fed eingreifen muss, um den Leitzins niedrig zu halten.
Viele Analysten vermuten nun eine Marktrallye zum Jahresende, die vor allem von der Fed-Politik befeuert wird, da das Gewinnwachstum weiterhin lustlos und schwach ist. Wenn sie Geld drucken, dann müssen Sie kaufen.
Es mag gut sein, dass sich unsere Finanzmärkte permanent in eine von der Fed subventionierte Maschine zur Erzeugung von Ungleichheit verwandelt haben, von der die wenigen profitieren, die die meisten Aktien besitzen, aber man muss sich fragen, warum all die Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen bisher nicht in der Lage waren, nachhaltig neue Markthochs zu produzieren.
Man sehe sich die Entwicklung des Fed-Puts im Jahr 2019 an:
Die ersten Vorzeichen gab es schon im Januar. "Flexibel bei der Bilanz" meinte Jay Powell plötzlich nach dem Blutbad am Aktienmarkt im 4. Quartal 2018 und produzierte damit noch am gleichen Tag eine Marktrallye von 3,5%. Dann wurden wir mit einer mehrmonatigen Show von Fed-Sprechern behandelt, die zunehmend taubenhafte Botschaften aussendeten und die Märkte hangelten sich mit Freude von Fed-Rede zu Fed-Rede. Powell rettete Anfang Juni erneut die Märkte nach dem Kursrutsch im Mai. "Bereit zu handeln" war damals der Schlachtruf und die Märkte erholten sich pflichtbewusst zur Zinssenkung im Juli.
Doch dann änderte sich die Dynamik. Zinssenkung 1 im Juli war vorbei. Zinssenkung 2 im September war vorbei. Ebenfalls im September folgten Repo-Operationen. Und jetzt im Oktober wurde das Kaufprogramm von US-Staatsanleihen in Höhe von 60 Milliarden US-Dollar im Monat angekündigt und begonnen.
Sie bemerken das anziehende Tempo der Fed-Maßnahmen hier? Wir haben uns von einer Unterbrechung der Zinserhöhungen über die Beendigung des Bilanzabbaus zu mehreren Zinssenkungen und aggressiven täglichen Repo-Geschäften und Bilanzausweitungen bewegt. Und das alles jetzt nur seit Juli. Und was denken Sie, kommt nächste Woche? Eine weitere Zinssenkung.
Warum? Weil die Märkte es so wollen. Und was die Märkte wollen, dass sollen sie bekommen. Dies ist der einzige Datenpunkt, auf den es wirklich ankommt.
Und die Märkte wollen wirklich diese dritte Zinssenkung in der nächsten Woche:
94,6% Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung. Denken Sie, dass eine Fed, die täglich mit Dutzenden von Milliarden Dollar in die Märkte eingreift, die Märkte enttäuschen kann, indem sie die Zinsen nicht senkt? Aber hallo.
Die Anleger haben die Fed das ganze Jahr über auf einen Expansionskurs gedrängt. Aber jetzt, da die Fed gezwungen ist, immer aggressiver einzugreifen, muss sie etwas beweisen: Wirksamkeit.
Sehen wir eine Verbesserung des Wachstums? Nein. Sehen wir eine Verbesserung der Unternehmensergebnisse? Nein. So wie es aussieht, kann die Zentralbank den Laden kaum am Laufen halten und ist gezwungen, immer mehr zu tun, um einen Ausverkauf an den Märkten abzuwenden, jetzt, da die Fed zum Hauptgrund für Wertpapierkäufe geworden ist.
Um fair zu sein, es ist der Fed erneut gelungen, die Volatilität zu reduzieren, als die Preisbildung jetzt vor allem zwischen den Handelssitzungen und nicht mehr während des Handels erfolgt. Die Märkte befinden sich intraday wieder in engen Bereichen, ohne viel Bewegung und die Indizes steigen in der Nähe von Rekordhöhen.
Es bleibt abzuwarten, ob sie einen Anstieg auf dauerhafte neue Höchststände bewirken kann und alle Augen werden nächste Woche auf die Fed gerichtet sein, um zu sehen, ob sie dies erreichen kann.
Sollten die Notenbanker dies schaffen, dann können die Investoren sich auf einen neuen Anlauf auf die obere Trendlinie im $SPX-Chart freuen:
Was? Sie glauben nicht, dass es der Fed nicht ausschließlich um die Märkte geht? Wo kommen Sie denn her? Schließlich ist es das erklärte geldpolitische Ziel der Fed, den Konjunkturzyklus mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verlängern. Und das schaffen sie nicht mit fallenden Aktienkursen.
Die Bank befindet sich also in einem beschleunigten täglichen Interventionsmodus. Sie ist es, weniger reicht nicht aus. Die Fragen, die sich Investoren stellen müssen, lauten: Was ist, wenn es doch nicht reicht? Und was erzählen die Notenbanker uns nicht? Warum werden sie in diese historischen, nicht vorhergesehenen Maßnahmen gezwungen? Was passiert, wenn sie die Kontrolle verlieren? Vielleicht wissen wir nächste Woche mehr.