Der Ölpreis ist zum Wochenausklang erstmals seit 2014 wieder über die Marke von 90 USD pro Barrel gestiegen. Die OPEC hält derweil an der Ablehnung von Produktionssteigerungen fest. Rohöl bleibt damit Inflationstreiber.
Vielleicht ist es Zufall, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ausgerechnet in dieser Woche ihre Inflationsprognose deutlich von zuvor 1,90 % auf nunmehr 3,0 % angehoben hat. Passender könnte der Zeitpunkt für die von vielen Marktteilnehmern als Eingeständnis gewertete Anpassung nicht sein: Der Ölpreis als wesentlicher Faktor für die Preisentwicklung notiert auf dem höchsten Stand seit Oktober 2014.
40 % Preisanstieg in zwei Monaten
Am Freitagmittag notierte der Preis für ein Barrel leichtes US Öl (WTI) bei gut 92 USD. Für ein Fass der Nordseesorte Brent wurden knapp 93 USD gezahlt. Noch Anfang Dezember – damals unter dem Eindruck der sich ausbreitenden Omikron Variante – hatte der Preis für WTI ein Zwischentief bei gut 65 USD erreicht. Damit ist der Preis in rund zwei Monaten um mehr als 40 % gestiegen.
Ein Grund für die steigenden Preise ist die Angebotspolitik der OPEC. Die Organisation lehnt eine Ausweitung der Ölförderung ab. Die Organisation OPEC+ unter der Führung von Russland und Saudi-Arabien hatte am Mittwoch bekannt gegeben, an ihren bisherigen Planungen zur Ausweitung der Produktion um lediglich 400.000 Barrel pro Tag festzuhalten.
Dass sich an der restriktiven Haltung der OPEC+ in naher Zukunft etwas ändert, ist unwahrscheinlich. Nicht zuletzt die US-Regierung scheint jedenfalls außerhalb der Organisation nach Verbündeten zur Lösung der Energiekrise zu suchen. US-Präsident Joe Biden empfing zu Beginn der Woche Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, den Emir von Qatar. Von Qatar erhofft sich Biden Flüssiggaslieferungen.
Doch auch der jüngste Kälteeinbruch in Texas hat zum Preisanstieg beigetragen. Analysten fürchten Produktionsausfälle im größten amerikanischen Schieferölvorkommen Permian Basin. Preistreibend wirkt auch die robuste Nachfrage, die kaum noch durch die Pandemie beeinträchtigt zu werden scheint.
Technisch befindet sich der Ölpreis in einem seit Mitte 2020 währenden, intakten Aufwärtstrend. Durch die Überwindung des letzten Hochs ist nun der Weg frei für einen Anlauf auf die nicht zuletzt psychologisch wichtige Marke von 100 USD pro Barrel.
Im Zuge der Coronakrise war der Preis zeitweise drastisch gefallen. Insbesondere auf dem US-Markt kam es sogar zu Anomalien und kurzzeitig negativen Ölpreisen infolge einer Verknappung der Lagerkapazitäten.
Geopolitische Spannungen als zusätzliche Preistreiber bei Energie
Die Entwicklung an den Märkten macht sich längst in den Verbraucherpreisen bemerkbar. Diesel und Superbenzin sind in Deutschland derzeit so teuer wie noch nie. Für 1 l Superbenzin müssen Autofahrer derzeit rund 1,73 EUR bezahlen, für Diesel rund 1,65 EUR.
Heizöl kostet so viel wie seit rund zehn Jahren nicht mehr. Für 100 l wurden am Ende der Woche fast 94 EUR gezahlt (bei 3000 l Abnahme). Die Strompreise steigen ebenfalls. Mittlerweile werden – zumindest für Neukunden – Preise jenseits von 0,40 EUR pro Kilowattstunde aufgerufen. Dies berichten jedenfalls Vergleichsportale.
Die EZB schätzt, dass rund 50 % der aktuellen Verbraucherpreisinflation auf die Energiepreise zurückgehen. Die Notenbank gerät zunehmend unter Druck, da die Währungshüter um Christine Lagarde anders als andere Notenbanken bislang kaum auf die anziehenden Preise reagiert haben.
Ölhändler gehen davon aus, dass derzeit ein Risikozuschlag auf den Preis des Rohstoffs gezahlt wird. Grund dafür sind die geopolitischen Spannungen im Zusammenhang mit der Ukrainekrise. Viele Analysten sehen deshalb weiteres Aufwärtspotenzial für den Ölpreis. Goldmann Sachs Chefvolkswirt Jan Hatzius etwa sprach gegenüber der „FAZ“ von einem Preis von 105 USD pro Barrel Brent Öl am Jahresende. Auch andere Analysten prognostizieren Preise jenseits der 100 USD Marke.