Nach dem jüngsten plötzlichen Zusammenbruch der Ölpreise hat sich die Welt für die größten Ölunternehmen in den USA und ihre Investoren plötzlich dramatisch verändert. Ausgelöst durch den anscheinend perfekten geopolitischen Sturm, aus Coronavirus-Pandemie und dem Preiskampf zwischen Saudi-Arabien und Russland, ist die nächste Gefahr für die großen Ölkonzerne die Notwendigkeit einer Kürzung ihrer bislang grundsoliden Dividenden.
Angesichts der Dividendenrenditen scheint der Markt diese Möglichkeit bereits einzupreisen. Die Aktie von Exxon Mobil (NYSE:XOM), die im letzten Monat um 45% gefallen ist, und die Papiere von Chevron (NYSE:CVX), die um 50% einbrachen, bieten mittlerweile Dividendenrenditen von über 9%. Die Exxon-Aktie schloss die gestrige Sitzung mit einem Minus von 10% zu 33,12 USD ab, während Chevron um 22% auf zu Handelsende 55,05 USD fiel.
Royal Dutch Shell (NYSE:RDSa), der britisch-niederländische Riese, der seit dem Zweiten Weltkrieg die Zahlungen an die Aktionäre nicht gekürzt hat, verzeichnete einen Anstieg der 12-Monats-Dividendenrendite auf 13% seines aktuellen Aktienkurses. Seine Anteile sind in den letzten vier Wochen um 57% gefallen. BP (NYSE:BP) bietet eine Rendite von 13,3%, da seine Aktie seit Mitte Februar 55% verloren hat.
Und bis jetzt ist keine Stabilisierung für die nächste Zeit in Sicht. Die Rohölpreise haben ihren Rückgang beschleunigt, ohne dass Anzeichen dafür vorlägen, dass der Boden nahe ist. Die US-Rohölpreise fielen gestern auf den niedrigsten Stand seit 18 Jahren, als die Regierungen weltweit neue Reisebeschränkungen einführten und sich der saudisch-russische Preiskampf verschärfte.
Futures auf West Texas Intermediate - der Leitsorte für den US-Rohölmarkt - fielen um 24% auf 20,37 USD das Fass und erreichten damit den niedrigsten Stand seit Februar 2002. Brent, die globale Ölbenchmark, fiel um 13% auf 24,88 USD das Fass und damit das tiefste Niveau seit Mai 2003.
Extreme Stressniveaus
Während die Rendite von Ölaktien bereits eine extreme finanzielle Notlage zeigt, ist es schwer vorherzusagen, welche Ölunternehmen letztendlich den gefährlichen Weg der Kürzung ihrer geheiligten Auszahlungen einschlagen werden - von denen viele zahlreiche Abschwünge erlebt und sogar die Finanzkrise von 2008 überstanden haben.
Darren Woods, CEO von Exxon Mobil, sagte am Investorentag des Unternehmens am 5. März, Exxon sei „einer zuverlässigen und wachsenden Dividende verpflichtet". Das Unternehmen hat die Auszahlung in den letzten 37 Jahren jedes Jahr erhöht.
Mike Wirth, der CEO von Chevron, wiederholte kürzlich, dass der integrierte Energieerzeuger auf dem richtigen Weg ist, seine jährliche Auszahlung pro Aktie in 2020 zum 33. Mal in Folge zu erhöhen.
Unter der Annahme, dass einige dieser Auszahlungen vorerst sicher sind, ist die erste wichtige Maßnahme zur Bewältigung dieses massiven Preisschocks für die Ölkonzerne, das Drehbuch von 2014 erneut zu nutzen, als sie ihre Ausgaben drastisch reduzierten und Aktienrückkaufprogramme einstellten.
Exxon sagte am Montag, dass es den Kurs bei einem ehrgeizigen Investitionsprogramm teilweise umkehrt und erhebliche Kürzungen erwägt, nachdem seine Bonität durch S&P Global Ratings herabgestuft wurde. Chevron sagte letzte Woche, dass es Optionen zur Reduzierung der Investitionsausgaben und zur kurzfristigen Produktionsbeschränkung erwägt. Brian Gilvary, der Finanzvorstand von BP, sagte, der britische Energieriese könne die Ausgaben in diesem Jahr um bis zu 20% senken.
Laut einigen Analysten können jedoch auch Dividenden nicht verschont bleiben, wenn der Ölpreis bei 35 USD das Fass stecken bleibt. Die Markterwartungen für die Öl-Dividenden sind in den letzten zwei Wochen gesunken und die Dividenden für europäischen Ölkonzerne im Jahr 2021 wurden gegenüber 2019 um 37% eingedampft.
"In den vergangenen Ölabschwüngen reagierten die Ölmajors insgesamt nicht auf schwierige makroökonomische Bedingungen, indem sie wesentliche Dividendenkürzungen vornahmen", sagten Analysten in einem Hinweis und fügten hinzu, dass sie auch im aktuellen Umfeld keine Kürzung erwarten.
Fazit
Es besteht kein Zweifel, dass sich die Ölkonzerne nach dem plötzlichen Einbruch der Ölpreise in einer sehr schwierigen Lage befinden. Sie haben nicht viele Optionen zur Verfügung, um mit diesem Nachfrageschock umzugehen, außer die Ausgaben zu senken und Bargeld in der Kasse zu halten.
Gleichzeitig ist es sehr riskant, auf die steigenden Dividendenrenditen und das Potential von Ausschüttungen in der Zukunft zu wetten. Nichts ist heilig, solange der saudisch-russische Preiskampf andauert.