Wir alle müssen offenbar geduldig bleiben. Die US-Notenbank Fed jedenfalls bleibt es, wenn es um den richtigen Zeitpunkt für die erste Leitzinserhöhung seit neun Jahren geht (1). Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte es nun sein, wenn es um das Warten auf höhere Inflationsraten geht (2). Die Europartner sind es überraschend lange beim Tauziehen um die Schulden Griechenlands. Die Griechen sind es, wenn es um das Warten auf höhere Steuereinnahmen geht (3). Die Schweizer Behörden sind es, wenn es um die Annahme des Angebots zum Aufspüren von Schwarzgeld reicher Griechen auf Schweizer Konten geht, das der Regierung in Griechenland bereits seit Februar 2014 vorliegen soll (4). Und die Kurse sind es, wenn es um die Entscheidung für eine neue Kursrichtung geht. Doch der Reihe nach:
Fed stößt die Tür für Zinserhöhung ein Stück weiter auf
(1) Das wichtigste Ereignis war in dieser Woche zweifelsohne das Sitzungsergebnis des Federal Open Market Committee (FOMC, wir berichteten im Vorfeld ausführlich). Am Mittwoch beließ die US-amerikanische Notenbank den Leitzins (Fed Funds Rate) wie erwartet in der Range von 0 bis 0,25%, strich aber aus dem Statement das Wort "patient". Damit öffnete die Fed die Tür für die erste Zinserhöhung seit neun Jahren.
US-Notenbank Fed ist nicht mehr geduldig, aber auch nicht ungeduldig
Doch wann die Notenbank den entscheidenden Schritt wagt, blieb offen. Denn Janet Yellen betonte auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Zinssitzung mehrfach, dass die Veränderung bei der sogenannten „Forward Guidance“ nicht bedeutet, dass die Fed nun ungeduldig sei, nur weil "geduldig" aus dem Statement gestrichen wurde. Und das Komitee vertrete weiterhin die Einschätzung, dass eine Anhebung des Zielbereiches für die Leitzinsrate vor dem FOMC-Treffen im April unwahrscheinlich bleibt.
Zeitpunkt der Leitzinserhöhung hängt von Konjunkturdaten ab
Für den Zeitraum danach blieben die Aussagen dagegen wie gewohnt vage. Das FOMC geht davon aus, dass es angemessen sein wird, den Zielbereich für die Leitzinsrate zu einem Zeitpunkt anzuheben, zu dem weitere Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt zu erkennen sind, und das Komitee zeigt sich zuversichtlich dahingehend, dass die Inflationsrate sich mittelfristig wieder über ihren Zielbereich von 2% bewegen wird.
Im Prinzip eliminierte das FOMC mit diesen Aussagen seine „Forward Guidance“, welche bisher immer auf ein bestimmtes Datum abzielte, und ersetzte es mit einem neuen Modell, das allein auf die Fundamentaldaten fokussiert ist.
Wirtschaftliche Prognosen wurden signifikant gesenkt
Gleichzeitig senkte die Notenbank ihre wirtschaftlichen Prognosen in signifikanter Weise. In der Pressekonferenz sagte Yellen, dass sich das Exportwachstum abgeschwächt zu haben scheint, womit sie vermutlich auf den starken US-Dollar hinwies. Auf die Frage eines Reporters bestätigte Yellen diesen Eindruck, als sie sagte, dass der starke Dollar ein Grund für das sich abschwächende Exportwachstum sei. Die Fed habe die internationalen Entwicklungen im Blick.
Bei den Erwartungen für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr und im kommenden Jahr machte die Fed daher Abstriche und senkte die Prognosen jeweils. So soll das BIP-Wachstum 2015 nun zwischen 2,3% und 2,7% liegen, nachdem bisher zwischen 2,6% und 3,0% erwartet wurden. Dazu betonte Yellen aber: "Es ist wichtig, festzustellen, dass dies keine schwache Prognose ist." Unter dem Strich entwickle sich die US-Wirtschaft überdurchschnittlich.
Derweil habe die Inflation vor allem aufgrund der Energiepreise weiter abgenommen. Die Fed geht zwar weiterhin davon aus, dass sich die Inflation mittelfristig der 2%-Marke annähern wird, bei der Entwicklung der Verbraucherpreise rechnet die Fed aber nun mit Inflationsraten von 0,6 bis 0,8% für das laufende Jahr und mit 1,7 bis 1,9% für das kommende Jahr. Erst 2017 soll die Inflation das von der Fed anvisierte Ziel erreichen.
(Quelle: Board of Governors of the Federal Reserve System)
Auch die Schätzung der langfristigen Arbeitslosenrate wurde von 5,2%-5,5% auf 5,0%-5,2% reduziert.
(Quelle: Board of Governors of the Federal Reserve System)
Dies stellt effektiv ein Herabsetzen der Schwelle für „maximale Beschäftigung“ dar. Indem die Fed diesen Wert niedriger ansetzen, erklärt sie nichts anderes, als dass sie die Anhebung der Zinsraten noch weiter hinausschieben kann, weil es nun länger dauern wird, das Ziel der „maximalen Beschäftigung“ zu erreichen. Und verbunden mit der Reduktion ihrer Schätzung zur Inflationsrate bedeutet dies einen signifikant niedrigeren Druck auf die Fed, den Leitzins zu erhöhen.
Tempo der erwarteten Zinserhöhungen wurde spürbar reduziert
So verwundert es auch nicht, dass der vielbeachtete „Dot Plot“, welcher die Schätzungen der einzelnen FOMC-Mitglieder für die künftige Entwicklung der US-amerikanischen Leitzinsrate abbildet, gefallen ist. So rutschte die Median-Schätzung für den Zins im Jahre 2015 um 50 Basispunkte auf 0,625% ab. Noch im Dezember hatte die Fed mit 1,12% ein weit höheres Niveau veranschlagt. Und während die Median-Zinserwartung für das Jahr 2016 um 63 Punkte auf 1,875% abfiel, sank der erwartete Zins für das Jahr 2017 um 50 Basispunkte auf 3,125%.
Mit anderen Worten: Zwei Zinserhöhungen wurden eliminiert, womit das geplante Tempo der Normalisierung spürbar reduziert wurde. Im Vergleich zur letzten Zinserhöhung in den Jahren 2004 bis 2006 würde die Fed damit den Zins etwa mit halber Geschwindigkeit nach oben setzen.
Seit Ende 2008 historisch niedrige Zinsen
Schon seit Ende 2008 versucht die Fed mit den historisch niedrigen Nullzinsen, die von der Finanzkrise gebeutelte Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen. Vergangenen Oktober hatte die Fed als ersten Schritt zur Normalisierung der Geldpolitik bereits den Aufkauf von Staatsanleihen und Hypothekenpapieren eingestellt.
Bei der halbjährlichen Anhörung vor dem US-Kongress hatte Fed-Chefin Yellen bereits gesagt, dass die US-Notenbank im Vorfeld einer Zinserhöhung auf die erwartete Zinswende aufmerksam machen will, indem sie das Wort "Geduld" aus dem Fed-Statement streicht. Einen Zeitpunkt diesbezüglich nannte sie damals nicht und das Streichen des Wortes sollte laut ihren Worten auch nicht unbedingt auf einen Zeitpunkt der Zinswende hindeuten. In den beiden kommenden Notenbanksitzungen sei jedoch keine Zinsanhebung zu erwarten. Aus meiner Sicht hatte Yellen die Märkte damit bereits auf den genauen Plan zur ersten Zinserhöhung vorbereitet. Und dies hat sich nun bestätigt, ebenso wie unsere Erwartungen, die wir in der Ausgabe vom Mittwoch geschildert hatten.
Banken fragten beim dritten Langfristtender überraschend viel EZB-Geld nach
(2) Kommen wir von einer Notenbank zur nächsten, deren jüngste Handlung aber deutlich weniger spektakulär war als die der Fed, aber durchaus zu überraschen wusste: Nachdem die europäischen Währungshüter Anfang vergangener Woche ihr über eine Billion Euro schweres Programm zum Ankauf von Staatsanleihen der Euro-Länder gestartet hatten, verteilten sie nun planmäßig über den dritten Langfristtender (TLTRO) weitere Kredite an die Banken der Euro-Zone. Diese haben dabei deutlich mehr billiges Geld bei der Europäische Zentralbank (EZB) abgerufen als von Volkswirten erwartet. 143 Geldhäuser sicherten sich insgesamt 97,8 Milliarden Euro, wie die EZB am gestrigen Donnerstag in Frankfurt mitteilte. Von Reuters befragte Volkswirte hatten lediglich mit 40 Milliarden Euro gerechnet.
Die Zahlen legen nahe, dass die Bereitschaft zur Kreditvergabe im Euroraum wächst. Im September sicherten sich 255 Banken aus den Euro-Ländern rund 83 Milliarden Euro, beim zweiten Geschäft dieser Art im September waren es etwa 130 Milliarden Euro von 306 Banken.
Griechenland nimmt weniger Steuern ein, hätte aber deutlich mehr erhalten können
(3) Und was die eingangs erwähnte Geduld der Griechen beim Warten auf höhere Steuereinnahmen, so müssen sie wohl noch etwas länger hoffen. Denn wie am Freitag vor einer Woche bereits bekannt wurde, konnte die Athener Regierung im laufenden Jahr bislang deutlich weniger Steuern vereinnahmen als die für Januar und Februar geplanten 8,47 Mrd. Die Steuerzahlungen der beiden Monate blieben mit 7,3 Mrd. Euro 14% hinter den Erwartungen des Finanzministeriums zurück. Dies dürfte die ohnehin schon schwierige Finanzierungslage des Landes zusätzlich verschärfen.
(4) Dabei hätte Griechenland längst deutlich mehr Geld in den Staatskassen haben können. Denn die Schweizer Behörden haben Griechenland bereits im Februar 2014 angeboten, Schwarzgeld aufzuspüren - doch Griechenland ignoriert das Angebot offenbar bisher. Dabei sind laut Statistiken der Schweizer Notenbank angeblich rund 800 Milliarden Euro griechisches Vermögen in der Schweiz.
(Quelle: Geldanlage-Brief, Ausgabe vom 22.03.2015)