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Märkte: 0,1% mehr sorgen für Risikoaversion

Veröffentlicht am 11.04.2024, 08:28
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Der EUR eröffnet gegenüber dem USD bei 1,0748 (05:27 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0730 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 152,85. In der Folge notiert EUR-JPY bei 164,28 EUR-CHF oszilliert bei 0,9808.

Märkte: 0,1% mehr sorgen für Risikoaversion

An den Finanzmärkten kam es gestern nach der Veröffentlichung der US-Verbraucherpreisdaten zu erhöhter Risikoaversion. Sowohl auf Monats- als auch Jahresbasis ergab sich ein um 0,1% höherer Anstieg, der Erschütterungen auslöste. In der Folge wurden die US-Zinssenkungserwartungen per 2024 an den Märkten von bisher drei (Herbst 2023 bis zu zehn) auf eine bis zwei Senkungen reduziert. Die verschärften Deflationsrisiken in dem wirtschaftlich bedeutendsten Land der Welt China (circa 20% des Welt-BIP Basis Kaufkraftparität, CPI 0,1%, PPI -2,8%) sind offenbar für die Finanzmärkte weniger relevant.

Aber auch das Federal Budget aus Washington setzte negative Akzente. Das Federal Budget als Teilmenge der öffentlichen Gesamtverschuldung wies per März ein Defizit in Höhe von 236,0 Mrd. USD (Prognose -197,5 Mrd. USD) nach zuvor -296,0 Mrd. USD aus. Die US-Haushaltslage ist und bleibt prekär. So fährt man ein Land langfristig an die Wand! Derartige Daten unterminieren den US-Führungsanspruch.

Geopolitisch bleibt die Lage brisant. Israel und Iran drohten sich gegenseitig. Die Schweiz wird eine Friedenskonferenz an 15. Juni 2024 bezüglich der Ukraine abhalten, aber ohne Russland. Die Chance, dass dieses Event einer westlichen Echokammer mit hohem Marketingwert entsprechen wird, aber nicht Lösungsansätze wie Ankara 2022 liefern wird (danke Mr. Johnson!), ist hoch.

Maßgeblich westliche Aktienmärkte standen unter Druck. Der Late DAX verlor 0,23%, der EuroStoxx 50 0,32%, der S&P 500 0,87%, der Dow Jones 0,89% und der Citi US-Tech 100 0,88%. In Fernost ergibt sich Stand 07:20 Uhr folgendes Bild: Der Nikkei (Japan) gibt um 0,44% und der Hangseng (Hongkong) um 0,29% nach. Der Sensex (Indien) gewinnt 0,47%, der CSI 300 (China) 0,20% und der Kospi (Südkorea) 0,12%.

An Rentenmärkten zogen die Renditen an. Aktuell notiert die 10-jährige Bundesanliehe mit 2,44% (Vortag 2,37%), während die 10-jährige US-Staatsanleihe 4,54% abwirft (Vortag 4,36%). In den USA ist es das höchste Rendite Niveau seit Mitte November 2023.

Der USD konnte Boden gegenüber dem EUR gutmachen. Bisher hält die Unterstützungszone des EUR bei 1,0700 – 1,0730. Gold und Silber halten sich bezüglich der veränderten US-Zinslage sehr stabil und haben nur leicht gegenüber dem USD verloren (historische Anomalie).

IWF: Wachstumspotenzial der Weltwirtschaft wird immer schwächer

Die Weltwirtschaft wird laut IWF mittelfristig langsamer wachsen als in der Vergangenheit. Bis 2030 seien Zuwächse von 2,8% möglich. Der langjährige Durchschnitt liege bei 3,8%. Es brauche spürbare Reformen, um die Produktivität zu erhöhen. Verringerte Aussichten könnten dazu führen, dass Investitionen ausblieben. Das würde das Wachstum weiter belasten. Vor einem Jahr war der IWF noch von einem mittelfristigen Zuwachs um rund 3% pro Jahr ausgegangen. In allen Regionen der Welt schwäche sich der Trend ab.

Kommentar: Die Analyse des IWF ist korrekt. Sie greift aber viel zu kurz. Der Kontext mit Investitionen ist richtig. Sie sind die Ingredienz, die Wachstum forciert (Kapitalstock“!). Diesbezüglich ist Deutschland einer der größten Verlierer, weil die diskretionäre Politik in Berlin (in Teilen auch in Brüssel) die Rahmendaten für Investitionen im internationalen Kontext verschlechterte („Chapeau!“). Hier ist eine fulminante Neuausrichtung mehr als überfällig.

Einen entscheidenden Aspekt lässt der IWF aus. Die Globalisierung hat das weltweite Wachstum verstärkt. Die Fragmentierung der Weltwirtschaft (Blockbildung) forciert Merkmale der Deglobalisierung. Diese Fragmentierung wird vom Westen vorangetrieben (Stichwort "friend-shoring"). Sie verringert das globale Wachstumspotential.

Die Politik des Westens mit der Zerstörung der Schiedsgerichtsbarkeit der WTO ("Skelett" (Rechtssicherheit), durch das die Globalisierung forciert wurde) durch die USA, mit hybriden Wirtschafts- und Finanzkriegen des Westens bar jeder rechtlichen Grundlage, mit der asymmetrischen Anwendung des Völkerrechts und mit dem Anspruch der USA, US-Recht in Drittstaaten, ohne dass diese Länder Mitspracherecht haben, durchzusetzen, sind die Katalysatoren, die das Wachstumspotential maßgeblich verringern, weil die globale Wirtschaft Verlässlichkeit (Recht, nicht "Recht des Stärkeren", Rahmendaten) für grenzüberschreitende Investitionen braucht.

WTO kürzt Prognose für Welthandel

Die Welthandelsorganisation (WTO, Gründung 1995) kürzte ihre Prognose für den globalen Handel per 2024 von bisher 3,3% auf 2,6%. Für 2025 rechnet die WTO wegen des verringerten Inflationsdrucks mit 3,3% Wachstum. Per 2023 hatte es einen Rückgang um 1,2% gegeben. Kommentar: Es ist die Geopolitik des Westens, es sind die akuten Krisen, die Sand in das Getriebe der globalen Wirtschaft streuen (siehe oben).

Die WTO warnte vor den Risiken einer Fragmentierung des Handels aufgrund geopolitischer Spannungen, zunehmendem Protektionismus und sich verschärfender Krisen. Die WTO sieht Hinweise auf eine Fragmentierung des Handels, nicht auf eine Deglobalisierung. Das Handelswachstum setze fort, sei jedoch langsamer als in den 90er Jahren.

Kommentar: Die Warnung der WTO ist insbesondere aus Sicht des Westens ernst zu nehmen. Der Globale Süden, der auf Basis Kaufkraftparität für circa 70% des Welt-BIP steht, der mehr als doppelt so stark wächst als der Westen (IWF Prognose 2024 Westen 1,5%, Globaler Süden 4,1%), der bei Rohstoffen autark ist, der technologisch dynamisch aufholt (ASPI-Institut) ist nicht der Grund für die reduzierte WTO Prognose. Der Globale Süden globalisiert weiter und baut Stück für Stück eigenständige Organigramme auf, um sich vom Westen zu emanzipieren.

Solange der Westen Gewinner der Globalisierung war (u.a. Lohn- und Umweltarbitrage) waren wir dabei. Jetzt, wo der Globale Süden im Rahmen des etablierten Regelwerks dank Fleiß, Bildungsoffensiven und Strukturausbau (Aristoteles) ernsthafter Konkurrent ist, nehmen wir diese Herausforderung in der Form an, dass wir uns abschotten wollen. Die normative Kraft des Faktischen impliziert, dass dieses Rezept der Realitätsverweigerung nicht wirken wird. Rationalität impliziert für uns Bildungsoffensive, Strukturaufbau und viel Fleiß und Disziplin!

Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden

Eurozone: Italien im Einzelhandel resilient

Italien: die Einzelhandelsumsätze verzeichneten per Februar im Monatsvergleich einen Anstieg um 0,1% (Vormonat revidiert von -0,1% auf 0,0%). Im Jahresvergleich ergab sich eine Zunahme um 2,4% nach zuvor 1,0%.

Griechenland: Die Industrieproduktion legte per Februar im Jahresvergleich um 1,6% nach zuvor 10,2% (revidiert von 10,3%) zu.

Griechenland: Die Verbraucherpreise wiesen per März im Jahresvergleich ein Plus in Höhe von 3,2% nach zuvor 2,9% aus.

Portugal: Die Verbraucherpreise stiegen per Berichtsmonat März im Jahresvergleich um 2,3% nach zuvor 2,3%.

Dänemark: Verbraucherpreise bei 0,9% im Jahresvergleich

Die Verbraucherpreise nahmen per Berichtsmonat März im Jahresvergleich um 0,9% nach zuvor 0,8% zu.

USA: Verbraucherpreise 0,1% (M und J) höher als erwartet

Die Verbraucherpreise legten per März im Monatsvergleich um 0,4% (Prognose 0,3%, Vormonat 0,4%) zu. Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 3,5% (Prognose 3,4%) nach zuvor 3,2%. Die Kernrate der Verbraucherpreise verzeichnete per März im Monatsvergleich einen Anstieg um 0,4% (Prognose 0,3%, Vormonat 0,4%). Im Jahresvergleich ergab sich eine Zunahme um 3,8% (Prognose 3,7%) nach zuvor 3,8%.

Das Federal Budget als Teilmenge der öffentlichen Gesamtverschuldung wies per März ein Defizit in Höhe von 236,0 Mrd. USD (Prognose -197,5 Mrd. USD) nach zuvor -296,0 Mrd. USD aus. Der MBA Hypothekenmarktindex stellte sich per 5. April 2024 auf 195,7 nach zuvor 195,6 Zähler. Das Niveau ist und bleibt prekär.

China: Deflationsrisiken in China

Die Verbraucherpreise legten per März im Jahresvergleich um 0,1% (Prognose 0,4%) nach zuvor 0,7% zu. Die Erzeugerpreise sanken im Jahresvergleich um 2,8% nach zuvor -2,7%.

Brasilien: Verbraucherpreise mit geringstem Anstieg seit Juli 2023

Die Verbraucherpreise nahmen per März im Monatsvergleich um 0,16% (Prognose 0,25%) nach zuvor 0,83% zu. Im Jahresvergleich lag der Anstieg bei 3,93% (Prognose 4,05%) nach zuvor 4,50%. Es war der geringste Anstieg seit Juli 2023.

Russland: Verbraucherpreise weiter hoch bei 7,7% (J)

Die Verbraucherpreise stiegen per März im Jahresvergleich um 7,7% (Prognose 7,7%, Vormonat 7,7%).

Derzeit ergibt sich für den EUR gegenüber dem USD eine positive Tendenz. Ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1,0700 – 1,0730 negiert das für den EUR positive Szenario.

Viel Erfolg!

© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe

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