- MercadoLibre hat trotz des schwierigen Marktumfelds ganz starke Zahlen zum 2. Quartal vorgelegt
- Die MELI-Aktie mag teuer aussehen - allerdings bleibt das Unternehmen dank umfangreicher Investitionen in neuere Märkte unglaublich profitabel
- Wenn sich die aktuelle Geschäftsentwicklung fortsetzt, sollte auch die MELI-Aktie mitziehen
Auf den ersten Blick sieht der Geschäftsbericht für das 2. Quartal von MercadoLibre (NASDAQ:MELI) recht beeindruckend aus. So stieg der Umsatz um 52 %, währungsbereinigt sogar um 57 %.
Auf GAAP-Basis (Generally Accepted Accounting Principles) wurden ordentliche operative Margen in Höhe von 9,6 % erzielt, allerdings ohne Berücksichtigung der aktienbasierten Vergütung, wie bei vielen Unternehmen, die "bereinigte" Ergebnisse vorlegen. Der GAAP-Gewinn je Aktie stieg im Jahresvergleich um satte 77 %.
MercadoLibre ließ die Erwartungen der Analysten sowohl in puncto Umsatz als auch beim Gewinn weit hinter sich zurück. So ist es nicht verwunderlich, dass MELI am Tag nach der Veröffentlichung der Ergebnisse um 16 % und am Mittwoch noch um weitere 7 % gestiegen ist.
Damit hat sich die Aktie seit ihrem Zweijahrestief im Juni um 77 % erholt. Aber selbst nach diesem phänomenalen Quartal gibt es noch Aufwärtspotential.
Quelle: Investing.com
Warum die Ergebnisse von MercadoLibre doppelt beeindruckend sind
Die Zahlen von MercadoLibre sind schon für sich beeindruckend aus. In Anbetracht des Marktumfelds sind sie aber noch beeindruckender.
MercadoLibre wird oft als das Amazon von Lateinamerika bezeichnet. Tatsächlich ist das Unternehmen mehr als das. Der Mercado Pago-Dienst lässt sich am ehesten mit dem Finanzdienstleistungs- und Mobile-Payment-Unternehmen Block (NYSE:SQ) vergleichen. Mercado Shops ähnelt Shopify (NYSE:SHOP).
Diese drei Unternehmen gehören zu den sogenannten "Pandemie-Gewinnern". Für MercadoLibre liefen die Jahre 2020/2021 ähnlich erfolgreich: Die Nachfrage nach E-Commerce und den damit einhergehenden Dienstleistungen stieg angesichts der Probleme zahlreicher Ladengeschäfte sprunghaft an.
Was diese drei Unternehmen ebenfalls gemeinsam haben, ist eine deutliche Verlangsamung des Wachstums im Jahr 2022. Amazon zum Beispiel konnte seinen Umsatz im 2. Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal nur um 7,2 % steigern - und dieses Ergebnis wurde dennoch "frenetisch" gefeiert.
Das Nachlassen des Umsatzwachstums ist keine Überraschung, da die Vergleiche zu den Vorjahren härter sind und das Interesse am Kauf von Waren nachlässt (vor allem, weil so viele Verbraucher weltweit in den Jahren 2020 und 2021 wirklich viel gekauft haben). Bei MercadoLibre jedoch gibt es keine Anzeichen einer Verlangsamung.
Ganz im Gegenteil - der Nettoumsatz von MercadoLibre hat sich zwischen dem 2. Quartal 2019 und dem 2. Quartal 2022 fast verfünffacht. Beim Betriebsergebnis vollzog sich nach einem Verlust von 12,5 Mio. USD im 2. Quartal 2019 drei Jahre später eine Kehrtwende zu einem Gewinn von 250 Mio. USD.
Eine Reihe von Einzelhändlern, online und sonstige, verzeichneten zwei Jahre lang ähnliche Wachstumsraten, nur um dann im Jahr 2022 eine "Rückkehr zur Normalität" zu erleben, die sich derzeit als erheblicher Gegenwind erweist. MercadoLibre gehört nicht zu diesen Unternehmen, sondern verzeichnet nach wie vor ein beeindruckendes Wachstum, was darauf hindeutet, dass es noch ein gutes Potenzial für weitere Umsatz- und Gewinnsteigerungen gibt.
Ist die MELI-Aktie zu teuer?
Sicherlich kalkuliert der Kurs von MercadoLibre, insbesondere nach dem Sprung von den Tiefstständen im Juni, ein beträchtliches Wachstum mit ein. Die Aktie wird zum 160-fachen der diesjährigen Konsensschätzung für den Gewinn pro Aktie gehandelt.
Dennoch erwartet der Markt, dass sich diese Gewinne in diesem Jahr mehr als verdreifachen werden, und die Wall Street geht im Durchschnitt von einem Wachstum von 70 % im nächsten Jahr aus. Und, wie es bei Amazon schon lange der Fall ist, bilden die Kennzahlen nicht die wahre Ertragskraft des Unternehmens ab.
MercadoLibre verliert in seinen neueren Märkten immer noch Geld. In Mexiko, einem der wichtigsten Märkte des Unternehmens, wurde erst im letzten Quartal die Gewinnzone erreicht. Es sind Zeit und Kapital erforderlich, um positive Erträge zu erzielen, in der Zwischenzeit könnten sich die Fundamentaldaten etwas unstet entwickeln.
Seit ein paar Jahrzehnten gedulden sich die Anleger mit einer ähnlichen Strategie von Amazon. Auch bei MercadoLibre sollte man diese Geduld aufbringen. Es ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich, als Außenstehender genau zu berechnen, wie rentabel das Unternehmen jetzt sein könnte oder in Zukunft sein wird. Umfassende Vergleiche lassen vermuten, dass es hier noch viel Spielraum nach oben gibt.
Immerhin leben in Lateinamerika rund 650 Millionen Menschen - eine Bevölkerung, die fast doppelt so groß ist wie die der USA. Allerdings ist das Bruttoinlandsprodukt weitaus geringer, es liegt bei ca. einem Viertel des amerikanischen Wertes.
Und Amazon (NASDAQ:AMZN) hat eine Marktkapitalisierung, die etwa 25-mal so hoch ist wie die von MercadoLibre. Ja, Amazon ist weltweit tätig, und Amazon Web Services macht einen wesentlichen Teil seiner Bewertung aus, aber MercadoLibre wächst schneller und hat eine größere Chance auf Marktführerschaft als sein amerikanisches Pendant. Die Bewertung von MercadoLibre liegt derzeit nur knapp über der von Shopify oder Square.
Ein altes Bullen-Argument?
Im Großen und Ganzen scheint die aktuelle Bewertung zumindest angemessen zu sein, auch wenn die Gewinn- und Umsatzmultiplikatoren relativ hoch erscheinen. Angesichts der Wachstumsraten des Unternehmens werden diese Multiplikatoren im Laufe der Zeit stetig sinken.
Und dennoch gibt es - wie immer - auch Risiken. Das offensichtliche Risiko ist ein Abflauen des Wachstums. Lateinamerika war von der Pandemie härter getroffen als andere Regionen, dort setzte die Normalität erst viel später wieder ein. Es ist möglich, dass die Ergebnisse des Unternehmens 2022 so aussehen werden wie die der nordamerikanischen Konkurrenz im Jahr 2021, und der "Kater" erst im Jahr 2023 eintritt.
Das andere Risiko ist, dass das Bullen-Argument stark dem Bullen-Argument der Jahre 2020 und 2021 ähnelt, als die Anleger auf Wachstum statt auf Bewertung setzten. Das änderte sich in diesem Jahr schlagartig, als so viele Wachstumswerte, zu denen auch MELI gehört, unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückkehrten. Selbst wenn es MercadoLibre gelingt, das Wachstum langfristig fortzusetzen, könnte die kurzfristige Volatilität der Aktie zusetzen.
Im Moment scheint es sich zu lohnen, diese Risiken einzugehen. Das Bullen-Argument ist hier ähnlich wie das im Jahr 2021. Bisher zeigen die Ergebnisse von MercadoLibre jedoch, dass das Unternehmen nicht zu den gefallenen Engeln gehört. Das Wachstum hält an - und solange das der Fall ist, sollte sich die MELI-Aktie gut entwickeln.
Haftungsausschluss: Vince Martin hält zu dem Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels keine Positionen in hier besprochenen Wertpapieren.