Die Vereinbarung der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, Anleihen im Wert von 750 Mrd. EUR zur Finanzierung der Erholung von Covid-19 auszugeben, lässt vielen Investoren und Analysten das Wasser im Munde zusammenlaufen. Die erste bedeutsame Emission gemeinsamer Schuldtitel durch die Staatengemeinschaft wird von ihnen zu einem Ereignis ausgerufen, mit dem US-Staatsanleihen Konkurrenz bekommen könnten.
Für diese Investoren ist dies nur der Anfang. Trotz aller Dementis, dass es sich hier um eine einmalige und temporäre Maßnahme handelt, werden die Staats- und Regierungschefs der EU zahlreiche Ausreden finden, um die Märkte zu erschließen, jetzt, da der Geist aus der Flasche ist. Für Optimisten bedeutet dies eine Transformation der Kapitalmärkte.
Hin zu einer perfekteren Union oder eine wenig sichere Wette?
Die Prämisse ist, dass EU-Anleihen deutsche Bundesanleihen als Zinsreferenz für den Euro ablösen werden. Denn das hohe Rating der EU (Triple-A von Moody's und Fitch, Double-A von Standard and Poor's) macht die Wertpapiere zu einem vergleichbaren Wert.
Vielleicht. Obwohl Analysten davon ausgehen, dass die Europäische Kommission ab 2021 über einen Zeitraum von drei Jahren jedes Jahr Covid-Anleihen im Wert von fast 200 Mrd. EUR ausgeben wird, bleibt dies hinter der geplanten deutschen Kreditemission von fast 220 Mrd. EUR in diesem Jahr zurück. Deutschland, Frankreich und Italien haben alle mehr ausstehende Schulden als die EU, selbst wenn Sie Kredite durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus und die Europäische Investitionsbank einbeziehen.
Deutschland besitzt eine etwas bessere Kreditwürdigkeit (Triple-A) und das Rating der EU ist nicht in Beton gegossen. Wie einige vorsichtige Kommentatoren festgestellt haben, werden die neuen EU-Anleihen keinen Haftungsdurchgriff enthalten - einzelne Länder sind im Falle eines Zahlungsverzugs nicht zur Zahlung verpflichtet. In diesem Sinne sind die neuen Anleihen nicht der Durchbruch zur Vergemeinschaftung der Schulden, wie er von vielen begrüßt worden war und dies ist nicht der Hamilton-Moment der EU.
Nachdem die EU-Staats- und Regierungschefs erfolgreich einen Kompromiss gefunden haben, der die Erwartungen übertrifft, sonnen sie sich jetzt in der Zustimmung der Anleger und der Ratingagenturen. Wären die Aussichten für die Emission von Anleihen so positiv gewesen, als die Staatengemeinschaft vor einigen Jahren von seiner Staatsschuldenkrise heimgesucht wurde? Werden sie in der nächsten Krise so positiv bleiben, mit diesem hastig zusammengeschusterten Kreditmechanismus und der widerwilligen Unterstützung der Mitglieder?
Für die Optimisten wird die Emission von Anleihen der EU den nötigen Schub geben, um zu den Traum der Fiskal-, Banken- und Kapitalmarktunion umzusetzen, von der sie seit Einführung des Euro geträumt haben, um eine perfektere Union aufzubauen. Mehr als 20 Jahre nach der Einführung des Euro muss sich das aber erst noch zeigen.
Aber sobald der Ausnahmezustand überwunden ist, ist es viel wahrscheinlicher, dass sich die nationalen Prioritäten wieder durchsetzen werden. Selbst in Zeiten einer Pandemie brauchten die Staats- und Regierungschefs der EU insgesamt vier Tage und Nächte, um den Widerstand von "sparsamen" Ländern wie den Niederlanden und Österreich zu brechen. Nur Bundeskanzlerin Angela Merkel allein hinderte Deutschland daran, zu den Widerstandskämpfern zu gehören.
In der Zwischenzeit werden Anleger die neuen EU-Anleihen als Alternative zu deutschen Bundesanleihen begrüßen, die eine negative Rendite von weniger als minus 0,50% auf die 10-Jahresanleihen abwerfen. Die derzeit ausstehenden EU-Anleihen mit vergleichbarer Laufzeit, die die französische Staatsanleihen abbilden, weisen eine Rendite von etwa minus 0,20% auf.
Man geht davon aus, dass die Renditen deutscher Anleihen steigen werden, wenn die Anleger sie für die EU-Anleihen fallen lassen und Deutschland den Markt mit mehr Neuemissionen als gewöhnlich überschwemmt aufgrund seines durch die Pandemie verursachten Defizits, einer Abkehr von der Politik der ausgeglichenen Haushalte, die das Angebot an Bundesanleihen in den letzten Jahren niedrig gehalten hatte.
In der Theorie könnten die EU-Anleihen nicht nur als Alternative zu US-Staatsanleihen dienen, sondern könnten auch den Euro als Reservewährung attraktiver machen, da die Zentralbanken die Anleihen für ihre Reserven erwerben.
Dies gilt aber längst nicht als ausgemachte Sache. Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe befindet sich schließlich immer noch im positiven Bereich und anhaltende Spekulationen über den Bedeutungsverlust des US-Dollars als Reservewährung haben sich ausnahmslos als falsch erwiesen.
Diesmal könnte es anders sein, aber angesichts der umstrittenen Natur des europäischen Projekts, ist dies wohl kaum eine sichere Wette.