Nicht Trump ist das größte Problem der EU. Es ist unsere Realitätsverweigerung.

Veröffentlicht am 05.03.2025, 10:25

Unser täglich Donald Trump gib uns heute. Er kappt die Militärhilfe für die Ukraine und verhängt Zölle gegen Kanada, Mexiko, China und bald gegen Europa? Doch was er heute tun will, kann morgen schon das Geschwätz von gestern sein. Auf diese Spielchen sollte sich die EU nicht einlassen. Europa muss seine Politik des operativen Nichtstuns sofort beenden und sich geopolitisches Kampfgewicht „anfressen“. Tatsächlich scheint Europas Lernkurve nicht mehr nur eine Gerade zu sein.

Europa darf geopolitisch nicht in der Wurst landen

Ob mit oder ohne Rohstoff-Deal zwischen Selenskyj und Trump, Europa wird zukünftig mehr Lasten für die Verteidigung der Ukraine aufbringen müssen. Eigentlich hätten Brüssel und Berlin sich schon längst darauf vorbereiten müssen.

Europäische Verteidigungsfähigkeit muss schnell angestrebt werden, auch wenn es richtig viel kostet. In Deutschland sind Sondervermögen gerechtfertigt, um die Bundeswehr nicht weiter dem Risiko einer Blechbüchsenarmee auszusetzen. Whatever it costs: In harten Zeiten werden harte Maßnahmen gebraucht, die nicht wieder mit politischer Kakophonie zerredet werden dürfen. Oder wollen wir mögliche Angreifer mit Mistgabeln und Wattebällchen abschrecken?

Wenn wir weiterhin nur militärische Schonkost servieren, verlieren wir noch weiter an geopolitischer Bedeutung. Lernen wir aus unseren Fehlern, gewinnen wir dagegen an Stärke und erzielen sogar Wirkung bei Trump.

Nicht zuletzt kommt Stärke an den europäischen Börsen gut an, sicher bei Rüstungstiteln. Doch erhöhen Investitionen in Rüstung ebenso das Wirtschaftswachstum allgemein, da sie zu positiven Nebenwirkungen wie Innovationen und Produktivität führen. Und diejenigen, die sich ethisch über Militärausgaben aufregen, ignorieren den Aspekt der militärischen Abschreckung, der in Europa 70 Jahre gut funktioniert hat. Verteidigungsfähigkeit stärkt Frieden, Beschwichtigungspolitik schwächt ihn. Das ist Realpolitik.

Zölle kommen immer auf das auslösende Land zurück

Zölle sind ziemlich das Dümmste, was es wirtschaftlich gibt. Sie schwächen zwar das Exportland, ziehen aber auch Verwüstungen im Importland nach sich. Reich wird Amerika davon nicht.

Trump sollte bereits spüren, dass handelspolitische Handicaps zur Investitionszurückhaltung bei US-Unternehmen führen. Allein schon das Gerede von Zöllen und die je nach Tageslaune von Trump flexible Auslegung seiner Zollpolitik verunsichern Importeure und schädigen Lieferketten. Immerhin kommt etwa die Hälfte der Vorprodukte in den USA aus dem Ausland, darunter Stahl, Aluminium und Strom. Das alles durch Produktion in Amerika zu ersetzen, kostet nicht nur viel Zeit und verursacht große Engpässe, sondern lässt vor allem die Inflation explodieren. Gerade weil es im Ausland so viel billiger ist, sind die US-Konzerne doch z.B. nach Mexiko oder China gegangen.

In der Tat signalisieren zuletzt die US-Frühindikatoren Rückgänge der Neuaufträge, der Produktion und Beschäftigungsnachfrage. Die Preiserwartungen haben das höchste Niveau seit Juni 2022 erreicht. Und die Gegenzölle aus der EU werden das Preisproblem noch vergrößern. Überhaupt, zig Tausende von Eurokraten gehen uns bislang mit ihrem Moralismus und Gutmenschentum auf die Nerven. Wie wäre es, wenn sie ihre „Expertise“ zukünftig dazu nutzen, z.B. den US-High-Tech-Giganten mit langwierigen Untersuchungen ihres Geschäftsgebarens das Leben teurer zu machen?

Höhere Preissteigerungen führen ebenso zu höheren Schuldzinsen. Das kann dem völlig überschuldeten Uncle Sam und den im Kreditsumpf steckenden Verbrauchern nicht gefallen. Da bieten auch die versprochenen epochalen Kürzungen im US-Staatshaushalt keine Abhilfe, die bei näherer Betrachtung deutlich weniger epochal ausfallen werden.

Und bei Inflationsüberhitzung lässt auch der zinspolitische Rückenwind der Fed für die Wirtschaft nach. Das mag Trump ein Dorn im Auge sein. Aber den Fed-Chef einfach auswechseln wie beim Fußball kann er nicht. Nicht einer Meinung mit Trump sein, reicht nicht aus. Selbst wenn der US-Notenbankpräsident von sich aus das Handtuch werfen würde, wird ein neuer keine ungerechtfertigte Niedrigzinspolitik betreiben können. Denn wenn dann die US-Inflation vollkommen aus dem Ruder läuft und auch noch Fragen nach der Unabhängigkeit der Fed laut werden, werden die Finanzmärkte US-Anleihen, den Dollar als Weltleitwährung und die US-Aktienmärkte abstrafen, die Trump doch immer als Seismograf seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik erkoren hat. Aktuell sind anfänglichen Aktiengewinne nach seiner Wahl ziemlich ramponiert. Gut gemacht, Donald!

Und seine Wähler? Die Zwischenwahlen finden bereits Ende des nächsten Jahres statt. Dann kann aus der kleinen Mehrheit der Republikaner schnell eine Mehrheit der Demokraten werden. Selbst Ronald Reagan musste sich mit Demokraten in Senat und Repräsentantenhaus auseinandersetzen. Übrigens sind auch viele republikanische Abgeordnete im Senat und Repräsentantenhaus keine Freunde einer harten Zollpolitik. Und wenn der Stern von Trump sinkt, zumal er sich in seiner letzten Amtszeit befindet, werden die Trump-Opportunisten schnell zu Wendehälsen werden.

Trump mag im Moment Cäsar sein, aber ein Brutus wartet an jeder Ecke.

Hat Europa endlich verstanden?

Käme es jetzt noch zu Zollgesprächen, bei denen die EU zum Beispiel die im Vergleich zu Amerika höheren Importzölle senkt, wären Deals durchaus möglich.

Mit einem zwischenzeitlichen „Waffenstillstand“ darf sich Europa aber nicht zufriedengeben. Die wirtschaftlich alles entscheidende Frage ist: Was muss bei uns geschehen, damit sich unsere Unternehmen nicht nur weiter nach Amerika verabschieden, sondern bei uns investieren? Unsere Infrastruktur muss erstklassig werden. Viel zu viel Zeit ist mit Wohlfühl-Regierungen ins Land gegangen, die alles auf Verschleiß gefahren haben. Jetzt muss viel Geld in die Hand genommen werden, um die 180 Grad-Wende zu schaffen. Eine halbe Billion klingt gut. Und Deutschland hat immer noch eine gute Schuldentragfähigkeit. Die Schuldenbremse sollte vor allem nur gelockert werden, wenn die Finanzmittel der Verbesserung der allgemeinen Angebotsbedingungen zugutekommen. Subventionen sind nur second best, weniger durchgreifend. Möge die Marktwirtschaft gegenüber der Staatswirtschaft die Oberhand behalten.

Grundsätzlich sollte sich der zweitgrößte Wirtschaftsraum der Welt, die EU, endlich mal über seine theoretische Macht bewusst werden. Die praktische Umsetzung ist sicher eine andere Herausforderung, insbesondere der Zusammenhalt. Immerhin, hört man z.B. den Reden der EU-Kommissionspräsidentin zu, scheinen sich Politikänderungen abzuzeichnen. Jetzt bloß nicht nur reden, sondern anpacken. Es müssen ganze Wälder an ideologischem und bürokratischem Wildwuchs beseitigt werden. Kommen wir endlich in der harten Realität an.

Was sagt die Kölner Band „Höhner“ dazu:

Wenn nicht jetzt, wann dann?
Wenn nicht hier, sag mir, wo und wann?
Wenn nicht wir, wer sonst?
Es wird Zeit, komm, wir nehmen das Glück in die Hand.

Ansonsten ist in der EU das ganze Jahr Fastenzeit.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG

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