Das heutige OPEC+-Treffen am Donnerstag, den 1. Juli, ist von besonderem Interesse. Nicht nur, weil der Ölpreis relativ hoch steht (sowohl der Preis für ein Barrel der Sorte WTI als auch der für ein Barrel der Sorte Brent), sondern auch weil die Benzinpreise in den Vereinigten Staaten kräftig anziehen.
Die OPEC+ steht vor einer bedeutenden Entscheidung: wie soll es mit der Ölproduktion im August und möglicherweise für den Rest des Jahres 2021 weitergehen?
Entsprechend den im Frühjahr festgelegten Bedingungen soll die Gruppe die Produktion im Juli leicht erhöhen. Das Treffen der OPEC+ am 1. Juli konzentriert sich auf die Frage, was danach kommt, denn die aktuellen Pläne des Ölkartells sehen eine gleichbleibende Fördermenge nach Juli vor.
Die Gerüchte ähneln dem, was wir das ganze Jahr über gehört haben - Russland bevorzugt eine Produktionssteigerung im August und September, aber Saudi-Arabien befürwortet ein eher vorsichtiges Vorgehen. Kasachstan unterstützt Russlands Position, und Nigeria spricht sich ebenfalls für eine Erhöhung der Fördermenge aus. Kuwait teilt derweil den vorsichtigen Ansatz Saudi-Arabiens.
Die meisten Energiemarktanalysten glauben, dass die OPEC+ die Fördermengen im August um 500.000 Barrel pro Tag bis 1 Million Barrel pro Tag erhöhen wird. Allerdings lassen die überaus zurückhaltenden Äußerungen Saudi-Arabiens Zweifel aufkommen, ob das Land einer derartigen Produktionssteigerung zustimmen wird.
Einerseits gibt es Anzeichen dafür, dass der Ölmarkt angespannt ist und die Nachfrage das derzeitige Angebot übersteigen wird, was den Anstieg rechtfertigt. Gleichzeitig gibt es aber auch gegenteilige Anzeichen, die den Schluss nahelegen, dass das Angebot auf dem Ölmarkt nicht so knapp ist, wie die Preise es suggerieren, und dass der Ölmarkt ganz leicht in ein Überangebot geraten könnte.
Schauen wir uns beide Argumente einmal genauer an.
1. Enger Ölmarkt - die Produktion muss gesteigert werden
Ein am Dienstag, den 29. Juni, vom Gemeinsamen Technischen Komitee (JTC) der OPEC+ behandelter Bericht ergab, dass sich der Ölmarkt derzeit in einem Defizit befindet und dies auch kurzfristig so bleiben wird.
Die Nachfrage nach Öl nimmt zu. In den USA ist die Nachfrage nach Benzin und Diesel gestiegen und das auf Tankern vor der Küste gelagerte Erdöl sank letzte Woche um 17%.
Banken und Hedgefonds geben sich zuversichtlich, dass die Preise weiter steigen werden und haben dementsprechend ihre Wetten platziert. Die Ölproduktion in den USA ist mit rund 11 Millionen Barrel täglich stabil geblieben. Bei höheren Preisen bohren einige Unternehmen mehr, aber die meisten weiten die Produktion nicht aus.
Und die Fluggesellschaften rüsten sich für eine Zunahme des Flugverkehrs, was zu einem höheren Verbrauch an Kerosin führen würde.
All dies deutet darauf hin, dass die OPEC+ die Produktion erhöhen sollte, um den nach Rohöl dürstenden Markt ausreichend zu versorgen. Gleichzeitig sprechen diese Anzeichen dafür, dass eine Steigerung des Ölangebots die Preise nicht wesentlich, wenn überhaupt, nach unten drücken würde. Vielmehr könnte eine Aufstockung der Reserven einen Preisanstieg auf ein Niveau verhindern, das zu einer wirtschaftlichen Rezession führen oder die Nachfrage beeinträchtigen würde.
2. Schwacher Ölmarkt - ein vorsichtiger Produktionsansatz ist nötig
Der Ölmarkt erscheint angespannt, weil die OPEC+ immer noch 5,9 Millionen Barrel pro Tag zurückhält, die nicht auf den Markt kommen. Der JTC-Ölmarktbericht verdeutlicht, dass der Ölmarkt im Jahr 2022 trotz des erwarteten Nachfragewachstums in ein Überangebot geraten wird, falls die OPEC+ die Förderung in den nächsten acht Monaten um weitere 5,9 Millionen Barrel pro Tag erhöht.
Auch die globalen Öllagerbestände bleiben hoch und das trotz einiger starker Rückgänge in den letzten Monaten. Die auf See gelagerten Ölreserven haben sich zwar verringert, aber nur auf das Niveau von April 2020. Zudem hat China die Menge an Erdöl, die seine unabhängigen Raffinerien in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 kaufen dürfen, um 35% gekürzt. Und der Iran ist bereit, seine Exporte um bis zu 1 Million Barrel täglich zu erhöhen, wenn die Verhandlungen mit den USA zur Aufhebung der Ölsanktionen führen.
Das würde bedeuten, dass die OPEC+ einen konservativen Ansatz für den Ölmarkt wählen und die Ölproduktion nicht zu sehr - oder überhaupt nicht - erhöhen sollte. Auch der Pessimismus bezüglich des Coronavirus könnte eine Rolle spielen. Wenn es so aussieht, als würden die Regierungen ihre Volkswirtschaften aus Angst vor neuen Virus-Stämmen erneut herunterfahren, könnte die OPEC+ noch mehr geneigt sein, von einer Produktionssteigerung abzusehen oder diese auf ein Minimum zu reduzieren.
Fazit
Letztendlich ist es wohl so, dass Saudi-Arabien und Russland einen Deal ausarbeiten werden, der einerseits das Bedürfnis Russlands nach einer Erhöhung der Produktion befriedigt, andererseits aber nicht zu viel Öl auf den Markt bringt. Saudi-Arabien hat bereits bewiesen, dass es zur Drosselung seiner eigenen Produktion bereit ist, während es gleichzeitig einer Erhöhung der russischen Förderung zustimmt, und könnte dies erneut tun, wenn sich die beiden Mächte nicht auf eine Lösung einigen können.
In Anbetracht der neuen Politik der OPEC+, monatliche Treffen abzuhalten, und der problemlosen Möglichkeit, diese Treffen virtuell zu veranstalten, ist es für die Mitglieder nur allzu leicht, große Entscheidungen einfach aufzuschieben. Denn sie können in 4 Wochen oder so wieder darüber nachdenken. Deshalb bezweifeln die meisten Analysten, dass die OPEC+ irgendwelche bedeutenden Entscheidungen treffen oder den Markt dramatisch beeinflussen wird.