Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,2258 (05:58 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,2227 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 108,81. In der Folge notiert EUR-JPY bei 133,38. EUR-CHF oszilliert bei 1,0965.
Die Finanzmärkte erhalten weiter solide Unterstützung. Überwiegend liefern die Konjunkturdaten mit Ausnahme einiger Daten der USA (siehe Datenpotpourri) Steilvorlagen für Risikofreude der Marktteilnehmer. Auch die Nachrichten von der Pandemiefront sorgen für positivere Perspektiven für Wirtschaft und für Märkte.
So sank die Inzidenz in Deutschland beispielsweise deutlich unter die Marke von 50. Die Einlassungen von der Zinsfront seitens bedeutender westlicher Zentralbanker (siehe unten) sind unmissverständlich. Zentralbanken sorgen faktisch für monetäre Vollkaskoversicherung. Geopolitisch sind Hoffnungswerte zulässig, dass es zwischen dem Westen und Russland zu Annäherungen kommt (Gipfel 16. Juni).
Diese Entwicklungen wirkten sich positiv an den Edelmetallmärkten aus. Gold konnte die Marke von 1.900 USD überwinden, während Silber die Marke von 28 USD pro Unze überwand.
US-Präsident Biden erklärte gestern den Verzicht auf Sanktionen gegen Unternehmen hinter der Nord Stream 2-Gaspipeline. Sanktionen würden den Beziehungen zu Europa schaden. Er sei gegen die Pipeline gewesen, habe aber mit Maßnahmen gezögert, weil bei seinem Amtsantritt im Januar Nord Stream 2 fast vollständig fertig gewesen sei. Es sei nicht so, dass er Deutschland erlauben könne, etwas zu tun oder sein zu lassen. Die Regierung in Deutschland sei sich seiner Bedenken aber bewusst.
So klingt pragmatische Diplomatie, die bei allen Gesichtsverluste verhindern hilft.
Zentralbanken: Klartext
Der Chef der Schweizer Notenbank Jordan bekräftigte die aktuelle Politik der Negativzinsen. Sie sei absolut notwendig. Das bezöge sich sowohl auf das Inflationsumfeld als auch auf die Bewertung des Franken. Aus meiner Sichtweise heraus sind beide Argumente stichhaltig. Kleine Länder können darüber hinaus keine eigenständige Zins- und Geldpolitik machen, die sich markant von den Politiken der dominierenden Wirtschaftsräume abhebt. Die Risiken von Verwerfungen (z.B. über Währungsverwerfungen) wären zu groß.
Richard Clarida, der Stellvertreter Powells an der Spitze der Federal Reserve, sagte gestern, der Zeitpunkt sei noch nicht gekommen, der US-Wirtschaft die Unterstützung zu entziehen. Das deckt sich mit den Aussagen der wichtigen Fed-Direktorin Lael Brainard, die an dieser Stelle gestern thematisiert wurden. Die Notwendigkeit der Subvention der Wirtschaft ist in den USA ausgeprägter als in allen anderen westlichen Ländern von Bedeutung. Dabei kommt das UK (öffentliche Verschuldungsdynamik) den USA nahe.
Die EZB hat aus Sicht von Frankreichs Notenbankchef Villeroy de Galhau genügend Zeit, um den Ausstieg aus ihren Anleihenkäufen auszuarbeiten. Die EZB werde mindestens so konjunkturunterstützend und geduldig sein wie die US-Notenbank Federal Reserve (= Gleichschaltung). Implizit zielte diese Bemerkung auf den Devisenmarkt. Der EUR nähert sich gegenüber dem USD der "Diskomfortzone" der EZB. Villeroy negierte zusätzlich das Thema Zeitdruck bei dem Ausstieg.
Das Kaufvolumen würde bis März 2022 frei seitens der EZB bestimmt werden (derzeit circa 80 Mrd. EUR pro Monat). Der niederländische Notenbankchef Knot hatte zuvor argumentiert, dass die EZB bei einer kräftigen Konjunkturerholung ab dem 3. Quartal 2021 beginnen könnte, die Käufe zu verringern. Griechenlands Notenbankchef Stournaras plädiert dagegen zur Vorsicht.
Villeroy de Galhau betonte, dass die EZB genügend andere Werkzeuge besitze, um die Finanzierungsbedingungen günstig zu halten. Die Geldpolitik der EZB werde so konjunkturstützend bleiben wie nötig und dies so lange wie notwendig. Die EZB könne aber nötigenfalls auch den Einlagesatz, der aktuell bei -0,5% liegt, noch weiter senken. Das derzeitige Niveau sei keine Untergrenze. Auch sei vorstellbar, dass die EZB ihre großen Kreditvolumina für Banken über TLTRO länger beibehalte.
Fazit: Insgesamt zeichnet sich eine Politik der ruhigen Hand seitens der Federal Reserve ab. Via impliziter Gleichschaltung gilt das auch für die EZB und grundsätzlich andere Zentralbanken kleinerer europäischer Länder. Abrupte Lastwechsel mit der Folge von Stresszuständen für Wirtschaft oder Märkte stehen weder in Washington noch in Frankfurt oder anderswo in der westlichen Welt auf der Agenda.
Anders sieht das in starken aufstrebenden Ländern aus. Dort erkennen wir Zinskurven, die steil sind und Zinsniveaus oberhalb des Inflationsniveaus. Was sagt das über innere Stärke in den jeweiligen Wirtschaftsräumen aus? Die westliche Investitionstätigkeit (Finanzmärkte) spiegelt diese Realitäten nicht. Sie ist Ausdruck eines Selbstbildes, das nicht notwendig mit dem Fremdbild und der Realität kompatibel ist.
Datenpotpourri der letzten 48 Handelsstunden:
Eurozone: Starker IFO-Index
Der IFO-Geschäftsklimaindex stieg per Berichtsmonat Mai von zuvor 96,6 (revidiert von 96,8) auf 99,2 Punkte (Prognose 98,2) und markierte den höchsten Indexstand seit Mai 2019. Der IFO-Lageindex nahm von 94,2 (revidiert von 94,1) auf 95,7 Zähler zu (Prognose 95,5), während der IFO-Erwartungsindex von zuvor 99,2 (revidiert von 99,5) auf 102,9 (Prognose 101,4) Punkte anstieg.
Das deutsche BIP sank per 1. Quartal im Quartalsvergleich um 1,8% (Prognose -1,7%) und im Jahresvergleich um 3,1% (Prognose -3,0%).
UK: Einzelhandel enttäuscht Erwartung
Der vom CBI ermittelte Index für den Einzelhandel (Distributive Trades) fiel unerwartet per Berichtsmonat Mai von zuvor 20 auf 18 Punkte (Prognose 30).
USA: Immobilienpreisinflation zehrt
Der Case/Shiller Hauspreisindex im 20 Städtevergleich lieferte per März im Monatsvergleich einen Anstieg um 1,6% (Prognose 1,2%) und im Jahresvergleich um 13,3% (Prognose 12,3%) nach zuvor 12,0% (revidiert von 11,9%). Der Anstieg der Preise darf hinsichtlich der Erschwinglichkeit als zunehmend kritisch bewertet werden.
Der Index des Verbrauchervertrauens nach Lesart des Conference Board sank per Berichtsmonat Mai unerwartet von zuvor 117,5 (revidiert von 121,7) auf 117,2 Punkte (Prognose 119,2). Der Absatz neuer Wohnimmobilien fiel per April (annualisierte Darstellung) von zuvor 917.000 (revidiert von 1.021.000) auf 863.000 (Prognose 970.000). Die Themen Erschwinglichkeit und Verfügbarkeit machen sich bemerkbar.
Der Richmond Fed Composite Index legte per Berichtsmonat Mai von zuvor 17 auf 18 Zähler zu.
Russland: Starke Daten
Die Industrieproduktion stieg per April im Jahresvergleich um 7,2% (Prognose 6,5%) nach zuvor 2,3% (revidiert von 1,1%). Die Arbeitslosenrate sank per April von zuvor 5,4% auf 5,2% (Prognose 5,4%) und markierte den tiefsten Stand seit März 2020 (4,7%).
Südkorea: Verarbeitendes Gewerbe auf vollen Touren
Der BOK Manufacturing Index stieg per Juni von zuvor 95 auf 98 Zähler und erreichte damit den höchsten Wert seit 2011.
Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten der Unterstützungszone im Währungspaar EUR/USD bei 1.1690 - 1.1720 neutralisiert den positiven Bias des EUR.
Viel Erfolg!
© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Solvecon Invest GmbH
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