In den letzten Jahren steigt die allgemeine Unzufriedenheit in der Europäischen Union. Das zeigen Statistiken von Eurostat. Um zu diesem Schluss zu kommen, benötigt man aber keine Statistik, ein Blick durch die Medienlandschaft reicht aus. Negative Schlagzeilen überschlagen sich: Inflation, Krieg, Rezession und Haushaltsverschuldung. Im nationalen Kontext wächst auch der Unmut im Hinblick auf die Bundesregierung, die nach der stabilen Merkel-Ära mit wenig Erfahrung in einem schwierigen Umfeld unterwegs ist. Nur herumzunörgeln und jeden Entscheidungsträger mit Beschuldigungen zu überhäufen, bringt aber nichts. Lösungen müssen her. Nicht schnell und auch nicht radikal, aber sie müssen her. In diesem Artikel schneide ich einige wichtige Punkte an.
Zuallererst müssen Deutschland und die EU als Einheit ihre internationale Wirtschaftspolitik umdenken. Mit fortschreitender Globalisierung haben andere Länder mittlerweile ausreichende Kapazitäten ausgebaut, um in den meisten Wirtschaftszweigen Ausweichgüter und Dienstleistungen anzubieten. Es ist nicht mehr der Fall, dass es hochentwickelte Technologien nur noch im Westen zu haben gibt. Das war in den 90ern und frühen 00er-Jahren noch so, aber die Computerchips aus China, die Autos aus Indien, Flugzeuge aus Brasilien und Waffen aus der Türkei halten nicht nur mit, sondern sind ernstzunehmende Konkurrenz für die prestigereichen Produkte aus der EU. Das muss klar sein, damit man auf dem Weltmarkt seine Sachen auch loswird. Es müssen höhere Budgets für Forschung und Entwicklung freigegeben werden. Zudem müssen fiskalpolitische Maßnahmen getroffen werden, um auch preislich attraktiv zu sein – die Mehrkosten für das Siegel Made in Germany zahlt kaum noch ein Abnehmer gerne, wenn es vergleichbare Produkte woanders zum halben Preis gibt. Zudem muss sich Europa in seiner Außenpolitik auf die wirtschaftlichen Beziehungen konzentrieren. Im Ausland macht man wegen der ständigen schwingenden Moralkeule der Europäer mit diesen nicht mehr gerne Geschäfte – wie auch, wenn der Geschäftspartner einem immer sagt, wie blöd man einen findet.
Was aber die oben genannten fiskalpolitischen Maßnahmen angeht, sind diese vor allem angebotsorientiert. Subventionen für Forschung und strategische Sektoren sind ein Muss, damit die europäischen Länder nicht nur weiter in Richtung Vollbeschäftigung laufen, sondern die Unternehmen auch profitabel bleiben. Während Subventionen für Exportgüter in Form von Steuererleichterungen, staatlichen Anteilschaften, Materialkostenabkommen mit Drittländern und leistungsorientierten Boni für Unternehmen gute Lösungen wären, so könnte man für den pan-europäischen Handel Transportsubventionen oder Mehrwertsteuerstreichungen durchsetzen. Außerdem muss Europa gerade den Binnenmarkt stärken, um international wieder besser dazustehen. Die Arbeitsmobilität ist weiterhin katastrophal, weshalb Talente in der EU nicht immer an ihrem effizientesten Platz sind – verlorenes Potenzial! Mit Mobilitätsförderung und Incentivierung von pan-europäischen Kooperationen können Unternehmen aus bereits bestehenden Ressourcen noch mehr rausholen.
Eine der wichtigsten Kooperationen, die sich unbedingt intensivieren muss, ist der Kapitalmarkt. Zwar sind die Börsen Europas durch die Euronext besser vernetzt denn je, aber der intra-europäische Wertpapierhandel ist noch fernab vom Gütesiegel Binnenmarkt-Niveau. Zum einen muss der Handel von Wertanlagen innerhalb Europas noch günstiger werden, die Einlagensicherung übergreifend und umfangreich geregelt sein und der Handel aktiv seitens der Politik beworben werden. So können die Unternehmen auch die oben beschriebene Angebotsseite wieder beleben, ohne sich langfristig noch abhängiger von ausländischen Geldern zu machen. Ein großer Vorteil wäre es auch, wenn die EZB sich offensiver um die strategische Stellung des Euros bemüht. Zwar ist dieser die zweitgrößte Leitwährung der Welt, aber da muss mehr kommen. Mit aggressiverer Geldpolitik zur Nutzung des Euros kann Europa seinen Unternehmen bessere Rohstoffpreise, günstigere Kredite und lukrative Handelsmöglichkeiten auf dem internationalen Parkett sichern – alles Maßnahmen, die sich China immer deutlicher auf die Fahne schreibt.
Es gibt also viele Stellschrauben, an denen es zu drehen gilt, wenn auch mit Bedacht und nicht allzu schnell. In der aktuellen Situation laufen wir zwar natürlich keinem Untergang entgegen, aber Europa kann einfach mehr. Wie gesagt, rumheulen bringt nichts; hinsetzen und machen ist die Devise!
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