- Eine 80 %-Rallye von den Tiefstständen im Juni weckt fundamentale Bedenken
- Steigende Zinsen und niedrigere Kosten könnten das Unternehmen in die Gewinnzone bringen
- Von hier aus sind die Anleger jedoch auf das Management des Neobrokers angewiesen - und das bereitet Sorgen
- a) die Plattform muss neue Nutzer hinzugewinnen;
- b) Robinhood-Nutzer dürfen ihre Konten nicht abräumen;
- c) die bestehenden Nutzer lassen ihre Konten wachsen (was wiederum die Nettozinseinnahmen erhöhen würde)
Im Moment ist es schwierig, fundamentale Argumente für eine Anlage in Robinhood Markets (NASDAQ:HOOD) zu finden. Vor ein paar Monaten war das noch viel einfacher.
Im Juni erreichte HOOD ein Allzeittief von unter 7 USD. Die Marktkapitalisierung von etwa 6 Mrd. Dollar war sogar niedriger als die Liquidität in der Bilanz von Robinhood, den Barmitteln des Unternehmens, nicht dem Geld auf den Kundenkonten.
Selbst in Anbetracht der unzähligen Herausforderungen, mit denen der Neobroker konfrontiert war, war dieser Preis im Nachhinein (und selbst zum damaligen Zeitpunkt) viel zu niedrig. Hier ist ein gewisser Wert vorhanden, und das operative Geschäft verbrennt nur wenig von den vorhandenen Barmitteln.
Seit diesen Tiefstständen hat sich HOOD jedoch um rund 80 % erholt. Nach diesen Kursgewinnen stellt sich das fundamentale Bild deutlich anders dar. Die Marktkapitalisierung des Unternehmens liegt wieder über 10 Mrd. USD. Der Unternehmenswert (Marktkapitalisierung abzüglich der Barmittel) liegt bei über 4 Mrd. USD.
Quelle: Investing.com
Selbst nach einem überraschenden bereinigten Gewinn im 3. Quartal ist diese Bewertung nur schwer zu rechtfertigen, wenn man lediglich die aktuellen Zahlen betrachtet. Aber das ist nicht das, was Investoren tun. Sie blicken nach vorn.
Höhere Zinssätze versprechen eine zweite Einnahmequelle neben dem umstrittenen Modell der Zahlung für den Order-Fluss. Geringere Kosten verbessern das Potenzial für Rentabilität in nicht allzu ferner Zukunft. Robinhood wird wahrscheinlich nicht das sein, was sich die Anleger erhofften, als das Unternehmen nach dem Börsengang im letzten Jahr kurzzeitig eine Marktkapitalisierung von 60 Mrd. USD hatte. Aber auch nach der starken Rally seit Juni ist das auch nicht nötig.
Die Erholung ist bis zu diesem Punkt durchaus gerechtfertigt. Der anspruchsvolle Teil ist jedoch die Fortführung der Erfolgsgeschichte.
Nettozinserträge und Kostensenkungen
Steigende Zinsen sind für Robinhood vorteilhaft. Sie ermöglichen dem Unternehmen höhere Einnahmen durch Margenkredite sowie Zinszahlungen an die Nutzer für nicht investierte Barmittel. Diese Einnahmequelle, der so genannte Cash Sweep, verschafft dem Broker Gewinne, da es einen Teil der Zinserträge, die es für die Nutzer erwirtschaftet, behält.
Der Cash Sweep kann eine großartige Einnahmequelle sein. So erwirtschaftete Charles Schwab (NYSE:SCHW) im Jahr 2019 mehr als 60 % seiner Gesamteinnahmen aus Nettozinserträgen. Selbst nach der Übernahme von TD Ameritrade im Jahr 2020 liegt der Anteil immer noch bei über 50 %.
Robinhood war in seiner bisherigen Geschichte mit historisch niedrigen Zinsen konfrontiert und hatte daher relativ geringe Nettozinseinnahmen. Im Jahr 2021 beispielsweise brachten die Nettozinseinnahmen nur 14 % des Gesamtergebnisses ein. Selbst 2019, bevor die Handelsvolumina explodierten, resultierte kaum ein Viertel der Gesamteinnahmen aus den Nettozinsen.
Das ändert sich jetzt. Im 3. Quartal stiegen die Nettozinserträge auf mehr als ein Drittel der Gesamteinnahmen. Wichtig ist, dass sie das Geschäft auch bei sinkenden Handelsvolumina am Laufen hielten. Der Umsatz im Zusammenhang mit Transaktionen ging im Jahresvergleich um 22 % zurück. Robinhood als Ganzes verzeichnete einen Umsatzrückgang von lediglich 1 %.
Das Unternehmen war in der Lage, seine Umsätze bei einer wesentlich niedrigeren Kostenbasis stabil zu halten. Nach zwei Entlassungsrunden in diesem Jahr sind die Betriebskosten stark gesunken. Obwohl der Umsatz stagnierte, lag das bereinigte EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) bei 47 Mio. USD. Im Vergleich dazu betrug der Verlust im Vorjahr 84 Mio. USD, im Vorquartal 80 Mio. USD.
Was spricht für HOOD?
In diesem Sinne unterstreicht das 3. Quartal den Grund für einen umfassenderen Optimismus. Es ist das erste Quartal, in dem das Unternehmen sowohl von Kostensenkungen als auch von der Nettozinsmarge profitieren konnten; selbst wenn die Kostensenkungen nicht das gesamte Quartal betrafen. Da das EBITDA positiv ist, dürfte die Bewertung mit jedem Quartal realistischer werden. Längerfristig hat Robinhood noch weitere Hebel, die das Unternehmen ziehen kann, wie zum Beispiel ein Einstieg in Altersvorsorgeprodukte.
Mit anderen Worten: Wenn Robinhood in diesem Umfeld einen Gewinn erzielen kann, können sich die Anleger darauf verlassen, dass es auch in Zukunft gut für den Broker laufen wird. Das wiederum sollte es den Investoren leichter machen, eine milliardenschwere Bewertung des operativen Geschäfts zu akzeptieren.
Der Markt konzentriert sich eindeutig auf die positiven Aspekte: HOOD legte nach den Ergebnissen um 8 % zu und schloss die Woche knapp unter einem Sieben-Monats-Hoch. An dieser Stelle sollte jedoch auch auf einige der Bedenken hingewiesen werden, die das Quartal so mit sich brachte.
Bedenken in puncto Volumen
Bei Robinhood ist vor allem das Kontenwachstum abgeflacht. Die kumulierten kapitalgedeckten Nettokonten beliefen sich im abgelaufenen Quartal auf 22,9 Millionen; fünf Quartale zuvor waren es 22,5 Millionen. Natürlich haben das Ende der Pandemie-Lockdowns und die pessimistische Marktstimmung der Kundenakquise geschadet, aber das Unternehmen ist noch so jung, dass es ein gewisses Wachstum bei dieser Kennzahl verzeichnen sollte.
Den Kontoinhabern, die geblieben sind, geht es nicht gut. Das verwaltete Vermögen von Robinhood ist im Jahresvergleich um 32 % geschrumpft. Dennoch sank der durchschnittliche Umsatz pro Nutzer lediglich um 3 %.
Hier gibt es eine echte Diskrepanz. Das durchschnittliche Konto bei Robinhood weist ein Guthaben von etwa 3.000 USD auf - und generierte im Quartal 63 USD an Umsätzen.
Der Durchschnittsanleger bei Robinhood gibt pro Quartal etwa 2 % seines Kapitals für Handelskosten aus. Das ist einfach unhaltbar, wenn es sich nicht gerade um einen stürmischen Bullenmarkt handelt. Das gilt sicher nicht für den aktuellen Markt.
Selbst bei guten Nettozinserträgen und Kostensenkungen ist für ein nachhaltiges Wachstum mehr erforderlich. Es erfordert ein nachhaltiges Wachstum des Transaktionsvolumens. Das wiederum bedeutet:
Das ist aber nicht der Fall - und die Zahlen von Robinhood zeigen, warum. Der Optionshandel macht immer noch mehr als die Hälfte der transaktionsbasierten Einnahmen aus. Mit Aktien wurden im 3. Quartal weniger als 100 Mio. USD erwirtschaftet, was 15 % des Gesamtbetrags entspricht. (Der Rest entfällt fast vollständig auf Kryptowährungen.)
Wie der Ruf des Unternehmens vermuten lässt, bleibt Robinhood bis zu einem gewissen Grad eine Plattform für Händler und Zocker, nicht für langfristige Investoren. Das kann nicht ewig gutgehen.Um die bessere Kostenstruktur und die höheren Zinssätze in vollem Umfang nutzen zu können, muss das Unternehmen zu Geschäften mit stärker diversifizierten, stabileren Investoren übergehen.
Dazu ist der Broker in der Lage. Er plant dies auch. Aber es ist nicht einfach, diesen Wandel zu vollziehen. Robinhood steht die wirklich harte Arbeit noch bevor.
Haftungsausschluss: Vince Martin hält bei Redaktionsschluss keine Positionen in hier besprochenen Wertpapieren.