TELF profitiert von der Nachfrage nach Kobalt, Kupfer und Nickel und sieht sich selbst als Vermittler in der Lieferkette in einer günstigen Position. Doch auch große Herausforderungen spricht CEO Nikolay Litvinenko unverblümt an.
Der schweizerische Rohstoffhändler TELF sieht im Klimawandel und der damit verbundenen Deckarbonisierung der Wirtschaft die "einmalige Chance", Teil eines Megatrends zu werden. Dies sagte CEO Nikolaj Litvinenko kürzlich in einem Interview mit dem Branchendienst Fastmarkets.
Die wichtigste Entscheidung für Handelsunternehmen wie TELF betreffe das Portfolio der gehandelten Waren und die Partner entlang der Lieferkette. Das Unternehmen gehe dem aktuellen Trend zu Dekarbonisierung entgegen, indem das Portfolio der gehandelten Rohstoffe geändert werde.
So handelte TELF traditionell mit Kohle – zwei fossile Brennstoffe, die aufgrund der damit verbundenen CO2-Emissionen jedoch unbeliebter wurden. Deshalb habe das Unternehmen vor geraumer Zeit eine Diversifizierung in Richtung Metalle auf den Weg gebracht. Dieser Bereich mache heute mehr als 80 % des Geschäfts aus.
TELF profitiert von Nachfrage nach "Energiewendemetallen"
TELF profitiert von der steigenden Nachfrage nach Kobalt, Kupfer und Nickel. Die weltweite Energiewende hat laut Litvinenko auch das Potenzial, die Nachfrage nach Ferrolegierungen zu steigern. Diese werden etwa für den Ausbau der Energiegewinnung aus Windkraft benötigt. Ferrochrom wird darüber hinaus aufgrund seiner hitzebeständigen und korrosionsschützenden Eigenschaften unter anderem im Automobil- sowie im Luft- und Raumfahrtbereich benötigt.
"Ferrolegierungen und insbesondere unser wichtigstes Ferrochromprodukt mit hohem Kohlenstoffgehalt sind wesentliche Bestandteile von Edelstahl, dessen Herstellung rund 80 % des weltweit verbrauchten Ferrochroms ausmacht", sagte Litwinenko.
Ferrolegierungen könnten neben der Windkraft auch "eine Rolle bei der Entwicklung einer kohlenstoffärmeren Gas- und Kernenergieerzeugungsinfrastruktur" spielen. Dem CEO zufolge sind die großen Produzenten Südafrika, China und Kasachstan jedoch auf Zugang zu billigem Kohlestrom angewiesen. Die Verringerung der CO2-Emissionen in der Stromversorgung sei deshalb das wichtigste kurzfristige Ziel von Ferrochromproduzenten.
Und hier wittern die Schweizer ihre Chance. TELF sieht sich in mehrfacher Hinsicht als Vermittler der Lieferkette. Einerseits arbeite der Händler mit Endverbrauchern zusammen und reiche deren Feedback im Hinblick auf die Anforderungen von Behörden und Verbrauchern an Qualität und CO2 Fußabdruck an die Produzenten weiter. Andererseits leite TELF Informationen über den CO2 Fußabdruck der Rohstoffproduktion an die Endverbraucher weiter, wodurch diese bei der Berechnung von ESG relevanten Kennzahlen unterstützt würden.
Mangelnde Harmonisierung erschwert Compliance
Litvinenko skizzierte jedoch auch Herausforderungen. So könne es sich sein Unternehmen nicht leisten, Lieferanten ausschließlich auf der Grundlage von ESG Kriterien auszuwählen. Dies gelte aber auch für andere Rohstoffhändler, da viele wichtige Rohstoffe in Weltregionen mit begrenzter Basisinfrastruktur und nur durch eine geringe Zahl von Anbietern produziert würden.
Der CEO nennt auch ein Beispiel. So produziere die Demokratische Republik Kongo rund zwei Drittel des weltweit Kobalts und große Mengen Kupfer. Der Großteil der Rohstoffe werde jedoch per Lkw zu den Exporthäfen transportiert. "Aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht wäre uns die Nutzung der Bahn lieber, aber die gibt es einfach nicht. Und der Einsatz von Elektro-Lkw wird wahrscheinlich noch ein Jahrzehnt entfernt sein, und angesichts der Stromversorgungsprobleme in vielen Ländern ist dies derzeit auch keine realisierbare Option."
Für einen reinen Händler wie TELF, der weder Rohstoffe produziere noch verbrauche, sei die Einflussnahme auf den vor- oder nachgelagerten Kundenstamm nicht einfach. Außerdem gebe es juristische Herausforderungen. So sei das Unternehmen in einer Vielzahl unterschiedlicher Jurisdiktionen tätig. Die mangelnde Standardisierung und Harmonisierung verschiedener Umweltanforderungen sei dabei eines der Hauptprobleme. Dies reduziere die Effizienz des Complianceprozesses erheblich.
Schwenk von Öl und Kohle zu Metallen
TELF erzielte eigenen Angaben nach zuletzt einen Umsatz von 4,8 Mrd. USD. Das im schweizerischen Lugano ansässige Unternehmen bezeichnet sich als den weltweit größten unabhängigen Händler von Ferrochrom und einen der drei größten Händler von Kobalthydroxid.
Das Unternehmen wurde 1993 gegründet und handelte zunächst ausschließlich mit Öl und Ölprodukten und später zusätzlich mit Kohle. 2014 wurde der Handel mit Eisensanden ins Portfolio aufgenommen. Außerdem führte TELF erste Probelieferungen von Ferrolegierungen an Kunden in Europa und Asien durch.
2015 hatten sich die Schweizer laut der Unternehmenshistorie als weltweit größter unabhängiger Händler für Ferrolegierungen etabliert. 2017 begann der Handel mit Cr-Erzen aus Afrika, 2019 stieg das Unternehmen in den Kobaltmarkt ein, 2021 folgte der Einstieg in den Kupfer- und Eisenerzmarkt.