Wenn es eine Jahreszeit im Kalender gibt, von der die Öl-Bullen nur wünschen, dass sie vorbei ist, muss dies die jährliche Instandhaltungsperiode bei Raffinerien sein.
Raffinerien schließen ihre Anlagen in der Regel im Frühjahr und Herbst für Reparaturen und Aufrüstungen, was die Rohölvorräte anwachsen und die Preise sinken lässt.
In diesem Herbst hat ihre Abwesenheit das Verhältnis von Angebot und Nachfrage so stark über den Haufen geworfen, dass es den Händlern schwerfällt, realistisch einschätzen zu können, wo Rohöl- und Produktbilanzen stehen wird, wenn die Verarbeitungskapazität zum Normalniveau zurückkehrt.
John Kilduff, Gründungspartner des New Yorker Energy Hedge Fund Again Capital, meint:
“Im Ernst, sogar die Bären haben sich den Bullen bei der Frage angeschlossen: "Wann kommen diese Raffinerien zurück?"
Raffinerie-Auslastung letzte Woche nur zu 83%; 'Extrem niedrig'
Die Verwirrung des Marktes wird durch die Raffinerieauslastungsquoten der letzten Woche noch verstärkt, die nur knapp über 83% der Kapazität lagen, wie Daten der US-Energieinformationsagentur (EIA) vom Donnerstag zeigten. Normalerweise laufen Raffinerien während der Hauptfahrsaison im Sommer mit durchschnittlich 95% bis 98% Auslastung auf Hochtouren.
Kilduff fährt fort:
“Eine Rate von 83% ist selbst für eine Nachsaison sehr niedrig. Das habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen. “
Der Nettoeffekt einer so geringen Auslastung ist ein Anstieg der Rohölvorräte, die letzte Woche um 9,3 Millionen Fass gestiegen waren, mehr als das Dreifache der Erwartungen. Während das theoretisch die Ölpreise wie einen Stein hätte sinken und die Bären Freudentänze aufführen lassen sollen, beendeten Öl den Tag aber im Plus.
Die US-Leitsorte West Texas Intermediate beendete den Tag um 1% höher auf 53,93 USD das Fass.
Britisches Brent ging um 0,8% im Plus zu 59,91 USD aus dem Handel.
Händler werden sich des erstaunlichen Rückgangs der Treibstoffvorräte bewusst, sagen einige
Der Hauptgrund für den Aufschwung scheint darin zu liegen, dass die Händler etwas in den EIA-Daten gefunden haben, die sie stärker beunruhigte: ein erstaunlicher Rückgang der Lagerbestände an Benzin und Destillaten, den beiden wichtigsten aus Rohöl hergestellten Kraftstoffen.
Die Benzinvorräte verringerten sich den EIA-Daten nach in der letzten Woche um 2,56 Millionen Fass, während die Schätzungen von einem Rückgang um 1,21 Millionen Fass ausgegangen waren.
Die Vorräte an Destillaten fielen um 3,8 Millionen Fass, während ein Rückgang um rund 2,4 Millionen Fass prognostiziert worden war. Die Lagerbestände an Destillaten, zu denen Heizöl und auch eine Vielzahl von “schweren Mischungen“, wie Diesel-, Jet- und Schiffskraftstoffe gehören, sanken innerhalb von nur vier Wochen um 13 Millionen Fass.
Öloptimisten unter den Analysten wie Phil Flynn von der Chicagoer Price Futures Group warnten davor, dass die Kraftstoffpreise - und damit auch die Rohölpreise - in den kommenden Wochen wie eine Rakete abheben könnten, wenn die Raffinerien erst einmal wieder in vollem Umfang arbeiten und die Ölvorräte sinken lassen.
Flynn wörtlich:
“Die Nachfrage nach extra-schwefelarmem Diesel explodiert und aufgrund der IMO-Regeln, die am 1. Januar in Kraft treten, gibt es einen Wettlauf um das Angebot. “
IMO-Regeln könnten den Treibstoffmarkt umstülpen
Ab 2020 wird die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (International Maritime Organization, IMO) Schiffen verbieten, Kraftstoffe mit einem Schwefelgehalt von mehr als 0,5% zu verwenden, während der Höchstwert jetzt noch bei 3,5% liegt. Die neuen Vorschriften werden voraussichtlich die größte Umwälzung seit Jahrzehnten in der Öl- und Schifffahrtsindustrie verursachen.
Das derzeitige Phänomen niedriger Raffinerieauslastungen scheint darauf zurückzuführen zu sein, dass in diesem Herbst eine größere Anzahl von Raffinerien ausfällt und es noch länger dauern wird, bis sie wieder an den Markt zurückkehren, um die neuen Kraftstoffvorschriften umzusetzen.
Nach den IMO-Bestimmungen dürfen nur Schiffe, die mit Schwefelreinigungsgeräten (so genannten Scrubbern) ausgestattet sind, weiterhin schwefelreichen Kraftstoff verbrennen.
Die Reeder können sich auch saubereren Kraftstoff entscheiden, beispielsweise für verflüssigtes Erdgas.
Nichtbeachtung führt zur Festsetzung von Schiffen oder Geldstrafen, was essentielle Voraussetzungen wie den Versicherungsschutz beeinträchtigen kann. Die tatsächliche Durchsetzung wird eher von Flaggen- und Hafenstaaten als von der IMO überwacht.
Wie werden die Raffinerien das meistern
Eines der Hauptprobleme ist, ob in den Häfen auf der ganzen Welt genügend konformer Kraftstoff vorhanden ist, was für die Planung von Schiffsrouten von entscheidender Bedeutung ist.
Hier kommen die Raffinerien ins Spiel. Während sie mit ihren Anlagenüberholungen außerordentlich viel Zeit verbrauchen, um akribisch zu überprüfen, ob sie alle IMO-Anforderungen erfüllen, könnten ihre Verarbeitungsraten nach ihrer Rückkehr außergewöhnlich sein, sagten Analysten wie Flynn.
Und weiter:
“Die Raffinerien müssen die Produktion schnell hochfahren, um Knappheiten zu vermeiden und das Potenzial eines starken Dieselpreisanstiegs auszugleichen. “
Abgesehen von den Treibstoffkomplikationen geht es Öltankerindustrie auch durch einen rasanten Anstieg der Versicherungskosten für Schiffe schlecht, nach dem sensationellen Angriff auf die saudische Ölinfrastruktur Mitte September und einer Reihe weiterer Angriffe auf Öl transportierende Schiffe am Persischen Golf.
Nach Einschätzung der von Clarksons Platou Securities ausgegebenen VLCC-Kassakurse (Very Large Crude Carrier) erreichten die Kurse am 11. Oktober einen Höchststand von durchschnittlich 295.100 USD pro Tag, bevor sie am 15. Oktober auf 194.900 USD pro Tag zurückfielen.
Preise werden nicht so einfach steigen, sagen andere
Dennoch sind nicht alle davon überzeugt, dass die Kombination der IMO-Regeln, den teuren Schiffsversicherungen und geopolitischen Spannungen die Rohölpreise genügend anfeuern wird.
Olivier Jakob, Gründer der Ölrisikoberatung PetroMatrix in Zug, Schweiz, sagte kürzlich in einer Mitteilung:
“Den Rohöl-Futures fehlt die Richtung. Starker Widerstand liegt immer noch bei 60 USD für Brent und 54,00 USD bei WTI. Aber auch der Verkaufsdruck überzeugt nicht. Wir stecken also weiterhin in einem Preiskorridor fest.“