Möglicherweise bereitet sich der Aktienmarkt in diesem Sommer auf eine herbe Enttäuschung vor. Die Gewinntrends des S&P 500 sind trotz der wachsenden Sorge vor einer US-Rezession infolge des Straffungszyklus der Fed gestiegen. Dadurch ist eine seltsame Divergenz zwischen den Gewinntrends im S&P 500 und im NASDAQ 100 entstanden. Diese Diskrepanz kann als Warnung dienen, dass die Gewinnschätzungen für den S&P 500 zu hoch sind und zurückgehen müssen.
Noch sonderbarer ist die Tatsache, dass viele der Top-Unternehmen im S&P 500, wie Apple (NASDAQ:AAPL), Microsoft (NASDAQ:MSFT), Amazon (NASDAQ:AMZN) und Meta Platforms (NASDAQ:FB), ihre Gewinnschätzungen für das zweite Kalenderquartal ebenso wie für das Gesamtjahr bereits nach unten korrigiert haben. Hinzu kommt, dass wir zwar viel über steigende Kosten und die Inflation hören, die Analysten aber ihre Schätzungen für die operative Marge des S&P 500 noch immer nicht angepasst haben, die sich nach wie vor in der Nähe ihrer historischen Höchststände bewegen. Damit droht dem Markt eine enttäuschende Berichtssaison, die zu neuen Herabstufungen führen könnte.
Die Gewinnschätzungen für den S&P 500 für das Jahr 2022 sind auf neue Höchststände geklettert und belaufen sich inzwischen auf 228,26 USD je Aktie, wohingegen die Schätzungen für den NASDAQ 100 in der Nähe ihrer Tiefststände verharren. Angesichts der vielen Überschneidungen und der Vielzahl großer Unternehmen unter den Top-Werten innerhalb des Index wirkt dies irgendwie etwas seltsam.
Alle Charts mit freundlicher Genehmigung von Bloomberg
Ein Grund für diese Divergenz ist, dass die Umsatzschätzungen für den S&P 500 weiter gestiegen sind, während sie für den NASDAQ 100 gefallen sind. Darüber hinaus bleiben die Schätzungen zur operativen Marge für den S&P 500 trotz der Sorgen über steigende Preise und deren mögliche Auswirkungen auf die Verbraucher und die Gewinnspannen der Unternehmen auf einem sehr hohen Niveau, weshalb die Analysten ihre Schätzungen nur sehr langsam zurückschrauben. Dies stellt das größte Risiko für die Ertragsaussichten dar, denn eine höhere Inflation kann zwar den Umsatz in die Höhe treiben, doch wenn die Margen schrumpfen, geraten die Gewinne unter Druck.
Obendrein gibt es bei einigen Mega-Cap-Unternehmen wie Apple, Amazon und Meta Anzeichen für sinkende Ertragsschätzungen für dieses Kalenderjahr. Bei Microsoft wurden die Schätzungen für das nächste Jahr bereits gesenkt. Das Finanzjahr des Unternehmens endet bereits im Juli.
Die sinkenden Ertragsaussichten bei einigen großen Unternehmen, die sowohl im SPX als auch im NDX vertreten sind, deuten auf einen rückläufigen Trend bei den Gewinnerwartungen hin, der sich zwar mit dem des NASDAQ 100 deckt, aber nicht mit dem des S&P 500. Möglicherweise beruht dieses Abweichung auf der Untergliederung der Sektoren. Dennoch zeigen fast 90 % der Gewinntrends im S&P 500 nach Sektoren, dass die Gewinnschätzungen fallen oder bestenfalls stagnieren.
Im Moment sieht es so aus, als ob sich die untersten 10 % des S&P 500 behaupten und die Gewinnschätzungen für den gesamten Markt in die Höhe treiben könnten, insbesondere die Sektoren Energie und Materials.
Dies stellt den Markt im Hinblick auf die Zahlen für das zweite Quartal vor ein potenzielles Problem, denn es gibt keinen Spielraum für Fehler, insbesondere nicht im Energiesektor. Sollte der Energiesektor enttäuschen, dann könnte dem S&P 500 der nächste Rückschlag drohen.