Die Anleger sehen sich durch den Renditeanstieg der Staatsanleihen mit einer Reihe von Problemen konfrontiert. Damit geraten sie in Zugzwang und müssen nach Antworten suchen.
Dilemma Nr. 1: Die Aussicht auf eine robuste wirtschaftliche Erholung in der zweiten Jahreshälfte, mit oder ohne staatliche Konjunkturmaßnahmen, führt zu einem Ausverkauf bei US-Treasuries und anderen Staatsanleihen.
Infolgedessen steigen die Renditen auf breiter Front (Renditen bewegen sich umgekehrt zu den Kursen). Aber diese steigenden Renditen machen Anleihen attraktiver und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Zentralbank die Zinsen anhebt - beides sind schlechte Nachrichten für Aktien.
Dilemma Nr. 2: Ein anderer Grund für den Renditeanstieg ist die Tatsache, dass die Investoren sich allmählich Sorgen machen, dass die Inflation wieder anziehen könnte. Diese Sorge lässt sich an den Renditen ablesen.
Die Notenbanker der Federal Reserve teilen diese Sorgen offenbar nicht und beteuern immer wieder, dass sie die Zinsen auf dem niedrigen Niveau halten wollen. Laut ihrer Aussage ist die Deflation immer noch eine ebenso große Sorge wie die Inflation. Wichtiger ist nach Ansicht der Fed-Vertreter im Moment die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Das bedeutet nicht nur, die Arbeitslosenquote zu senken, sondern auch sicherzustellen, dass der Rückgang den Beschäftigten in allen Sektoren zugute kommt.
Doch die Inflationserwartungen sind bereits über das Ziel der Fed von 2% hinaus gestiegen, und ein traditioneller Vorbote für eine höhere Inflation ist, dass sich die Erwartungen entkoppeln.
Was sollten Anleger angesichts dieser Situation tun?
Im Moment scheinen sie es nicht zu wissen. Die Renditen von Staatsanleihen legten am Montag weiter zu, die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihe erreichte mit 1,4% den höchsten Stand seit einem Jahr, nach 0,9% zu Beginn des Jahres. Der Aktienmarkt, gemessen am S&P 500, setzte seine holprige Korrektur fort und der NASDAQ gab sogar noch mehr nach, während der Dow Jones seine Kurseinbußen reduzierte und einen kleinen Gewinn erzielte.
In Europa ist die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe, die gleichzeitig als Referenzwert für die gesamte Europäische Union gilt, weiter gestiegen und liegt nun bei knapp unter minus 0,33%. Zu Jahresbeginn lag sie noch bei minus 0,60%.
Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, sagte am Montag, dass die EZB die Anleiherenditen, vor allem die am langen Ende der Kurve, im Auge behalten werde, um die wirtschaftliche Erholung auf Kurs zu halten.
Ihre Äußerungen ließen die Renditen deutscher und französischer Staatsanleihen sinken (und ermöglichten den Aktienmärkten eine Erholung), denn sie kann ihre Aussagen mit der praktisch unbegrenzten Kaufkraft der EZB untermauern.
Marktexperte Mohamed El-Erian, Chefvolkswirt der Allianz (DE:ALVG), zeigt sich derweil zunehmend vorsichtig. "Es gibt gute Gründe für steigende Renditen: die wirtschaftliche Aktivität. Und es gibt auch negative Gründe: die Inflation", sagte er am Montag auf CNBC. Er ergänzte:
"Die Ökonomen, sogar diejenigen, die lange Zeit einen großen fiskalischen Impuls befürwortet haben, raten zur Vorsicht. Zu viel zu tun könnte auch zu viel sein."
"Groß handeln" ist das Mantra, das von Finanzministerin Janet Yellen, der ehemaligen Fed-Vorsitzenden, propagiert wird, sobald sie für den 1,9-Billionen-Dollar-Konjunkturplan von Präsident Joseph Biden wirbt. Viele Analysten halten dagegen und behaupten, das Konjunkturprogramm sei zu groß, zu kostspielig und vielleicht nicht einmal notwendig.
Die Demokraten im Repräsentantenhaus und im Senat wollen das Paket bis zum 14. März verabschieden, denn dann laufen die Leistungen für 11 Millionen Arbeitslose aus. Doch einige demokratische Senatoren zögern noch mit der Unterstützung für einige Maßnahmen, und die Partei braucht alle 50 an Bord, um bei Stimmengleichheit eine Entscheidung durch Vizepräsidentin Kamala Harris gegen den Widerstand der Republikaner zu erzwingen.
Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell wird diese Woche zu seiner halbjährlichen Anhörung in beiden Kammern des Kongresses erwartet. Investoren befürchten, dass er sich als zu 'hawkish' zeigen und eine Straffung der Geldpolitik andeuten könnte, oder, was vielleicht noch schlimmer wäre, sich zu gelassen über den Anstieg der Anleiherenditen äußern könnte.