- Das unerfreuliche 2. Quartal von Target ist auf die Entscheidung des Managements zurückzuführen, überschüssige Lagerbestände aggressiv abzubauen
- Selbst nach einem Kursrutsch um 40 % ist die Target-Aktie in etwa so hoch bewertet wie vor der Pandemie
- Angesichts der internen und externen Probleme des Unternehmen ist das möglicherweise zu optimistisch
Die Target Corporation (NYSE:TGT) erzielte im Geschäftsjahr 2019 (das im Januar endete) einen bereinigten Gewinn je Aktie (EPS) von 6,39 USD. Die Bruttomarge lag bei 28,9 % des Umsatzes, das Betriebsergebnis bei 6,0 %.
Im Geschäftsjahr 2021 belief sich der bereinigte Gewinn je Aktie auf 13,56 USD, doppelt so hoch wie zwei Jahre zuvor; der bereinigte Betriebsgewinn betrug 8,4 % des Umsatzes.
Die wichtigste Frage für die Target-Aktie ist derzeit, welches dieser beiden Jahre repräsentativer für das künftige Geschäftsmodell ist. Das ist eine schwierige Frage - die aber derzeit auch häufig gestellt wird.
Anfang 2021 glaubten die Anleger, dass die Gewinne von Dauer sein würden. Mitte 2022 glauben sie das nicht mehr. Bei vielen so genannten "Pandemie-Gewinnern" wie Zoom Video Communications (NASDAQ:ZM) oder Peloton Interactive (NASDAQ:PTON) ging es darum, ob sich die zugrunde liegenden Geschäftsbereiche während der Pandemie verändert haben oder ob sie lediglich einen kurzfristigen Aufschwung erlebt haben.
Target ist weder Zoom noch Peloton, aber es ist offensichtlich, dass die US-Einzelhandelsketten bis zu einem gewissen Grad Gewinner der Pandemie waren. Dank der Konjunkturpakete hatten die Verbraucher zusätzliches Geld zum Ausgeben. Aufgrund von Lockdowns und persönlichen Schutzmaßnahmen hatten sie weniger Gelegenheiten, das Geld auszugeben. Und davon haben Target und Walmart (NYSE:WMT), neben vielen, vielen anderen, enorm profitiert.
2022 sieht die Sache anders aus. Beide Einzelhandelsgiganten schieben Milliarden von Dollar an überschüssigen Beständen vor sich her. Nach den vielen Anschaffungen in den Jahren 2020 und 2021 gibt es nur noch wenig Bedarf und in manchen Fällen auch wenig Platz für mehr.
Wie die Q2-Zahlen in der vergangenen Woche gezeigt haben, baut Target diese Überbestände nun ab. Aber bei der derzeitigen Bewertung macht der Erfolg an dieser Front allein die TGT-Aktie noch nicht zu einem Kauf. Selbst wenn der Kurs um 40 % gegenüber dem Rekordhoch gesunken ist - was größtenteils auf einen Einbruch nach dem Bericht zum 2. Quartal Mitte Mai zurückzuführen ist -, glauben die Anleger immer noch, dass dem Target von heute das Geschäftsjahr 2021 ähnlicher ist als das Geschäftsjahr 2019.
Ein unerfreuliches erstes Halbjahr
Es ist unbestritten, dass das erste Halbjahr für Target unerfreulich war. Die Aktie stürzte ab, nachdem das Unternehmen bei der Bekanntgabe der Ergebnisse für das 1. Quartal seine Prognosen für das Gesamtjahr gesenkt hatte. Nur drei Wochen später wurde die Prognose erneut gekürzt.
Die Ergebnisse für das 2. Quartal verfehlten die Konsenserwartungen der Wall Street total und blieben bei der Gewinnmarge hinter den bereits reduzierten Prognosen des Unternehmens zurück.
Die enttäuschende Gewinnmarge im 2. Quartal ist darauf zurückzuführen, dass das Unternehmen aggressiv Rabatte gewährte, um die Lager zu räumen. Der CEO Brian Cornell verteidigte diese Entscheidung im Rahmen der Telefonkonferenz für das 2. Quartal.
"Was hätten wir sonst tun sollen - Wir wären auf den Überbeständen sitzengeblieben und hätten versuchen können, sie langsam über mehrere Quartale oder sogar Jahre abzubauen. Das hätte zwar die kurzfristigen finanziellen Auswirkungen gemildert, unser Geschäft jedoch auf lange Sicht gebremst.“
Bis zu einem gewissen Grad haben die Anleger diese Erklärung geschluckt. TGT fiel in vier Börsensitzungen nach der Veröffentlichung der Ergebnisse um 10 %, war aber auch im Vorfeld der Bilanzzahlen kräftig angezogen. Trotz einer operativen Marge von nur 1,2 % im 2. Quartal hat der Kurs im vergangenen Monat um fast 3 % zugelegt.
Die Analysten sehen den Konsens für das Geschäftsjahr 2022 bei knapp dem 20-fachen der diesjährigen Gewinne - und da wird die Aktie auch gehandelt. Das ist ein Multiplikator, der darauf schließen lässt, dass der Markt dieses Jahr als vorübergehende Kursschwäche betrachtet und das Wachstum im Jahr 2023 wieder durchstarten sollte.
Was ist im Kurs von Target bereits eingepreist?
Mit anderen Worten: Die Anleger blicken zumindest bis zu einem gewissen Grad in die Zukunft. Aber es lohnt sich auch, die vergangenen Entwicklungen zu analysieren.
Auch im Geschäftsjahr 2019 erzielte Target eine operative Marge von 6 %. Mit einem Anstieg von 50 Basispunkten gegenüber dem Vorjahr war das eine starke Leistung. Die starke Verbrauchernachfrage hat zweifellos dazu beigetragen.
Nehmen wir an, dass Target in diesem Jahr das gleiche Ergebnis erzielt. Auf der Grundlage der Umsatzprognose, des laufenden Zinsaufwands, der aktuellen Anzahl der Aktien und einer geschätzten Steuerquote von 21 % für das Gesamtjahr würde der Gewinn pro Aktie bei etwa 10,50 USD liegen.
Mit anderen Worten: Wenn es der US-Wirtschaft gut ginge, würde TGT immer noch zum 15-fachen des Gewinns gehandelt. Zugegeben, das ist ein vernünftiges, ja sogar attraktives Multiple.
Aber es ist auch ein Multiple, das davon ausgeht, dass alles wieder gut wird. Es setzt voraus, dass Target in diesem Jahr keinerlei selbst zugefügte Schäden davon trägt. Dieses Multiple geht von der Annahme aus, dass das Kaufverhalten der Verbraucher angesichts der anhaltend hohen Inflation robust bleibt und eine Rezession nicht unmittelbar bevorsteht.
Vor einem besseren wirtschaftlichen Hintergrund wäre die Target-Aktie wahrscheinlich sogar zu billig. Aber genau das ist der Punkt: Es ist nicht alles gut, und das kann noch eine Weile so bleiben.
Offenlegung: Vince Martin ist in keinem der hier erwähnten Wertpapiere investiert.