Die deutsche Politik sorgt sich um US-Subventionen für Elektroautos. Wirtschaftsminister Robert Habeck strebt eine Art TTIP für grüne Produkte an.
In dieser Woche wurden Wirtschaftsminister Robert Habeck und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire in Washington vorstellig. Aus europäischer Sicht gibt es Redebedarf: Über den Inflation Reduction Act, das 370 Milliarden USD umfassende Subventionsprogramm. Habeck warnte – wie schon zuvor Kanzler Scholz – vor einem "Übermittlungswettlauf um Subventionen".
Habeck und Co. als Bittsteller in Washington
Gemeint ist: Deutschland und Europa befürchten, dass ihre Unternehmen Nachteile erleiden. Der Grund: Der Inflation Reduction Act (IRA) sieht Subventionen unter der Bedingung vor, dass Rohstoffförderung und Produktion zu bestimmten Anteilen in den USA oder Ländern mit Freihandelsabkommen stattfinden. Ein Handelsabkommen zwischen Deutschland bzw. der EU und den USA gibt es bekanntlich nicht. TTIP scheiterte vor Jahren, eine Neuauflage ist nicht im Gespräch.
Viele deutsche Unternehmen – insbesondere die Autohersteller – produzieren in den USA und erfüllen damit zumindest ein Kriterium. Rohstoffe und Vorprodukte stammen jedoch nicht aus den begünstigten Ländern.
Habeck schlägt deshalb etwas anderes vor: Ein "gemeinsamer Markt für grüne Industriegüter". Als Basis dafür schlägt der Minister den Trade and Technology Council vor – ein Gremium, das nach dem Scheitern der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen gegründet worden war.
Seiner Vorstellung zufolge sollen klimafreundliche Produkte, die für den amerikanischen Markt zugelassen sind, automatisch auch in Europa zugelassen werden – und umgekehrt.
Habeck und Le Maire würden den amerikanischen IRA am liebsten nachverhandeln und einen besseren Zugang für europäische Unternehmen zum amerikanischen Markt zu erreichen. Dieses Vorgehen mag mit der EU-Kommission abgestimmt sein – auf Interesse in den USA stößt der Vorstoß nicht.
Habeck lobt die amerikanische Subventionspolitik: "Wir müssen die Abhängigkeiten bei kritischen Rohstoffen, Mineralien und grünen Produkten reduzieren." Er verweist auf das gemeinsame Interesse und schlägt eine "starke Partnerschaft" vor. Was das rohstoffarme und geopolitisch weitgehend bedeutungslose Deutschland in eine solche Partnerschaft einbringen könnte?
Leasingfahrzeuge aus IRA Regelungen ausgenommen: Autoindustrie atmet auf
Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag für eine "Raw Materials Club" genannte Rohstoffpartnerschaft. Im Rahmen einer solchen Patenschaft könnten beide Seiten Strategien für eine verringerte Abhänhigkeit von einzelnen Ländern entwickeln und sich gegenseitig bei der Beschaffung helfen.
Viele für die Energie- und Verkehrswege benötigten Rohstoffe stammen bislang vorwiegend aus China. Dies gilt für Seltene Erden, aber auch weiterverarbeitetes Lithium.
Lithium als Rohstoff wird zwar größtenteils in Chile und Australien produziert. Die Weiterverarbeitung erfolgt jedoch meistens in China. Lieferungen von dort könnten rasch versiegen, sollte etwa der Taiwankonflikt eskalieren. Sowohl in den USA als auch in Europa gibt es deshalb wachsende Bestrebungen, die Abhängigkeit von China zu verringern.
Die Autohersteller indes können in einem Punkt aufatmen: Leasingfahrzeuge werden von den Subventionsregelungen ausgenommen. Mehr als die Hälfte der Fahrzeuge deutscher Hersteller werden in den USA über Leasingverträge verkauft. Für diese gibt es nun auch dann Subventionen, wenn die Rohstoffe nicht aus den USA, Mexiko oder Kanada stammen.
TTIP-Neuauflage derzeit ohne Chance
Eine Neuauflage von TTIP gilt derzeit als ausgesprochen unwahrscheinlich. Die vor fünf Jahren gestoppten Gespräche sollten zwar unter anderem nach Ansicht von Bundesfinanzminister Lindner wieder aufgenommen werden. Bislang ist ein solcher Schritt aber nicht in Sicht.
Zu den Befürwortern gehören viele, aber längst nicht alle Branchenverbände. So äußerte sich etwa kurz nach dem Ausbruch des Ukrainekrieges der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer zurückhaltend – es gebe beiderseits des Atlantiks "andere Themen auf der Tagesordnung".
Holger Görg vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel erinnerte an die teils schwierigen und langwierigen Diskussionen über Detailfragen des Abkommens. Der Name solle deshalb "in die Schublade gelegt" und noch mal ganz von vorn angefangen werden – mit klaren Zielen, was in dem Abkommen geregelt werden solle und was nicht.
Wichtig sind aus seiner Sicht Zollerleichterungen für Güter. Dies dürfte auch Habecks TTIP für grüne Produkte am ehesten treffen: Käme es hier zu verringerten Zöllen, könnte der Handel ausgebaut werden.