In den letzten zehn Jahren hat die Oracle-Aktie (NYSE:ORCL) einschließlich Dividenden eine Rendite von 182 % erzielt. Das sind auf Jahresbasis fast 11 % - auf den ersten Blick eine beeindruckende Performance.
Im Zusammenhang betrachtet war der Kauf und das Halten von Oracle-Aktien jedoch vielleicht doch kein so großartiger Trade. Der Invesco QQQ Trust (NASDAQ:QQ), ein börsengehandelter Fonds (ETF), der sich am Index NASDAQ 100 orientiert, erzielte eine etwas mehr als doppelt so hohe Rendite. Softwareaktien von Large-Cap-Unternehmen haben sogar noch besser abgeschnitten. Salesforce.com (NYSE:CRM) konnte den Index knapp schlagen, während Microsoft (NASDAQ:MSFT) fast 900 % und Adobe (NASDAQ:ADBE) unglaubliche 997 % für ihre Aktionäre erwirtschafteten.
Natürlich herrschte in den letzten zehn Jahren eine ekstatische Bullenstimmung - zumindest bis vor ein paar Monaten. In den kommenden zehn Jahren stehen dem Markt wohl nicht ganz so rosige Zeiten bevor. Inflation, politische Herausforderungen und das steigende Risiko einer globalen Rezession lassen vermuten, dass die Aktienrenditen in Zukunft gedämpfter ausfallen werden.
Mit anderen Worten: Erwartungen müssen heruntergeschraubt und Risiken gesteuert werden. In diesem sehr anderen Umfeld könnte für die Oracle-Aktie der Zeitpunkt gekommen sein, mit einer Outperformance zu glänzen, statt der Branche hinterherzuhinken.
Wie geht es jetzt also weiter für Oracle?
Das Kernproblem beim Bullenargument für Oracle ist, dass es zu einfach gestrickt sein könnte. Allein seit Dezember sind die Aktien um satte 36 % gefallen, dabei sehen die Fundamentaldaten derzeit äußerst attraktiv aus. Der bereinigte Gewinn je Aktie für das Geschäftsjahr 2022 (Ende Mai) betrug 4,90 USD, was einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von unter 14 entspricht. Doch Oracle steigert immer noch seine Gewinne: Der bereinigte Gewinn je Aktie erhöhte sich im Geschäftsjahr 2022 um 5 %, ohne Berücksichtigung von Wechselkurseffekten sogar um 8 %.
Es sieht auch nicht so aus, als sei das Unternehmen an die Grenzen seines Wachstums gestoßen. Die Q4-Zahlen waren gut und übertrafen sowohl die Erwartungen von Oracle als auch die der Analysten. Auch die Prognose von Oracle für das kommende Geschäftsjahr war optimistisch.
Der Grund für das jüngste Wachstum ist der lang erwartete Erfolg im Segment Cloud-Computing. Lange Zeit hofften die Oracle-Bullen, das Unternehmen könnte eine neuere, wenn auch kleinere Version von Microsoft sein. Schnell wird vergessen, dass Microsoft im letzten Jahrzehnt wie ein Unternehmen wirkte, dessen Wachstum sein Ende erreicht hatte. Zwischen Anfang des Jahres 2010 und dem Anfang des Jahres 2013 ist der Kurs der Microsoft-Aktie um 12 % gesunken. Der QQQ legte im gleichen Zeitraum um 42 % zu.
Der Grund für die Stagnation der Microsoft-Aktie, war, dass die Gewinne des Unternehmens keine Perspektive aufwiesen. Allerdings zahlte sich die Cloud-Strategie von Microsoft schließlich aus, und wie bereits erwähnt, haben die Investoren ihre Investitionen innerhalb von zehn Jahren fast verzehnfacht.
Oracle hat zwar nicht die Marktmacht und -penetration von Microsoft, strebt aber die gleiche Art der Migration in die Cloud an. Das ist vielversprechend. Laut der Telefonkonferenz zum 4. Quartal wuchs der Umsatz des Cloud-Geschäfts von Oracle im Geschäftsjahr 2022 um 22 %, und für das Geschäftsjahr 2023 erwartet das Unternehmen eine Wachstumsrate von über 30 %. Zu diesem Segment gehören ERP-Software (Enterprise Resource Planning), die in der Cloud läuft, sowie das Cloud-Infrastrukturgeschäft, das mit Amazon (NASDAQ:AMZN), Microsoft und vielen anderen um die gleichen Kunden wirbt.
Oracle sieht Raum für weiteres Wachstum. Die kürzlich abgeschlossene Übernahme von Cerner (NASDAQ:CERN) stärkt eine bereits beeindruckende Position im Gesundheitswesen, der buchstäblich größten Branche der Welt. Der CEO und CTO von Oracle, Larry Ellison, hat von der Schaffung einer nationalen Gesundheitsdatenbank gesprochen, von der sowohl die Gesellschaft als auch Oracle profitieren würden. Ellison sagte nach den Q4-Zahlen, dass ein solches Projekt "eindeutig zu unserem größten Geschäftsbereich avancieren würde".
Diese Art von Gelegenheiten ergeben sich in der Regel nicht für Unternehmen, die mit dem 14-fachen der zuletzt gemeldeten Gewinne bewertet sind. Diese Art von Multiplikator ist reifen, wachstumsschwachen Unternehmen vorbehalten. Ein anderes großes Softwareunternehmen wird mit dem 14-fachen des GJ2022-Gewinns gehandelt: (NYSE:IBM), ein Unternehmen, das die Anleger lange Zeit enttäuscht hat und dessen Aktien in den letzten zehn Jahren um 29 % gefallen sind.
Warum ist die Oracle-Aktie so günstig?
Auch hier sieht das Argument der Bullen ziemlich simple aus - sogar ein bisschen zu simple. Natürlich gibt es Gründe dafür, warum die derzeitige Bewertung von ORCL nicht völlig falsch ist.
Der erste ist, dass Oracle bei allem Optimismus in puncto Cloud-Geschäft insgesamt nicht so schnell wächst. Der Gesamtumsatz stieg im Geschäftsjahr 2022 auch bei konstanten Wechselkursen nur um 7 %.
Das Problem für Oracle ist, dass die Cloud-Umsätze nicht additiv sind. Ein großer Teil des vom Unternehmen gemeldeten Wachstums im Cloud-Geschäft ist einfach darauf zurückzuführen, dass bestehende Kunden von so genannten On-Premise-Anwendungen (bei denen die Software auf in den Unternehmensräumlichkeiten befindlicher Hardware und nicht in einer externen oder hybriden Cloud ausgeführt wird) alternativ in die Cloud migrieren.
Sicherlich gewinnt Oracle auch Cloud-Neugeschäft. Und natürlich ist es eine gute Nachricht, dass Oracle im Cloud-Geschäft erfolgreich ist - denn wenn das nicht der Fall wäre, würde der Gesamtumsatz des Unternehmens sinken. Bestehende On-Premise-Kunden werden auf fortschrittlichere, flexiblere Cloud-Angebote anderer Anbieter umsteigen. Dennoch bedeutet ein Cloud-Wachstum von über 30 % im nächsten Jahr nicht, dass das ganze Unternehmen Oracle so schnell wächst.
Und dazu sind die Gewinne von Oracle trotz des Cloud-Wachstums nicht ganz so beeindruckend, wie die EPS-Zahlen es vermuten lassen. Oracle hat im vergangenen Jahr in erheblichem Umfang Aktien zurückgekauft; die gewichtete durchschnittliche Anzahl der verwässerten Aktien für das Geschäftsjahr 2002 lag fast 8 % unter dem Wert des Vorjahres.
Diese Rückkäufe waren für 100 Prozent des bereinigten EPS-Wachstums des Unternehmens verantwortlich. Der bereinigte Nettogewinn ging auch ohne Berücksichtigung von Wechselkurseffekten im Vergleich zum Vorjahr um 1 % zurück.
Erschwerend kommt hinzu, dass Oracle die aktienbasierte Vergütung aus den bereinigten Gewinnzahlen herausrechnet - und die aktienbasierte Vergütung ist ein erheblicher Faktor. Im GJ 2022 waren es über 2,6 Mrd. USD, was mehr als 6 % des Umsatzes entspricht. Diese Verwässerung ist ein echter Kostenfaktor: Sie kostet Oracle zwar nicht direkt Geld, aber sie verschlingt einen Teil der für Aktienrückkäufe verwendeten Mittel.
Zählt man die aktienbasierten Vergütungen hinzu, sinkt der Gewinn je Aktie für das Geschäftsjahr 2022 von 4,90 USD auf etwa 4,08 USD (basierend auf dem effektiven Steuersatz des Unternehmens). Das Kurs-Gewinn-Verhältnis steigt so von 13,8x auf 16,6x.
Für ein Unternehmen, dessen bereinigter Gewinn im letzten Jahr überhaupt nicht gewachsen ist, fast das 17-fache zu zahlen, erscheint plötzlich viel weniger attraktiv als das 14-fache für 8 % Wachstum zu zahlen.
Die langfristige Betrachtung
Alles in allem sind die Argumente für ORCL nicht ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Das heißt aber nicht, dass die Aktie völlig unattraktiv ist.
Bei einem Kurs von 67 USD und dem 17-fachen der Gewinne (wiederum unter Hinzurechnung der Eigenkapitalkomponente) sieht die Aktie in der Tat interessant aus. Das Cloud-Wachstum ist nicht einfach additiv, aber es ist beträchtlich. Oracle geht davon aus, dass sich auch die Gewinnspannen in Zukunft verbessern werden, was das Gewinnwachstum im Laufe der Zeit anfachen dürfte.
Und beim 17-fachen des Gewinns muss Oracle gar nicht so sehr wachsen, damit die Aktie einigermaßen gut performt. Der steile Rückgang von über 100 USD im Dezember markiert eine deutliche Veränderung der Bewertung. Oracle wird wahrscheinlich auch in Zukunft ein gewisses Gewinnwachstum erzielen. Sollte das Wachstum bescheiden ausfallen, performt die Aktie wahrscheinlich ganz passabel, und die Aktionäre profitieren von einer Dividende (die Oracle gerade um 19 % angehoben hat), die eine Rendite von fast 2 % abwirft, sowie von einer stetig wachsenden Beteiligung durch kontinuierliche Aktienrückkäufe.
Wenn Ellison jedoch Recht hat und Oracle zu einer globalen Kraft in der Gesundheitsbranche wird, sollte das 17-fache lächerlich billig sein. ORCL dürfte zwar nicht die 900 % Rendite von MSFT erreichen, aber es spräche dann viel dafür, dass sich der Aktienkurs innerhalb weniger Jahre verdoppelt oder gar verdreifacht, sofern sich das Umsatzwachstum beschleunigt und die Margen verbessert.
Das Verlustrisiko beruht darauf, dass Oracle einfach in eine Seitwärtsbewegung gerät und das nächste IBM und nicht das nächste Microsoft wird. Die Stärke der letzten Quartale (die ORCL-Aktie zog nach dem Bericht für das 2. Quartal im Dezember ebenfalls stark an) lässt jedoch vermuten, dass dies nicht der Fall sein wird.
In einem Markt wie 2015, in dem es Gelegenheiten gab, Risiken einzugehen und dreistellige Renditen zu erzielen, sticht ein solcher Fall vielleicht nicht gerade hervor. Im Jahr 2022, wo Abwärtsrisiken scheinbar allgegenwärtig sind, sieht das Profil der Oracle-Aktie auf einer relativen Basis viel beeindruckender aus.
Anleger können mit ORCL bei einem Kurs von 67 USD eine respektable Rendite erzielen und gleichzeitig das Potenzial für eine große Rallye einkaufen, falls die ambitionierten Pläne des Unternehmens in Erfüllung gehen. Mehr kann ein Anleger angesichts der derzeitigen Marktlage nicht verlangen.
Haftungsausschluss: Vince Martin hält zu dem Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels keine Positionen in hier besprochenen Wertpapieren.
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