Nun da Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zur Realität in Deutschland geworden sind, ist eines klar: die Zeit des Verbrennungsmotors neigt sich dem Ende. Die deutschen Autokonzerne werden mehr denn je unter Druck stehen, auf Elektrotechnik zu setzen und Elektrofahrzeuge auf breiter Fläche kommerziell verfügbar zu machen. Für Autoindustrie und Anleger stellt dies eine zukunftsweisende Chance da, dennoch Vorsicht ist geboten.
Schon Anfang des Jahres hatte die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Diesel-Verbote grundsätzlich zuzulassen den Dax nach unten gedrückt, darunter die Aktien von Daimler (DE:DAIGn), Volkswagen (DE:VOWG) und BMW (DE:BMWG). Der MDax der mittelgroßen deutschen Unternehmen sowie der TexDax rutschten damals ebenfalls ins Minus.
Deutsche Autobauer lagen lange im Großen und Ganzen bisher in der Entwicklung von E-Autos im internationalen Vergleich zurück – mit Ausnahme von BMW – da die hohen Produktionskosten die niedrige Nachfrage nicht rechtfertigen. Doch mit den Dieselverboten kann sich das schnell ändern. In der Tat haben deutsche Firmen längst große Hoffnungen und noch größere Pläne.
Zeitgleich zu den Diesel-Verboten in Köln und Bonn am 8.November, gab VW Planungen für ein neues Elektro-Auto bekannt. Für rund €20,000 soll das Fahrzeug für die breite Masse erschwinglich sein. Gleichzeitig leitete der Konzern Schritte ein, um das neue E-Auto Marktsegment für die Zukunft zu stärken. Am selben Tag ließ auch BMW verlauten, bis 2021 seine E-Autoproduktpalette von einem auf fünf Modelle zu vergrößern. Bis Ende 2019 erwartet BMW einen Absatz von mindestens einer halben Million E-Autos.
Diese Beispiele beweisen, dass die Industrie die Zeichen der Zeit begriffen hat. Vor allem BMW, ohnehin schon ein globaler Technologievorreiter und 2017 weltweit drittgrößter E-Auto-Verkäufer, gilt als auf den industriellen Strukturwandel am besten vorbereitet. Analysen von Jefferies zu Folge wird BMW dieses Jahr Tesla (NASDAQ:TSLA) bezüglich der Anzahl verkaufter Autos überholen.
Für Anleger sind das gute Nachrichten, allerdings ist etwas Vorsicht geboten. Auto-Aktien zeigen sich momentan eher Formschwach aufgrund von Dieselskandal und US-Strafzöllen sowie Sanktionen gegen den russischen Aluminiumgiganten UC Rusal. Letztere sind besonders problematisch, denn mit dem sich anbahnenden E-Auto-Boom wird die Nachfrage nach dem Leichtmetall steigen. Dem Bergbau- und Metallberatungsunternehmens CRU zu Folge wird sich diese bis 2030 auf 10 Millionen Tonnen verzehnfachen.
Vor allem in Karosserien kann Aluminium schwerere Bleche ersetzen und damit das relativ hohe Gewicht von E-Batterien ausgleichen. Aber die Anfang des Jahres angekündigten Rusal-Sanktionen haben den Aluminiummarkt in seinen Grundfesten erschüttert. Aluminiumpreise schnellten in die Höhe, wodurch weitreichende Marktverwerfungen auftraten, die im Falle des Inkrafttretens der Sanktionen auch an der deutschen Industrie nicht spurlos vorbeiziehen würden.
Kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) – verantwortlich für mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze in Deutschland und somit der Motor der Wirtschaft – wären davon besonders betroffen. Da die großen Autobauer auf KMUs als Zulieferer von Technik und vorgefertigten Produkten abhängig sind, auch im E-Auto-Sektor, wären die Auswirkungen alles andere als gut.
WirtschaftsvereinigungMetalle (WVMetalle), ein Industrieverband, der 655 Firmen repräsentiert, warnte dementsprechend, dass „die Sanktionen einen erheblichen Einfluss auf die Handelsströme zwischen Deutschland/Europa und Russland haben werden. Die EU ist ein Netto-Importeur von Rohaluminium und Tonerde. Die Sanktionen können Marktverschiebungen für alle Marktteilnehmer zufolge haben, die in der gesamten Lieferkette zu spüren sind.“
Europa bezieht rund 25% seines Aluminiums von Rusal und das Unternehmen verfügt praktisch über ein Monopol auf bestimmte Aluminiumprodukte, die vor allem in der Automobilbranche sowie vom Mittelstand in abhängigen Sektoren gebraucht werden. Zwar wurde die Frist bis zur Implementierung der Sanktionen bis Januar verlängert. Aber neue Lieferketten sind schwierig herzustellen, sodass der Autoindustrie im Ernstfall Lieferengpässe drohen.
Was bedeutet dies für den E-Fahrzeug-Markt? Zum einen, dass die Verschiebung der Autobranche in den E-Sektor (und das E-Auto also Mainstream-Produkt) etwas entschleunigt wird. Kurzfristig wird dies dem deutschen Moment einen Dämpfer geben, weil die Wettbewerbsfähigkeit der Branche allgemein leiden wird.
Mittelfristig allerdings könnte es dafür sorgen, dass diverse Aspekte der Industriepolitik Berlins – z.B. das €1,2 Milliarden-Paket für Entwicklung von E-Batterien um die deutsche Abhängigkeit von asiatischen Anbietern zu minimieren – mit der Branche aufschließt.
Zum anderen zeigt es die Anfälligkeit der E-Autoindustrie für politische Ränkespiele in anderen Märkten. Aufgrund der hohen Interdependenz zwischen dem E-Auto und Rohstoffmarkt, insbesondere Aluminium aber auch Nickel und Palladium, sind die wechselseitigen Auswirkungen oft größer als erwartet.
Für Anleger sind dies nicht allzu einfache Zeiten. Aber während der Politik-und Handelsstreit zwischen der EU, den USA, China und Russland an Schärfe zunimmt, es ist klar, dass die Tage des Verbrennungsmotors gezählt sind. Dem E-Auto gehört die Zukunft und ist ein Trend, der sich nicht umkehren lassen wird – temporären Dämpfern zum Trotz. Deshalb ist der E-Fahrzeug-Markt auf lange Sicht eine sichere Wette.
In der Zwischenzeit ist der Einstieg aufgrund der politischen Spannungen und der daraus resultierenden Unvorhersehbarkeit eher etwas für mutige Anleger, die aber trotzdem hohe Renditen erwarten können.