Mein Interview bei Bloomberg begann gleich mit einem echten Billionen-Dollar-Thema:
Wir sollten nicht einfach auf eine beeindruckende BIP-Zahl wie "fast 3 %" schauen und zur Tagesordnung übergehen. Stattdessen müssen wir innehalten und fragen: Warum ist dieses Wachstum so stark – und was können wir tun, um es zu sichern?
In meinem Gespräch und meinem Gastkommentar bei Bloomberg habe ich mich auf einen entscheidenden Treiber konzentriert: das zunehmende Produktivitätswachstum der letzten Jahre und die Frage, wie politische Entscheidungsträger dazu beitragen können, diesen Trend zu verstetigen.
Die Zahlen sprechen für sich: Der Anstieg der Arbeitsproduktivität auf durchschnittlich 2,3 % in den letzten zwei Jahren liegt um einen halben Prozentpunkt höher als in den vier Jahren vor der Pandemie.
Das klingt zunächst unspektakulär – aber dieser Unterschied könnte die Zeit, die es braucht, um das reale BIP zu verdoppeln, um fast 10 Jahre verkürzen. Das ist enorm.
Die USA sind dabei weltweit führend. Joseph Politanos herausragender Artikel zu diesem Thema zeigt eindrucksvoll, dass die Produktivitätsgewinne der USA ihresgleichen suchen und von anderen Ländern kaum erreicht werden.
Und dennoch: Während seit der Pandemie eine enorme Aufmerksamkeit auf die Grundlagen der Inflation gerichtet wurde, bleibt die Produktivität oft eine Randnotiz. Das ist ein Fehler. Denn nachhaltiges Wachstum – und die Innovationen, die es treiben – sollten im Fokus jeder wirtschaftspolitischen Agenda stehen.
Barrieren abbauen
Die Ursachen für den Anstieg der Produktivität sind vielschichtig. Einer der spannendsten Treiber ist jedoch der bemerkenswerte Zuwachs an Unternehmensgründungen seit Beginn der Pandemie.
Als die Zahl der Anträge während der Pandemie plötzlich stark anstieg, war zunächst unklar, wie nachhaltig diese Entwicklung sein würde. Doch die Untersuchungen von Decker und Haltiwanger zeigen: Der Anstieg führte tatsächlich zu mehr neuen Unternehmen mit Beschäftigten – und noch wichtiger – das hohe Tempo hielt auch über die ersten Jahre der Pandemie hinaus an.
Nach Jahrzehnten rückläufiger Gründungsraten gewinnt die US-Wirtschaft seit der Pandemie durch junge Unternehmen wieder an Dynamik. Eine der zentralen Fragen lautet: Warum kam es zu diesem Boom an Unternehmensgründungen, und kann er sich fortsetzen?
Ein wesentlicher Faktor scheint die Reaktion auf die massiven wirtschaftlichen Veränderungen durch die Pandemie zu sein. Die Umstellung auf Remote-Arbeit und die pandemiebedingten Beschränkungen öffneten neue Geschäftsfelder und senkten gleichzeitig die finanziellen Hürden für Unternehmensgründungen.
Hinzu kommt: Konjunkturhilfen und andere staatliche Unterstützungsprogramme spielten eine entscheidende Rolle. Daten zeigen, dass in Regionen mit einem hohen Anteil schwarzer Amerikaner – einer Gruppe, die im Unternehmertum oft unterrepräsentiert ist – die Zahl der Neugründungen besonders stark anstieg. Dies verdeutlicht, wie bedeutend der Abbau finanzieller Hürden sein kann.
Auch wenn wir nicht mit einer erneuten Welle von Konjunkturprogrammen rechnen können, bleibt eine wichtige Erkenntnis: Maßnahmen zur Senkung der Marktzutrittshürden können Gründungen erheblich fördern. Diese Lehren sollten stärker in die politische Agenda einfließen – insbesondere in Hinblick auf Deregulierung und Wettbewerbspolitik.
Die Senkung der Eintrittsbarrieren und eine bessere Regulierung könnten langfristig nicht nur die Dynamik der Wirtschaft fördern, sondern auch die Produktivität weiter steigern. Dabei sollten jedoch auch die Zinspolitik der Federal Reserve im Blick behalten werden: Hohe Zinsen könnten die Kosten für die Gründung und das Wachstum neuer Unternehmen unnötig belasten und Innovationen ausbremsen.
Dynamische Arbeitsmärkte
Ein weiterer Grund für den jüngsten Produktivitätsanstieg könnte die Stärke des Arbeitsmarktes während des wirtschaftlichen Aufschwungs sein. Doch dieser Effekt geht weit über die Rolle innovativer Unternehmen hinaus. Arbeitnehmer haben in den letzten Jahren verstärkt Arbeitsplätze gefunden, die besser zu ihren Fähigkeiten passen, was ihre Produktivität spürbar gesteigert hat.
Das sogenannte „Große Aufgeben“ der Jahre 2021 und 2022 mag zwar kurzfristig für Störungen gesorgt haben, hat aber gleichzeitig vielen Beschäftigten ermöglicht, produktivere und besser bezahlte Stellen zu finden. Forscher sehen in der hohen Mobilität von Arbeitskräften zu Beginn der Pandemie einen Schlüsselfaktor für den Produktivitätsboom in den USA. Besonders in Branchen und Regionen mit hoher Kündigungsrate gab es auffällig viele Neugründungen von Unternehmen. Ein dynamischer Arbeitsmarkt und ein dynamisches Unternehmensumfeld sind eng miteinander verbunden.
Interessant ist, dass dieser Produktivitätsanstieg vor allem in den USA und nicht in anderen Ländern beobachtet wurde. Warum? Ein Grund könnte in der Politik während der Pandemie liegen: Die USA setzten auf großzügige Einkommenshilfen, priorisierten aber nicht – wie etwa Deutschland – die Arbeitsplatzbindung durch Kurzarbeit. Das Ergebnis: Viele Arbeitnehmer konnten nach der raschen Erholung der Nachfrage in produktivere und besser bezahlte Positionen wechseln.
Die entscheidende Frage ist nun, wie sich diese Produktivitätsgewinne ausbauen lassen. Ein dynamischer Arbeitsmarkt bleibt dabei essenziell. Doch es gibt Warnzeichen: Die Zahl der Arbeitnehmer, die ihren Job kündigen – oft, um eine neue Stelle anzutreten – ist inzwischen auf das Niveau von 2015 gesunken, als das Produktivitätswachstum wesentlich langsamer war. Auch eine Stabilisierung der Kündigungsrate ist bislang nicht in Sicht.
Zwar handelt es sich nicht um die dramatische Abschwächung, die typischerweise mit einer Rezession einhergeht, doch die Dynamik des Arbeitsmarktes sollte geschützt werden. Die Federal Reserve hat diesen Punkt im Sommer betont, als sie „keine weitere Abkühlung“ des Arbeitsmarktes als einen ihrer Tests für die Wirtschaft festlegte. Dieser Fokus bleibt richtig – ein dynamischer Arbeitsmarkt ist der Schlüssel zu langfristigem Wachstum.
Fazit
Das Thema Wachstum verdient unsere volle Aufmerksamkeit – insbesondere, wenn wir verstehen wollen, warum es in den letzten Jahren in den USA so außergewöhnlich gut lief. Dabei geht es nicht darum, eine Abrechnung mit der Steuer- oder Geldpolitik zu machen. Vielmehr sollten wir uns darauf konzentrieren, wie wir diesen Fortschritt langfristig sichern können.
Weder die Fed noch andere politische Entscheidungsträger dürfen jetzt selbstzufrieden werden. Ein Blick auf den Arbeitsmarkt und die Gründungsdynamik von Unternehmen zeigt, wie entscheidend diese Faktoren sind. Wenn hier Schwächen auftreten, könnte das die Produktivität und das angebotsseitige Wachstum bremsen – ein Risiko, das die US-Wirtschaft nach den jüngsten Erfolgen nicht eingehen sollte. Die Fortschritte der letzten Jahre waren zu bedeutend, um sie aufs Spiel zu setzen.