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Xi Jinping: einsame Spitze oder einsam an der Spitze?

Veröffentlicht am 24.10.2022, 18:35
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Zwischen all den anderen geopolitischen Entwicklungen, die Europas Bevölkerung natürlich viel mehr treffen, zeichnete sich aber im fernöstlichen China ein Bild ab, was mehr als historisch ist. Der Präsident der demokratischen Volksrepublik China, Xi Jinping, wurde über das Wochenende für eine weitere Amtszeit von seiner (der einzigen) Partei „gewählt“. Damit wird die Amtszeit auf eine Periode verlängert, die seit der Diktatur Mao Zedongs nicht mehr gesehen wurde. Mit ihm wurden auch noch das Parteikomitee komplett mit seinen engsten Verbündeten besetzt – so eine allumfassende Dominanz gab es eben zuletzt unter Maos Diktatur. Bekannterweise reduziert sich das Demokratieverständnis eines Landes exponentiell zu den Voranstellungen in der offiziellen Staatsbezeichnung. Über das Wochenende wurde für alle nochmal eindeutiger: China ist weder demokratisch noch eine Volksrepublik.

Aufbauend auf den Lehren des Soziologen Max Weber, der mit seinen Studien auch die Politikwissenschaft bedeutend voranbrachte, gibt es drei Arten der Autorität: (1) traditionell, (2) rational-juristisch und (3) charismatisch. Bei der ersten Form handelt es sich um die Autorität, die über Bräuche und Traditionen weitergegeben wird. Das deutsche Kaiserreich oder das französische Königreich baute bis zur Revolution auf die Legitimierung durch traditionelle Autorität auf. Heute findet man dies noch in Nordkorea und im Oman, wobei man zum letzteren Land sagen muss, dass es alles andere als dysfunktional ist.

Jedenfalls baut die rational-juristische Autorität darauf auf, dass es einen übergeordneten Rahmen gibt, indem Autorität auf Personen übertragen wird, was diese Macht legitimiert. Demokratische Systeme bauen darauf auf. Aber auch die Besetzung der Konsul-Position im römischen Reich war davon geprägt, auch wenn es eher aristokratisch strukturiert war.

Zu guter Letzt gibt es noch die charismatische Autorität. Hierbei legitimieren die Anhänger einer Bewegung bereitwillig die Autorität einer oder mehreren Personen aufgrund der außerordentlichen Qualitäten, besonderer Rhetorik oder einfach wegen der Ausstrahlung. Gandhi, Martin Luther King oder auch Diktatoren, wie Saddam Hussein oder eben Mao Zedong, dienen als Beispiel. Und auch die Vormachtstellung des Xi Jinping fällt in diese Kategorie, auch wenn nicht klar ist, inwiefern hier wirtschaftliche oder sogar physische Überzeugungsgewalt angewandt wurde.

Was bedeutet das für China und vor allem für die chinesische Wirtschaft? Kurz: alles oder nichts. Die Geschichte zeigt, dass mit dem Ableben einer charismatischen Führung auch die Entwicklungsrichtung oftmals wechselt, wenn sie denn negativ war. Im Falle Jinping ist das Bild unklar. Er machte zwar China zur zweitgrößten Wirtschaft der Welt, aber zu welchem Preis? Strikte Wirtschaftskontrollen in den letzten Jahren, „Null-Covid-Politik“, eine helfende Hand für Nordkorea, aggressiver Wirtschaftsimperialismus und ein tragischer Genozid an den Uyguren.

Mit der Konsolidierung seiner Macht stürzte der chinesische Leitindex Hang Seng nach ohnehin großen Verlusten zum Handelsstart diese Woche nochmal deutlich ab. Das ohnehin von den Kapitalgrenzen eingeschränkte Geld zieht sich aus dem Land zurück. Der Yuan taumelt und das Vertrauen in das Regime schwindet. Was sind die Aussichten?

Wenn wir an das Negativszenario anknüpfen, so wird sich China nun in eine lange, aber schleichende Rezession begeben. Mit schwindendem Vertrauen und größerer Angst vor weiteren machterweiternden Maßnahmen, könnte sich China auch zunehmend im Visier von Sanktionen, oder zumindest Umgehungsmaßnahmen, wiederfinden – eine direkte Konfrontation dürfte allerdings kein Staat wagen. In einem solchen Umfeld sollten sich auch die Unternehmen eher nach anderen Regionen umschauen, um sich voll entfalten zu können.

Das Positivszenario kann eigentlich nur klappen, wenn Xi Jinping endlich sein Versprechen einhält und die Kapitalgrenzen des Landes öffnet. Klar, aktuell hilft der schwache Yuan den Exporten, aber nachhaltig ist das nicht. Nur dadurch kann das Land jetzt noch mit attraktiven Renditen werben, denn vielen Anlegern ist es das Risiko einfach nicht mehr wert. Auch auf sozialer Seite muss sich der Langzeitpräsident mal etwas wohlwollender zeigen, denn bisher hat sich Jinping nicht als sonderlich barmherziger Parteikopf präsentiert. Mit ausgebauter Macht spricht aktuell nichts dafür, dass er in Zukunft netter mit den Unternehmern, Parteimitgliedern und den Minderheiten im Land umgehen wird. Wir sehen in unserer aktuellen Analyse zum Hang Seng aber eine baldige und nachhaltige Trendwende eintreten. Vielleicht weiß der Chart etwas, was die Realwirtschaft noch nicht weiß.

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