Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
bei einem Blick auf den Ölpreis ist zum Wochenbeginn ein ungewohntes Bild zu sehen: Nach der massiven Talfahrt der letzten Tage notiert der Rohstoff aktuell mit einem zarten Plus. Das Öl der Nordsee-Sorte Brent gewinnt bis zum Mittag rund ein Prozent hinzu. Schön zu sehen, dass der schwarze Schmierstoff noch steigen kann.
Preisverfall des Öls beschleunigte sich zuletzt
Seit mittlerweile sechs Monaten tendiert der Ölpreis nach Süden. In der vergangenen Handelswoche fiel der schwarze Rohstoff sogar bis auf das Niveau von 60 Dollar. So günstig notierte das Öl zuletzt im Jahr 2010 (damals fiel der Ölpreis in Folge der globalen Finanzkrise). Mitte des laufenden Jahres kostete ein Barrel (159 Liter) des Energieträgers noch weit über 100 Dollar.
In der folgenden Abbildung ist die Entwicklung des Rohöls seit Ende 2006 dargestellt (Brent Crude Oil in US-Dollar je Barrel):
Rohöl: Überversorgung lässt die Preise purzeln
Der heftige Abverkauf der Ölpreise, die wir hier im Rohstoff-Dienst seit langer Zeit beleuchtet haben, ist mittlerweile ohne Zweifel auch in den Massenmedien angekommen. Fast täglich markiert das Öl neue Tiefststände, der Kursrutsch belastete zuletzt auch die internationalen Aktienmärkte. Kein Wunder, dass der Energieträger in den Fokus der Öffentlichkeit getreten ist, schließlich ist die jüngste Verkaufswelle wirklich nicht alltäglich.
Ohne nennenswerte Wirtschaftsnachrichten verlor der Ölpreis seit Juli massiv an Wert. Die Hintergründe für den Wertverlust liegen dieses Mal eher auf der Angebotsseite: Durch neue Fördertechniken hat sich die USA vom Öl-Importeur zum -Exporteur gewandelt. Aktuell wird in Amerika so viel Öl produziert wie seit 1984 nicht mehr.
Schon 2015 dürften die USA nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) Saudi-Arabien als größten Ölproduzenten der Welt überholen. Bis 2020 soll die Ölproduktion in den USA von momentan rund neun Millionen Barrel pro Tag auf 11,6 Millionen Barrel ansteigen. Nach Experten-Schätzungen der IEA dürfte die Produktion Saudi-Arabiens im gleichen Zeitraum von 11,7 Millionen Barrel täglich auf nur noch 10,6 Millionen (2020) Barrel sinken. Die anderen Länder der OPEC (Organisation der erdöl-exportierenden Staaten) sind zudem zerstritten, man konnte sich insgesamt nicht auf eine Drosselung der Förderquote einigen.
Wenn ein ausgeweitetes Angebot auf eine verhaltene Nachfrage trifft, ist es natürlich vollkommen normal, dass der Preis sinkt. In diesem Fall ist jedoch die Intensität des Preisdrucks durchaus bemerkenswert – der Energieträger hat in nur sechs Monaten immerhin die Hälfte seines Wertes verloren. Wie gewöhnlich neigt die Börse zu Übertreibungen in beide Richtungen.
Charttechnik: Wann startet die Gegenbewegung?
Aktuell sind sinkende Ölpreise an der Tagesordnung. Kaum ein Marktteilnehmer traut sich momentan auf steigende Öl-Kurse zu setzen. Doch das Öl wird die Talfahrt nicht ewig fortführen – nach technischen Aspekten rechne ich schon bald mit einer Gegenbewegung nach oben.
Auf dem Niveau von 60 Dollar je Barrel (Brent) steht die Chance für einen Rebound nicht schlecht. Immerhin verläuft dort eine charttechnische Unterstützung aus dem Jahr 2007. Sollte sich das Rebound-Szenario bestätigen, so könnte der Ölpreis kurzfristig bis zum nächsten Widerstand bei rund 75 Dollar ansteigen.