Von Barani Krishnan
Investing.com - Abdul Aziz bin Salman wünscht sich jetzt wahrscheinlich, dass er die OPEC+ im Juli doch nicht einberufen hätte.
Kaum hatten der saudische Energieminister und seine 22 Kollegen im globalen Förderkartell am Sonntag Produktionssteigerungen für August angekündigt, erlebten die Ölpreise ihren schlimmsten Einbruch seit März und fielen kurz nach der New Yorker Mittagszeit am Montag um mehr als 7 %.
Analysten zufolge lag das Problem nicht in der von der OPEC+ angekündigten Produktionssteigerung, die sehr wohl im Rahmen der Markterwartungen lag. Was den Markt belastete, war das Wiederaufleben der Covid-Fälle in Gestalt der Delta-Variante des Virus und die Auswirkungen, die dies auf das globale Wachstum haben könnte.
"Reise- und Hotelaktien gehen heute in die Knie. Der Grund: der Ausblick für die Rohölnachfrage hat einen üblichen Sommer im Ausland zu sehr eingepreist", sagte Ed Moya, Analyst beim Broker OANDA.
"Die Nachfrage nach Kerosin dürfte sich in nächster Zeit abschwächen, da internationale Reisen schlichtweg nicht stattfinden werden, zumal viele Amerikaner ihre Pässe nicht rechtzeitig erneuern konnten", so Moya weiter. "Sogar Inlandsreisen nach Hawaii verlieren an Attraktivität angesichts der begrenzten Verfügbarkeit von Mietautos, des Mangels an Arbeitskräften im Gastgewerbe und der extremen Preissteigerungen bei Unterkünften und Restaurants."
Die in New York gehandelte Ölsorte West Texas Intermediate, die Benchmark für US-Öl, fiel bis 20.00 Uhr MEZ um 5,33 Dollar oder 7,5 % auf 66,23 Dollar pro Barrel. WTI hat seit seinem Hoch am 6. Juli 2021 bei 76,98 Dollar mehr als 10 Dollar verloren.
Das in London gehandelte Brent, die globale Benchmark für Rohöl, verlor 4,96 Dollar bzw. 6,7 % auf 68,63 Dollar. Von seinem Höchststand am 6. Juli bei 77,84 Dollar hat Brent etwa 9 Dollar an Wert eingebüßt.
Es gibt keine Gewissheit darüber, wie viel schlimmer der Ausverkauf werden könnte, da der Ölmarkt im Moment noch recht ausgeglichen ist.
"Die Rohstoffrallye ist noch nicht zu Ende, aber sie wird wahrscheinlich eine etwas längere Pause einlegen", so Moya. "Die Fundamentaldaten des Ölmarktes unterstützen immer noch einen weiteren massiven Anstieg, es braucht einfach noch einen Monat oder länger, um die zunehmende Risikoaversion abzuschütteln."
Die Kernschmelze beim Rohöl kam etwas überraschend, wenn man bedenkt, dass die OPEC+ versucht hat, genau das zu tun, was nötig war, um ein Produktionsabkommen für August zu erreichen, während sie ihre Produktion deutlich unter dem Nachfrageniveau hielt.
Die 23 Nationen umfassende OPEC+ - die die 13 Mitglieder der von Saudi-Arabien geführten Organisation erdölexportierender Länder mit 10 weiteren Ölproduzenten unter der Führung Russlands vereint - sagte, dass sie das Angebot von August bis Dezember um 2 Millionen Barrel erhöhen wird.
Die Vereinbarung, in den nächsten fünf Monaten jeden Monat 400.000 Barrel zusätzlich zu fördern, war genau das, was die Allianz (DE:ALVG) vor zwei Wochen abschließen wollte, bevor die Vereinigten Arabischen Emirate Einspruch dagegen erhoben.
Im Rahmen des überarbeiteten Abkommens wird die Förderung der VAE ab Mai 2022 auf 3,5 Mio. Barrel pro Tag (bpd) von heute 3,168 Mio. steigen.
Die OPEC+ einigte sich auch auf neue Förderquoten für mehrere Mitglieder ab Mai 2022, darunter die VAE, Saudi-Arabien, Russland, Kuwait und der Irak. Die Saudis und die Russen, die das Kartell anführen, werden ihre Förderquoten auf jeweils 11,5 Mio. bpd von derzeit 11 Mio. erhöhen. Die Gesamtanpassung erhöht das Angebot ab Mai nächsten Jahres um 1,63 Mio. bpd, so die Berechnungen von Reuters.
Die für die nächsten fünf Monate vereinbarte Nettoerhöhung um 2 Mio. Barrel liegt immer noch unter der geschätzten höheren Nachfrage von 3,5 Mio. Barrel, die für diesen Zeitraum vorgesehen war. Aber diese Nachfrageschätzung erfolgte auch vor den durch Delta ausgelösten Covid-Ausbrüchen, die wir in den letzten Wochen gesehen haben.
Auf der Angebotsseite steht diese Woche auch der erste iranische Rohölexport von außerhalb des Persischen Golfs und jenseits der Straße von Hormuz auf dem Radar der Investoren. Die Ladung werde von Jask im Golf von Oman abfahren, sagte Vahid Maleki, Direktor des Jask Oil Terminal.
An der Covid-Front nehmen die Fälle mit der Delta-Variante weiter zu und trüben die Aussichten für die Kraftstoffnachfrage. Einige Länder, darunter Australien und Südkorea, führten erneut restriktive Maßnahmen ein, um ihre jüngsten Ausbrüche einzudämmen. Großbritannien meldete am Samstag die höchste Anzahl von täglichen Covid-19-Fällen seit Januar 2021, bevor der Inselstaat am Montag die meisten Corona-Maßnahmen aufhob.
Es gibt zwar keine Gewissheit darüber, wie hoch die Nachfrage nach Öl in den nächsten fünf Monaten sein wird, aber sie dürfte erheblich sein. Genauso wenig weiß man, wie umfangreich die Corona-Welle im Herbst und Winter ausfallen wird, obwohl sie ebenfalls signifikant sein könnte.