(neu: Äußerungen Gentiloni, Hintergrund)
* Gentiloni spricht von beispiellosem wirtschaftlichen Schock
* Schuldenberg der Währungsunion bald höher als Wirschaftsleistung
* EU will mit Wiederaufbaufonds Folgen der Krise abfedern
Brüssel/Berlin, 06. Mai (Reuters) - Die Corona-Krise wird der Euro-Zone laut EU-Prognose eine beispiellose Rezession, ausufernde Verschuldung und steigende Arbeitslosigkeit einbrocken. Die EU-Kommission rechnet für 2020 mit einem Einbruch der Wirtschaft im Euro-Raum von 7,7 Prozent. Im nächsten Jahr soll es wieder um 6,3 Prozent bergauf gehen, wie die Brüsseler Behörde am Mittwoch zu ihrer Frühjahrsprognose mitteilte. "Europa erlebt einen wirtschaftlichen Schock, der seit der Großen Depression ohne Beispiel ist", sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Zugleich werde sich Lage der öffentlichen Finanzen in allen Mitgliedstaaten spürbar verschlechtern, warnte der Italiener.
Im Zuge der teuren staatlichen Rettungsmaßnahmen für die abgewürgte Konjunktur wird der Schuldenberg der Währungsunion demnach 2020 die Marke von 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen und sich in Griechenland sogar der 200-Prozent-Marke nähern. Italien, das besonders hart von der Krise getroffen wurde, droht mit knapp 159 Prozent des BIP eine weitere Erhöhung des ohnehin schon übergroßen Schuldenbergs von zuletzt knapp 135 Prozent.
Auch weil einige Länder nicht die nötige finanzielle Feuerkraft hätten, um der Krise zu begegnen, seien gemeinsame Anstrengungen vonnöten, mahnte die EU. Gentiloni erklärte, Brüssel arbeite weiter an einem "gut durchfinanzierten" Plan für eine wirtschaftliche Erholung, um die Krise abzumildern. Teil des Pakets seien Zuschüsse und Langzeit-Darlehen. Ein entsprechender Vorschlag werde in den nächsten Wochen vorgestellt. Er sei zuversichtlich, dass der Plan im Juni von den EU-Staats- und Regierungschefs grünes Licht bekommen werde.
ITALIEN STÜRZT IN TIEFES KONJUNKTURLOCH
Diese haben sich zwar im Grundsatz auf ein Hilfspaket für die unter der Pandemie leidenden Staaten geeinigt. Eckpfeiler des geplanten Wiederaufbaufonds sind bislang aber ungeklärt. Die EU-Kommission soll den konkreten Finanzbedarf ermitteln. Gefordert werden wegen der Coronavirus-Krise teilweise Summen von mindestens einer Billion Euro.
Für Deutschland erwartet die Kommission einen Absturz des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 6,5 Prozent in diesem Jahr und eine Erholung von 5,9 Prozent für 2021. In Frankreich dürfte es demnach zunächst um 8,2 Prozent nach unten gehen und dann um 7,4 Prozent wieder nach oben. Die Brüsseler Behörde sagt Italien, das besonders stark von der Pandemie betroffen ist, sogar ein Konjunkturloch von 9,5 Prozent voraus. Im nächsten Jahr werde es dann 6,5 Prozent Wachstum geben. Auch in Spanien sind die Aussichten mit einem Minus von 9,4 Prozent in diesem Jahr düster, bevor das BIP 2021 wieder um sieben Prozent zulegen dürfte.
Im gesamten Euro-Raum wird der Prognose zufolge die Arbeitslosigkeit spürbar zulegen - auf 9,6 Prozent im Jahresschnitt 2020, nach 7,5 Prozent 2019. Im nächsten Jahr dürfte die Quote dann wieder auf 8,6 Prozent fallen. Die Inflationsrate werde 2020 auf 0,2 Prozent einbrechen und im nächsten Jahr im Schnitt bei 1,1 Prozent liegen. Aber auch dies wäre weiter unter der Marke von knapp zwei Prozent, die die Europäische Zentralbank (EZB) als ideal für die Konjunktur ansieht.