LONDON (dpa-AFX) - Die Unternehmensstimmung im Euroraum hat sich im Juli unerwartet stark eingetrübt. Mit der Griechenlandkrise hat das offenbar wenig zu tun. Dafür schwächeln Deutschland und Frankreich. Der Einkaufsmanagerindex, eine Umfrage unter leitenden Angestellten, sank nach einer ersten Schätzung um 0,5 Punkte auf 53,7 Zähler, wie das Forschungsinstitut Markit am Freitag in London mitteilte. Bankvolkswirte hatten nur mit einem leichten Rückgang um 0,2 Punkte gerechnet.
Die Griechenlandkrise habe wenig negativen Einfluss auf die Stimmung der Unternehmen gehabt, sagte Markit-Chefökonom Chris Williamson. "Anlässlich der Achterbahnfahrt bei der griechischen Schuldenkrise hat das Wirtschaftswachstum der Eurozone im Juli nur leicht an Dynamik eingebüßt." Dies deute darauf hin, dass die Region insgesamt auf 'Business as usual' eingestellt sei. Die Unternehmen wurden von Markit nach dem griechischen Referendum befragt.
FRANKREICH UND DEUTSCHLAND SCHWÄCHELN
Die trüben Gesamtzahlen in der Eurozone sind vor allem auf Deutschland und Frankreich zurückzuführen. Sie verzeichneten laut Markit bei der Industrieproduktion und im Dienstleistungssektor abgeschwächte Wachstumsraten, während die restlichen Länder im Durchschnitt zulegten. Besonders stark schwächelte Frankreich, das im Industriesektor unter die 50-Punkte-Marke gerutscht ist, was als Hinweis auf einen möglichen Rückgang der Wirtschaftskraft gesehen wird. Die getrübte Stimmung in Frankreich führt Holger Schmieding, Chefökonom bei der Berenberg Bank, unter anderem auf ein "Schneckentempo" bei den Reformen zurück.
Die schwachen Zahlen zu den beiden wirtschaftlichen Schwergewichten in der Eurozone hatten sowohl vorab befragte Ökonomen als auch die Händler an den Devisenmärkten überrascht. Der Euro war nach den Veröffentlichungen zu Frankreich und Deutschland am Vormittag auf sein Tagestief unter der Schwelle von 1,10 zum US-Dollar gefallen. Auf die kurz darauf veröffentlichten Gesamtzahlen zur Eurozone hatte die Gemeinschaftswährung dann kaum reagiert.
UNTERSCHIEDLICHE INTERPRETATIONEN
Zu den Gesamtzahlen zur Unternehmensstimmung in der Eurozone gibt es unterschiedliche Interpretationen. Denn einerseits sind sie unerwartet schwach ausgefallen, andererseits kommen sie aber von einem Vier-Jahres-Hoch im Vormonat und die Zeichen stehen mit Werten über der 50-Punkte-Schwelle weiterhin auf Wachstum. Markit-Chefökonom Williamson betont die positive Seite. Die Zahlen deuteten darauf hin, dass die Wirtschaft weiter anziehen werde. Für das gesamte Jahr 2015 könne in der Region mit einem Wachstum von 1,5 Prozent gerechnet werden. Am Arbeitsmarkt habe der Stellenaufbau an Tempo gewonnen. Steigende Auftragsbestände wiesen als Indikator für Kapazitätsengpässe auf eine positive Beschäftigungsentwicklung im August hin.
Unter Ökonomen gibt es aber auch pessimistischere Stimmen. "Der Rückgang des Gesamtindexes im Juli stützt die Annahme, dass sich die fragile Erholung in der zweiten Jahreshälfte abschwächen könnte", sagte Jennifer McKeown, Ökonomin bei dem britischen Forschungsunternehmen Capital Economics. Die aktuellen Werte seien zwar noch mit dem derzeitigen Wachstumspfad vereinbar. "Aber weitere Rückgänge im August und September scheinen gut möglich und würden auf ein schwächeres Wachstum hindeuten." Diese Einschätzung werde durch die enttäuschenden Zahlen vom Donnerstag zum Konsumentenvertrauen in der Eurozone zusätzlich gestärkt.
^Region/Index Juli Prognose Vormonat
EURORAUMGesamt 53,7 54,0 54,2Verarb. Gew. 52,2 52,5 52,5 Dienste 53,8 54,2 54,4
DEUTSCHLAND Verarb. Gew. 51,5 51,9 51,9 Dienste 53,7 54,0 53,8
FRANKREICH Verarb. Gew.