NEU DELHI (dpa-AFX) - Führende deutsche Wirtschaftsvertreter haben von der neuen indischen Regierung ein schnelles Umsetzen der versprochenen Wachstums- und Investitionsziele gefordert. "Wir hoffen, dass den Worten nun Taten folgen", sagte Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), am Freitag bei einem Kurzbesuch in Neu Delhi. Die vergangenen beiden Jahre seien für das aufstrebende Schwellenland "verlorene Jahre" gewesen, fügte Bankenpräsident Jürgen Fitschen hinzu. "Die Anziehungskraft Indiens für deutsche Unternehmen nahm ab."
Die Deutschen waren zuvor mit Indiens Finanzminister Arun Jaitley zusammengetroffen, der am Vortag sein erstes Haushaltsbudget vorgestellt hatte. Darin kündete er an, Versicherungen und Rüstungsbetriebe weiter für ausländisches Kapital zu öffnen. Indiens neue Regierungspartei BJP hatte die Wahlen im April und Mai mit dem Versprechen gewonnen, die drittgrößte Volkswirtschaft Asiens wieder zu schnellem Wachstum zurückzuführen.
Dazu müssten die Hürden aus dem Weg geräumt werden, die im Gespräch mit Jaitley benannt wurden, meinte BDI-Präsident Grillo: bessere Straßen und Häfen, verlässliche Wasser- und Stromversorgung, ein transparentes Steuersystem. Grillo zeigte sich "optimistisch und zuversichtlich", dass dies gelingen werde. "Wir wollen investieren, wir sind bereit zu investieren", sagte er.
Die deutschen Unternehmen seien wieder erstarkt und auf der Suche nach Märkten, in die sie investieren könnten, meinte auch Hubert Lienhard, Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (APA). Wichtig sei für sie die Zusage Indiens gewesen, nicht wieder rückwirkende Steuern zu erheben. Damit hatte die Vorgängerregierung zahlreiche Investoren verschreckt. "Jaitley sagte uns: "Neue Verbindlichkeiten werden nicht geschaffen werden." Das ist ein sehr starke Aussage", meinte Lienhard.
Analysten hatten gehofft, die neue Regierung werde gleich zu Beginn noch weitere Bereiche liberalisieren. Doch ausländische Direktinvestoren werden auf dem Subkontinent mit gemischen Gefühlen betrachtet. Jahrelang versuchte die Vorgängerregierung, etwa den Einzelhandel zu öffnen, und stieß auf massive Proteste der Ladenbesitzer und Zwischenhändler. Lienhard zeigte sich trotzdem zuversichtlich, dass in Indien viel Potenzial stecke. Derzeit seien dort 1500 Unternehmen aktiv, wohingegen es in China 6000 seien.
Seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte Ende Mai geben sich ausländische Regierungs- und Wirtschaftsvertreter in Neu Delhi die Klinke in die Hand. Derzeit weilt der stellvertretende US-Außenminister William Burns in der Stadt, auch der französische und chinesische Außenminister sowie politische Vertreter aus Großbritannien und Russland waren schon da. Indiens Premierminister Narendra Modi wird demnächst nach Brasilien, Japan und die USA reisen. Wann auch die deutsche Politik vorbeischaut, wollte der deutsche Botschafter Michael Steiner nicht sagen.sl