(Wiederholung: Wochentag im ersten Satz, zweiter Absatz geändert in Donnerstag rpt Donnerstag)
WASHINGTON (dpa-AFX) - Das 'Time Magazine' hat sie bereits zur mächtigsten Frau der Welt ernannt - zumindest aus Anlegersicht dürfte daran kein Zweifel bestehen. Kein Wunder, dass der erste Auftritt von Janet Yellen als neue Präsidentin der US-Notenbank Fed vor dem amerikanischen Kongress Topthema an den Märkten ist. 'Yellens Worte dürften in dieser Woche den Ton angeben', sagt Analystin Kathleen Brooks von Gain Capital.
Zwei Fragen stehen bei den Anhörungen vor dem Repräsentantenhaus und dem Senat am Dienstag und Donnerstag im Fokus: Wird die Fed das Tempo bei der Drosselung ihrer milliardenschweren Anleihekäufe trotz zuletzt durchwachsener Konjunkturdaten beibehalten? Wie will Yellen den Märkten neue Orientierung geben, nachdem sich das an die Arbeitslosenquote gekoppelte Niedrigzinsversprechen ('Forward Guidance') als Flop entpuppt hat? Experten halten hier eine Verknüpfung mit dem Inflationsziel für einen galanten Ausweg.
Fest steht: Die 67 Jahre alte Ökonomin Yellen, bislang Vize-Chefin der Fed, tritt ein besonders schwieriges Erbe an. Sie muss die Notenbank aus dem Krisenmodus führen, ohne dabei neuen Schaden anzurichten - ein Drahtseilakt. Mit einer nie gesehenen Geldschwemme hat sich die Fed gegen die Wirtschaftskrise gestemmt. Nun ist die US-Konjunktur aus dem Gröbsten raus - Zeit, die Wachstumsstützen langsam abzubauen. Doch Investoren haben sich an das Liquiditäts-Doping und die extrem niedrigen Zinsen gewöhnt.
Allein die Ankündigung eines geringeren Volumens beim Anleiheankauf hatte im letzten Sommer ausgereicht, um an den Märkten Turbulenzen auszulösen. Schwellenländer, die von Anlegern in den vergangenen Jahren auf der Jagd nach Rendite bestürmt wurden, werden nun durch massive Kapitalabflüsse erschüttert. 'Von den Anleihekäufen der Fed hat die ganze Welt profitiert', erklärt US-Ökonom Dani Rodrick von der Princeton Universität. Jetzt kehrt sich der Trend um.
Seit Jahreswechsel hat die Fed bei den massiven Anleihekäufen, mit denen sie die Wirtschaft ankurbelt, einen Gang runtergeschaltet. Die Drosselung (Finanzjargon: 'Tapering') ist aber nach wie vor ein Risikofaktor. 'Die Märkte wollen wissen, wie sich Yellen die weitere Einschränkung der Geldflut vorstellt', sagt Expertin Brooks.
Lässt sich die Fed beim Einstieg in den Ausstieg aus der ultralockeren Politik von ihrer Linie abbringen? Dafür würde sprechen, dass die jüngsten Wirtschaftsdaten ernüchternd ausfielen - sie waren aber durch den extrem kalten Winter verzerrt. 'Die Hürde für geldpolitische Kursänderungen dürfte deshalb hoch liegen', sagt Experte Joseph LaVorgna von der Deutschen Bank.
Wie schwer Yellens Billiggeld-Problem wiegt, zeigen die Bücher der Fed: Unter Vorgänger Ben Bernanke wurde die Bilanz auf mehr als 4 Billionen Dollar aufgebläht - und sie wächst weiter, wenn auch etwas langsamer. Diese exorbitant hohe Summe - deutlich mehr als die deutsche Wirtschaft im vergangenen Jahr produzierte - muss früher oder später behutsam eingeschrumpft werden. Experten sprechen vom größten geldpolitischen Wagnis aller Zeiten.
Und dies ist nur eins der Probleme, vor denen Yellen steht. Denn nach dem 'Tapering' ist vor der Zinswende. Die Normalisierung der Geldpolitik hat gerade erst angefangen. 'Wenn die Fed beginnt, die Zinsen anzuheben, wird die Marktreaktion heftiger ausfallen', so Pablo Salame, Top-Handelsstratege der Investmentbank Goldman Sachs. Derzeit versüßt die Notenbank den schrittweisen Ausstieg aus ihrem Anleihekaufprogramm, indem sie langfristig niedrige Zinsen zusichert. Dieses Versprechen wird aber durch die Arbeitsmarktentwicklung auf die Probe gestellt.
Die Fed will frühestens über Zinserhöhungen nachdenken, wenn die Arbeitslosenquote auf 6,5 Prozent gefallen ist. Ursprünglich sollten die Finanzmärkte damit in Sicherheit gewogen werden, dass eine zinspolitische Straffung in weiter Ferne liegt. Das Problem: Die Quote ist in den letzten Monaten stärker als von der Notenbank erwartet gesunken. Mit 6,6 Prozent lag sie im Januar nur noch einen Hauch über dem Schwellenwert. Yellen und Co. haben bereits erklärt, die Nullzinspolitik könne auch fortgesetzt werden, wenn die Quote weiter sinkt.
Dennoch sorgt das Thema weiter für Nervosität. Mehr Klarheit beim Zinsausblick wäre am Markt gefragt. Deshalb könnte die Fed Spielraum ausschöpfen, der sich durch die ungewöhnlich niedrige Inflation bietet. Sie könnte beispielsweise ankündigen, die Zinsen nahe der Nulllinie zu halten, solange die Jahresrate der Teuerung unter ihrem Zielwert von zwei Prozent liegt. Aus Sicht von Paul Ashworth, Experte beim Analysehaus Capital Economics, wäre dies eine praktikable Lösung. 'Solche Optionen könnte Yellen vor dem Kongress durchaus erörtern', sagt auch Deutsche-Bank-Ökonom Joseph LaVorgna.
--- Von Hannes Breustedt, dpa-AFX ---