Cox's Bazar (Reuters) - Die Flüchtlingszustrom aus Myanmar hält weiter an. In Bangladesch suchten allein in den vergangenen zwei Wochen fast 300.000 Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingya Zuflucht vor den Kämpfen in ihrer Heimat.
Der zuständige Koordinator der Vereinten Nationen (UN), Robert Watkins, rechnete nicht damit, dass die Flüchtlingswelle bald abebben werde. Watkins erklärte in der Nacht zu Sonntag, dass die Hilfsorganisationen vor Ort umgehend 77 Millionen Dollar benötigten. Unterdessen rief die Rohingya-Rebellengruppe Arsa einseitig eine einmonatige Waffenruhe ab Sonntag aus. Damit wollte Arsa nach eigenen Angaben Helfern ermöglichen, auch zu den im Nordwesten Myanmars Verbliebenen vorzudringen. Zunächst war unklar, welche Auswirkungen dies auf die Kämpfe zwischen Rohingya-Aufständischen und dem Militär haben wird.
Auslöser der jüngsten Unruhen waren koordinierte Rebellen-Angriffe am 25. August auf Dutzende Polizeiwachen sowie eine Armeekaserne. Arsa bekannte sich zu den Attacken, die eine große Gegenoffensive der Armee zur Folge hatten. Die Regierung in Rangun stuft Arsa als Terrororganisation ein. Bei den Kämpfen starben bisher mindestens 400 Menschen. Viele Geflohene berichteten von Brandstiftungen und Tötungen in ihrer Heimat. Ganze Dörfer sollen zerstört worden sein. Beobachter sprachen davon, dass die Rohingya aus der Region Rathedaung im Bundesstaat Rakhine bereits vertrieben wurden. Die Vorgänge ließen sich zunächst nicht von unabhängiger Seite bestätigen.
Nun stranden immer mehr Rohingya in Bangladesch, das bereits zuvor Hunderttausende aufgenommen hat. Viele kämen "ohne alles an", sagte Watkins. Zwei Flüchtlingslager in Cox's Bazar im Südosten des Landes stoßen bereits an ihre Kapazitätsgrenzen. Die meisten Ankommenden leiden Hunger sowie Durst und sind traumatisiert. Viele Rohingya sollen sich noch in den teils verminten Bergen auf dem Weg in die Flüchtlingslager befinden.
Hinzu kommen massive Probleme der Hilfsorganisationen vor Ort, durch die es zu Versorgungsengpässen kommt. Das Welternährungsprogramm (WFP) musste seine Arbeit in Myanmar einstellen, da die Organisation nach eigenen Angaben die Sicherheit ihrer Mitarbeiter nicht mehr gewährleisten konnte. Die Regierung und das Militär werfen Hilfsorganisationen vor, die Rohingya-Rebellen zu unterstützen. Nun springt verstärkt das Rote Kreuz ein, um in Myanmar den Menschen zu helfen.
In dem überwiegend buddhistischen Land leben 1,1 Millionen Rohingya. Ihnen wird die Staatsangehörigkeit verweigert, zudem ist ihre Reisefreiheit eingeschränkt. International steigt der Druck auf die Friedensnobelpreisträgerin und de-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi, die Gewalt zu beenden. Es wird befürchtet, das Myanmar angesichts der Unruhen Rückschläge beim Übergang von einer langjährigen Militärherrschaft in eine Demokratie erleidet.