- von Frank Siebelt und Andreas Framke
Frankfurt (Reuters) - Rund zehn Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise haben sich die globalen Bankenregulierer nach zähen Verhandlungen auf neue weltweite Kapitalvorschriften für Geldhäuser geeinigt.
Der zuletzt besonders strittige Punkt, inwieweit Banken mit eigenen internen Modellen errechnen dürfen, wie viel Eigenkapital sie für Kredite und andere Geschäfte bereithalten müssen, wurde über die Festlegung einer Grenze (Output-Floor) gelöst, wie der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht am Donnerstag in Frankfurt mitteilte. Der Kompromiss sieht vor, dass der von einer Bank selbst errechnete Kapitalbedarf nicht unter 72,5 Prozent des nach einem Standard-Modell ermittelten Werts fallen darf. Für die Umsetzung des Regelpakets bekommt die Branche einige Zeit: Die Einführungsphase beginnt 2022 und endet fünf Jahre später.
Die deutsche Kreditwirtschaft kritsierte den Kompromiss. "Die deutschen Institute haben eine gute Kapitalausstattung und werden die höheren Kapitalanforderungen verkraften", erklärte ihr Dachverband in Berlin. Dennoch sei es nicht ausgeschlossen, dass negative Konsequenzen auf das Kreditangebot für Unternehmen und Privatkunden in Europa auftreten. Die Branche hatte schon während der Verhandlungen gewettert, sie werde durch den sich abzeichnenden Kompromiss im Vergleich etwa zu den USA benachteiligt. Jenseits des Atlantik haben viele Banken eine dickere Kapitaldecke als in Europa und sind profitabler.
Über den Abschluss des Reformwerks wurde im Baseler Ausschuss, in dem Notenbanken- und Behörden-Experten aus 28 Ländern globale Regulierungsstandards erarbeiten, bis zuletzt hart verhandelt. Das unter dem Stichwort "Basel III" bekannte Paket 2010 war nach der Finanzkrise im Auftrag der Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) angeschoben worden. Mit den neuen Regeln soll das weltweite Bankensystem krisenfester gemacht werden.
DRAGHI SPRICHT VON MEILENSTEIN FÜR ROBUSTERE BANKEN
EZB-Präsident Mario Draghi, der dem für die Reform verantwortlichen Gremium der Chefs der Notenbanken und Bankenaufsichtsbehörden (GHOS) vorsteht, sprach von einem "wichtigen Meilenstein", der das Finanzsystem robuster und das Vertrauen in die Bankenbranche verbessern werde. "Nichts ist krisensicher", räumte Draghi jedoch ein. Zu dem beschlossenen Reformwerk gehört auch eine Neuberechnung der Schuldenquote und ein daraus abgeleiteter zusätzlicher Kapitalpuffer (leverage ratio buffer) für global systemrelevante Banken. Außerdem wurden standardisierte Herangehensweisen bei der Bewertung von Kredit- und Geschäftsrisiken beschlossen.
Es sei nun wichtig für den Erfolg der Regeln, dass alle Länder mitziehen, sagte Schwedens Notenbankchef, Stefan Ingves, der dem Baseler Auschuss vorsteht. "Nun da die Basel-III-Reform-Agenda abgeschlossen ist, müssen wir uns auf die wichtige Aufgabe konzentrieren, dass die Standards weltweit konsistent umgesetzt werden."
BAFIN-CHEF WERTET ABSCHLUSS ALS TRAGFÄHIGEN KOMPROMISS
Die deutschen Bankenaufseher verteidigten die Einigung. "Der nun festgelegte Output Floor ist aus deutscher Sicht kein Wunschergebnis, aber ein Kompromiss, den alle Beteiligten tragen können", erklärte BaFin-Präsident Felix Hufeld. Alle Mitglieder im GHOS und Baseler Ausschuss hätten zugesagt, sich für eine vollständige und zeitnahe Umsetzung aller Elemente des Reformpakets in ihren Ländern einzusetzen, sagte Bundesbank-Chef Jens Weidmann. "Das war eine wesentliche Voraussetzung für unsere Zustimmung zu den Reformen." Er und Hufeld hatten sich bis zuletzt für eine Einigung starkgemacht.
Die EU-Kommission kündigte an, bei der Umsetzung der neuen Bankenregeln Rücksicht auf die Besonderheiten hiesiger Geldhäuser zu nehmen. Die Vorschriften würden in der Union "grundsätzlich für alle Banken" gelten und nicht nur für systemrelevante Finanzhäuser, sagte Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis in Brüssel.
Nicht durchsetzen konnte sich die Bundesbank in den Verhandlungen mit der Forderung, Staatsanleihen in den Bankbilanzen künftig nicht mehr als risikolos einzustufen. Viele Länder seien dagegen gewesen, sagte Draghi. Im Kern geht es den Befürwortern eines solchen Modells darum, die enge Verknüpfung von Staaten und Banken aufzubrechen. Denn viele Institute saugen sich mit Staatsanleihen ihres Heimatlandes sozusagen voll, weil sie dafür kein zusätzliches Kapital vorhalten müssen. Dieses Verhalten kann eine Krise verschärfen und Banken wie Staaten im schlimsten Fall gleichermaßen destabilisieren.