Berlin (Reuters) - Aufseher und Politik in Deutschland stehen Forderungen aus der Versicherungsbranche nach einer Pause bei der Regulierung skeptisch gegenüber.
Deregulierung gelte es um jeden Preis zu vermeiden, sagte der Chef der deutschen Finanzaufsicht BaFin, Felix Hufeld, am Mittwoch bei der Jahrestagung des Branchenverbandes GDV in Berlin. Er warb stattdessen für eine berechenbare und proportional angemessene Regulierung. GDV-Präsident Wolfgang Weiler sprach sich dagegen für eine Pause aus: "Der Regulierungseifer der Politik ist so lebendig, als wäre Lehman gerade erst geschehen", kritisierte er mit Blick auf die Pleite der US-Investmentbank vor zehn Jahren, die eine weltweite Finanzkrise auslöste.
Von einer "Pause" wollte Hufeld indes nichts wissen. "'Nachtigall, ick hör dir trapsen', sagt man wohl hier in Berlin", sagte er mit Blick auf die Frage nach dem optimalen Verhältnis zwischen Wachstum und Sicherheit. Denn wer diese Frage stelle, denke im Hinterkopf meist schon an Deregulierung. Und auf eine solche Welle folge meist eine heftige Krise. Worauf es aber ankomme, seien Berechenbarkeit und Konstanz in der Regulierung.
Hufeld forderte die Branche auf, die Überprüfungen der eingeführten Regeln in Deutschland und der EU als Chance zu begreifen. Er habe seine Zweifel, ob die Regulierung tatsächlich der limitierende Faktor beim Wachstum in der Versicherungsbranche sei. Stattdessen warteten bei Fragen des Zinsumfeldes und der demografischen Entwicklung die eigentlichen Herausforderungen.
Die Branche beklagt vor allem den hohen bürokratischen Aufwand und die damit verbundenen Kosten bei der Umsetzung des EU-Regelwerks "Solvency II". Die Vorgaben sollen verhindern, dass Versicherte nicht ausreichend über mögliche finanzielle Risiken in ihren Verträgen aufgeklärt sind.
STAATSSEKRETÄR VERSPRICHT QUALITÄT VOR QUANTITÄT
Auch Finanzstaatssekretär Jörg Kukies stellte beim GDV keine umfangreiche Rücknahme der Vorgaben in Aussicht: "Die Bundesregierung strebt eine effektive Regulierung mit Augenmaß an". Es gehe um Qualität, nicht um Quantität. Man werde deshalb überprüfen, ob alle Anforderungen, etwa im Bereich der Kundenberatung, das Optimum getroffen hätten.
Kukies räumte ein, dass das Zinsniveau am Kapitalmarkt in einem Maß zurückgegangen sei, das vor Jahren noch unvorstellbar gewesen sei. In diesem Zusammenhang bestätigte der für Finanzmarktpolitik zuständige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, dass wegen der niedrigen Renditen für Lebensversicherer die sogenannte Zinszusatzreserve zwar weiter aufgebaut werden müsse. Dies solle aber in kleineren Schritten erfolgen. Auch Hufeld sagte, dass es aus BaFin-Sicht nicht ratsam sei, die Reserve weiter im bisherigen Tempo aufzubauen. Kukies äußerte sich zuversichtlich, dass die Änderungen im Gesetz noch in diesem Jahr umgesetzt werden könnten.
Seit 2011 mussten die Lebensversicherer wegen der niedrigen Zinsen bereits 60 Milliarden Euro zurücklegen, um die in den 1990er Jahren abgegeben Zinsgarantien von bis zu vier Prozent auch künftig noch erfüllen zu können. Diese Rücklage ist die Zinszusatzreserve.
Kukies sprach sich zudem für die Einführung des sogenannten Provisionsdeckels bei der Vergütung für Vermittler von Lebensversicherungen aus. Überprüfungen hätten ergeben, dass die Vergütungen aufgrund von Vereinbarungen im Vorjahr um lediglich fünf Prozent gesunken seien. Mit dem Deckel solle eine weitere Senkung der Kosten eines Vertragsabschlusses erreicht und Fehlanreize im Vertrieb verhindert werden. "Die Bundesregierung hat noch keine Entscheidung über die konkrete Ausgestaltung des Provisionsdeckels getroffen", sagte Kukies. Mögliche Optionen würden gemeinsam mit der BaFin geprüft. Angestrebt sei die Vorlage eines in den Ressorts abgestimmten Vorschlags im ersten Quartal 2019.
(Reporter: Tom Körkemeier; redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter den Telefonnummern 030-2888 5168 oder 069-7565 1236)