Berlin/Brüssel (Reuters) - Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Horst Seehofer wollen einen weiteren offenen Konflikt offenbar vermeiden.
Sprecher beider Seiten spielten einen Brief Seehofers an die EU-Kommission zu den Brexit-Verhandlungen am Montag herunter. Vize-Regierungssprecherin Martina Fietz betonte gar, es gebe keinen Dissens zwischen der Kanzlerin und dem Minister in dieser Frage. Es bestehe Einigkeit, dass es nach dem Brexit keine Abstriche bei der Sicherheit der Bürger geben dürfe. In einem ungewöhnlichen Schritt hatte sich zuvor jedoch die Bundesregierung bei der EU-Kommission von dem CSU-Chef distanziert. Politiker von Union und SPD warfen Seehofer gar eine unzulässige Einmischung in die ohnehin schwierigen Brexit-Verhandlungen vor.
Seehofer hatte die EU-Kommission in einem vergangene Woche bekanntgewordenen Brief aufgefordert, in den Brexit-Verhandlungen Flexibilität walten zu lassen. Eine "uneingeschränkte Sicherheitszusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich" nach dem Brexit sei "unverzichtbar". Er verwies auf die Bedeutung Großbritanniens als Partner beim Kampf gegen den Terrorismus und gegen die organisierte Kriminalität.
In einem Reuters vorliegenden Brief der Ständigen EU-Vertretung Deutschlands wird jedoch klargestellt, dass es sich bei Seehofers Brief "um ein in der Bundesregierung nicht abgestimmtes Schreiben" handele. Teile davon befänden sich im Widerspruch mit den Leitlinien des Europäischen Rates für die Verhandlungen und der in dieser Frage abgestimmten Position der Bundesregierung. Unterzeichnet ist der Brief, aus dem zuerst die "Süddeutsche Zeitung" zitiert hatte, vom Leiter der politischen Abteilung der Ständigen Vertretung, Thomas Eckert.
Vize-Regierungssprecherin Fietz verwies auf die ausgehandelten Leitlinien. Die EU-Kommission habe hier das Verhandlungsmandat. Zugleich betonte sie, auch Kanzlerin Merkel habe mehrfach betont, dass eine Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und der EU beim Thema Sicherheit nach dem Brexit sehr wichtig sei."Die Sicherheit der Bürger ist für die Bundesregierung eine große Aufgabe und das höchste Gut und hat höchste Priorität."
Ein Sprecher Seehofers sagte, der Minister habe lediglich seine Besorgnis zum Ausdruck gebracht, dass nach dem Brexit die Sicherheits-Zusammenarbeit eng gestaltet werden müsse. Seehofer wolle aber nicht die Brexit-Verhandlungen und auch nicht die vereinbarten Leitlinien infrage stellen.
UMFRAGE: CSU RUTSCHT IN BAYERN AUF 38 PROZENT AB
Merkel und Seehofer sowie CDU und CSU lagen wochenlang auch in der Asylpolitik über Kreuz und haben sich erst vergangene Woche mühsam auf einen Kompromiss verständigt, der durch Rücknahmeabkommen mit anderen Staaten nun noch mit Leben gefüllt werden muss. Seehofers Einmischung in die Brexit-Verhandlungen sorgte für neuen Unmut in der Union. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok sagte der "Frankfurter Rundschau" laut Vorabbericht, seine Fantasie sei nicht ausreichend, um dafür eine Erklärung zu finden. SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich sagte, die Brexit-Verhandlungen seien nicht Seehofers Revier.
Einer Forsa-Umfrage zufolge schadet sich die CSU mit ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik selbst und treibt der AfD Wähler zu. Im RTL/n-tv-Trendbarometer sackt die CSU in Bayern auf 38 Prozent ab und würde damit die absolute Mehrheit verlieren, wenn am Sonntag Landtagswahl wäre. Bei der Wahl 2013 hatte die Partei noch 47,7 Prozent erreicht, in der Forsa-Umfrage vor zwei Wochen lag sie bei 40 Prozent. Die AfD kann demnach in Bayern derzeit mit 14 Prozent der Stimmen rechnen. Auch im Bund büßt die Union einen Punkt ein auf nunmehr 30 Prozent.