Investing.com - Italien ist ein kranker Patient, der ohne Hilfe von außen wohl nicht mehr auf die Beine kommt. Das wissen wir aber nicht erst seit dem Haushaltsstreit zwischen Rom und Brüssel am Ende des letzten Jahres, wo die EU in letzter Minute auf disziplinarische Schritte verzichtete.
Mit 2,3 Billionen Euro steht Italien bei seinen Gläubigern in der Kreide. Das entspricht mehr als 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - das ist eine der höchsten Staatsverschuldungen auf der ganzen Welt.
Wann die EZB die Zinswende einleitet, ist zwar Stand heute noch ungewiss, aber irgendwann ist es soweit. In der Folge werden die Zinsen und die Risikoaufschläge für italienische Zinspapiere wieder die Oktoberhochs des vergangenen Jahres anpeilen und dann ist die drittgrößte Wirtschaft der Eurozone der erste Rettungskandidat.
Aber auch das Abflauen der Konjunktur in Italien und ganz Europa wird früher oder später für Turbulenzen sorgen. Spätestens dann drohen auch andere Kreditnehmer über den Jordan zu gehen, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen könnten unter der hohen Zinslast begraben werden.
Im großen Kontext ist das Ganze gefährlich für Italien und für die EU und damit auch für den Euro, zumal die europäischen Großbanken auf einem riesigen Berg an Krediten aus Italien sitzen. Das macht die Geldhäuser im Falle von Turbulenzen in Italien stark anfällig.
Nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg sitzen die Banken in Rom und Mailand auch zehn Jahre nach der schweren Finanzkrise zusammen auf einem gigantischen Schuldenberg von 1,5 Milliarden Euro öffentlicher Kredite. Die wichtigsten Banken in Europa halten sowohl staatliche als auch private Schulden aus Italien in Höhe von 425 Milliarden Euro.
Aus einer Analyse von Bloomberg basierend auf den Daten der unabhängigen Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) sitzen französische Banken auf dem größten Schuldenberg italienischer Staatsschulden: BNP Paribas (DE:BNPP) (143,2 Milliarden Euro), Crédit Agricole (DE:CAGR) (91,2 Milliarden Euro) und die Société Générale (PA:SOGN) (21,2 Milliarden Euro) sind dabei die größten Gläubiger.
In den Bilanzen der deutschen Bankhäusern stehen 58,7 Milliarden Euro an Krediten aus Italien. Die Deutsche Bank (DE:DBKGn) kommt demnach auf 29,6 Milliarden Euro, die Commerzbank (DE:CBKG) auf 12,4 Milliarden Euro. Das mag auf dem ersten Blick gering erscheinen. Wegen der aber ohnehin schon geringen Profitabilität der beiden Finanzinstitute könnten sie im Falle eines Krisenszenarios wie Dominosteine umfallen und erneut mit Milliarden an Steuergeldern staatlich gerettet werden.
In Belgien hält das Institut Dexia (F:DXBA) insgesamt 23,1 Milliarden Euro italienische Schulden, während in Spanien die BBVA (MC:BBVA) mit 21,4 Milliarden Euro auf der größten Menge italienischer Staatsanleihen sitzt. Sabadell (MC:SABE) kommt auf 6 Milliarden Euro und Abanca auf 2,3 Milliarden Euro.
Einen großen Brocken italienischer Anleihen hält auch die britische Großbank Barclays (LON:BARC) mit ingesamt 17,4 Milliarden Euro.
Nun ist Italiens Wirtschaft im vierten Quartal zum zweiten Mal in Folge in eine Rezession gerutscht. Grund dafür war unter anderem der Streit zwischen der populistischen Regierung in Rom und Brüssel über den Haushalt 2019. Die Risikoprämie für italienische Papiere ging damals durch die Decke und belastete insbesondere italienische Banken, was die Kreditvergabe einschränkte und die Konjunktur belastete.
Noch haben die Finanzmärkte keine große Reaktion gezeigt, aber das Tauziehen um einen Haushalt im Herbst zeigte, wie schnell sich der Wind drehen kann. Und wenn die Finanzmärkte nach Süden drehen sollten, dann weiß niemand, wann der Zug wieder stoppt.
Experten glauben, dass es für einige italienische Banken schon ab einem Renditespread zu deutschen Staatsanleihen von 3,5 bis 3,8 Prozentpunkten eng werden könnte. Aktuell liegen wir zwar nur bei 2,6 Prozentpunkten, aber damit immer noch so hoch wie im Mai 2013.
Vor allem der Mix aus einer populistischen Regierung in Italien und dem gigantischen Schuldenberg macht die aktuelle Situation so brandgefährlich.
Für Bloomberg ist das Schicksal der italienischen Regierung und Banken eng miteinander verwoben. "Eine Regierungskrise könnte das Bankensystem weiter belasten, oder eine Bankenkrise die Regierung ausradieren".
Ohne wirtschaftliche als auch politische Reformen in Italien, um die Ketten des festgefahrenen politischen Systems zu lösen, wird Italien seine Probleme wohl nie in den Griff bekommen.
Für den italienischen Ökonom Mario Seminerio ist daher die Zündung einer Zeitbombe vorprogrammiert: "Das Etatgesetz ist eine Zeitbombe, deren Zündung für 2020 programmiert ist."
In die gleiche Kerbe schlug Mitte Januar EU-Kommissionsvizechef Valdis Dombrovkis, der vor neuen Problemen warnte. So habe Italien zwar "eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um das Haushaltsdefizit im Jahr 2019 zu reduzieren. In der Tat aber verschiebt ein Großteil dieser Maßnahmen lediglich den Zeitpunkt des Inkrafttretens der expansiven fiskalischen Maßnahmen". Für 2020 erwarte er einen "negativen fiskalischen Effekt" und ein "großes Problem mit dem Budget".
Wahrscheinlich kommt es am Ende wieder auf die EZB an, die Währungsunion funktionstüchtig zu halten. Schließlich hat die Zentralbank das übergeordnete Ziel, den Euro zu erhalten und dafür alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, solange das eigentliche Ziel der Preisstabilität erreicht wird.
Wie Mario Draghi aber einst als Gouverneur der Banca d’Italia sagte: "Es ist wichtig, dass wir alle einsehen, dass die Rettung und Wiederbelebung der Wirtschaft nur von den Italienern selbst kommen kann. Ein von Alessandro Manzoni festgestellter atavistischer Reflex besteht darin, zu warten, bis eine Initiative von jenseits der Alpen unsere Probleme löst. Wie in anderen Momenten unserer Geschichte liegen die Dinge heute nicht so. Es ist wichtig, dass sich die Bürger dessen bewusst sind. Es wäre eine tragische Illusion, zu glauben, erfolgreiche Interventionen könnten von außen kommen."
Sollte die Schuldenbombe in Italien platzen, droht dem europäischen Bankensystem und damit der Währungsunion das Garaus, sofern die EZB vorher nicht interveniert. Daher ist es ratsam einen kleinen Bestand an Gold und Silber zu halten.
Denken Sie daran: Italien ist ein Wal, Griechenland war nur eine kleine Sardine.
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von Robert Zach