- von Gernot Heller und Rene Wagner und Klaus Lauer
Berlin (Reuters) - Im Sog einer schwächeren Weltwirtschaft wird auch Deutschland die Folgen des von den USA angezettelten Handelsstreits stärker zu spüren bekommen.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) kappte am Dienstag angesichts dieser und weiterer Risiken wie dem Brexit seine Wachstumsprognosen. So dürfte Europas größte Volkswirtschaft 2018 und 2019 jeweils nur noch um 1,9 Prozent zulegen. Damit würden 0,3 beziehungsweise 0,2 Prozentpunkte weniger herausspringen als bislang geschätzt.
Dazu passt, dass in Deutschland der lange Zeit als Wachstumstreiber fungierende Export inzwischen deutlich an Fahrt verliert. Die Firmen lieferten im August 0,1 Prozent weniger ins Ausland als im Vormonat und mussten damit überraschend ein Minus wegstecken. "Der Export dümpelt vor sich hin", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Mit Blick auf den Zollstreit zwischen den USA und China fügte er hinzu: "Und das dicke Ende kommt wohl erst noch."
Nach zuletzt ebenfalls schwachen Produktionsdaten äußerte sich DekaBank-Experte Andreas Scheuerle ähnlich skeptisch: "Es läuft derzeit nicht rund für die deutsche Konjunktur." Im dritten Quartal dürfte die Wirtschaft wohl nur noch um 0,1 Prozent zugelegt haben, nach 0,5 Prozent im Frühjahr. Der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts IMK, Gustav Horn, sieht den Aufschwung dennoch intakt: "Und wir haben gute Aussichten darauf, dass er der längste im vereinigten Deutschland wird."
Diese Stabilität beruhe darauf, dass die Abhängigkeit vom Außenhandel nicht mehr so hoch sei wie noch vor einem Jahrzehnt. "Deutschland ist weiterhin exportorientiert, aber es ist nicht mehr die Fahne im Wind der Weltkonjunktur." Der IWF sieht auch die Aussichten für die globale Wirtschaft nicht mehr so rosig: Der Fonds senkte seine Vorhersage am Dienstag um jeweils 0,2 Prozentpunkte auf 3,7 Prozent in diesem und im nächsten Jahr. Der Welthandel werde in diesem Jahr mit 4,2 Prozent um 0,6 Prozentpunkte und im nächsten mit vier Prozent um 0,5 Prozentpunkte weniger stark ansteigen als bisher erwartet.
"HORRORSZENARIO" HARTER BREXIT
Die Weltwirtschaft wird laut IWF damit das Wachstumstempo des Jahres 2017 zwar halten: "Zugleich ist die Expansion aber unausgewogener geworden und dürfte in einigen wichtigen Volkswirtschaften den Höhepunkt überschritten haben." Die größte Belastung seien die Handelskonflikte, allen voran der Streit USA/China. Die beiden weltgrößten Volkswirtschaften überziehen sich seit Monaten mit Straf- und Vergeltungszöllen auf Waren im Wert von hunderten Milliarden Dollar. An den Märkten schürte das Sorgen vor einem Handelskrieg, der weltweit zu wirtschaftlichen Turbulenzen führen könnte.
Den Stein ins Rollen gebracht hatte US-Präsident Donald Trump, der China Marktabschottung, unfaire Beihilfen für die eigene Wirtschaft und Technologiediebstahl vorwarf. Trump liegt auch mit anderen Wirtschaftsregionen beim Thema Handel über Kreuz, unter anderem mit der EU.
Laut IWF kommen zu den konjunkturellen Risiken durch den Handelskonflikt auch weitere Unsicherheiten hinzu - etwa der 2019 anstehende EU-Ausstieg Großbritanniens. Sollten die Briten die EU ohne Freihandelsabkommen verlassen, würden auf die hiesigen Firmen Zölle von mehr als drei Milliarden Euro jährlich zukommen, hieß es in einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
Besonders die Autoindustrie dürfte leiden: Auf sie würden rund 60 Prozent der deutschen Mehrkosten entfallen. Auf lange Sicht dürfte die Wirtschaft jedoch reagieren, also etwa die Preise anheben und Warenströme verlagern. "Dieses Horrorszenario sollte die Politik zum konstruktiven Handeln antreiben", sagt IW-Wissenschaftler Markos Jung. Rund fünf Prozent des deutschen BIP würden direkt und indirekt am Handel mit den Briten hängen. Das Königreich ist laut Statistischem Bundesamt 2017 der fünftgrößte Handelspartner Deutschlands gewesen - nach China, den Niederlanden, USA und Frankreich.