- von Dhara Ranasinghe und Frank Siebelt und Hakan Ersen
London/Frankfurt (Reuters) - Eigentlich müssten Anleihe-Investoren wegen Italien hypernervös sein.
Das Land hat nach Griechenland die zweithöchste Staatsverschuldung im Euro-Raum aufgetürmt und nach der Parlamentswahl droht eine politische Hängepartie. Zudem zeichnet sich langsam ein Ende der ultralockeren EZB-Geldpolitik ab. Doch von Börsen-Unruhe keine Spur: Die Renditen italienischer Anleihen sind nach der Wahl sogar gesunken und damit auch die Kosten für Italien. Experten verweisen darauf, dass die Euro-Notenbank nach einem Ende ihrer billionenschweren Anleihenkäufe weiter im Markt präsent sein wird und somit als Stabilitätsfaktor dient. Zudem greifen Investoren aus Asien bei den Staatstiteln beherzt zu. Sie lockt die starke Euro-Zonen-Konjunktur. Der Dollar-Anstieg macht für sie Investitionen in US-Papiere unattraktiver.
In den vergangenen drei Wochen war die Rendite der zehnjährigen italienischen Bonds auf rund 1,9 von knapp 2,2 Prozent gefallen. Der für Anleger wichtige Renditeaufschlag (Spread) zu den vergleichbaren Bundesanleihen liegt ebenfalls niedriger als vor der Parlamentswahl Anfang März. Bei dem Urnengang hatte keines der großen politischen Lager eine klare Mehrheit erringen können.
Einer der Gründe für die Gelassenheit an den Märkten ist Volkswirten zufolge die Erwartung, dass die Zinsen in der Euro-Zone nur sehr langsam steigen werden. Das werde Italien verkraften können. Für Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise geht daher momentan von dem Mittelmeerland wenig Krisenpotenzial aus. "Ich würde nicht sagen, dass Italien das größte Risiko ist", sagte er unlängst in Frankfurt. Die Europäische Zentralbank (EZB) solle sich daher auch nicht von Italien von einer Normalisierung ihrer Geldpolitik abhalten lassen.
REINVESTITIONEN STÜTZEN
Aktuell wird an den Börsen damit gerechnet, dass die EZB ihr billionenschweres Anleihekauf-Programm bis Jahresende einstellt. Aber die Gelder aus auslaufenden Papieren sollen laut EZB bis auf weiteres wieder in Anleihen investiert werden. Eine erste Anhebung von Schlüsselzinsen erwarten Börsianer frühestens im zweiten Quartal 2019. Schätzungen zufolge halten die Währungshüter bereits rund 28 Prozent aller ausstehenden italienischen Staatsanleihen. Die relativ niedrigen Renditen italienischer Papiere sind nach Einschätzung mancher Experten eine Folge dieser Transaktionen.
"Wenn sie die Käufe beenden, werden sie ein Drittel aller italienischen Titel besitzen und bei Fälligkeit werden sie reinvestieren. Für mich ist der Bestand ein ganz starkes Argument", sagt Portfolio-Manager Roberto Coronado vom Vermögensverwalter PineBridge. Ähnlich argumentierte zuletzt auch EZB-Direktor Benoit Coeure. Wegen des inzwischen sehr hohen Bestandes an erworbenen Anleihen, sinke die Gefahr von unerwünschten Renditeausschlägen. Die Bilanzsumme der EZB ist durch die massiven Käufe inzwischen auf rund 4,5 Billionen Euro angeschwollen.
Manche Investoren trauen der Ruhe an den Anleihenmärkten dennoch nicht. Aus ihrer Sicht rücken mit dem nahenden Ende der Käufe automatisch die einzelnen Länderrisiken wieder stärker in den Fokus. Und dies wirke sich auch auf die Anleihe-Zinsen aus. "Italiens hohe Verschuldung, die instabile politische Lage und dass die Reformen nicht denen in Spanien und Portugal folgten sind die Gründe, warum Italien auf dem Radarschirm ist," sagt etwa Chef-Investmentmanager Francois Savary vom Vermögensverwalter Prime Partners. Im Jahr 2019 bewegten sich die Anleihenmärkte wieder in Richtung Normalität. "Und das bedeutet größere Anleihe-Spreads."