London (Reuters) - In den schleppenden Brexit-Verhandlungen ist Irland zu zeitlichen Zugeständnissen an seinen Nachbarn Großbritannien bereit.
"Wenn Großbritannien um mehr Zeit bittet, und wenn das für ein vernünftiges Abkommen notwendig ist, nun, dann würden wir das unterstützen", sagte der irische Außenminister Simon Coveney am Mittwoch der BBC. Derzeit werde außerdem zu viel über die möglichen negativen Folgen eines EU-Austritts ohne Abkommen mit der EU gesprochen. Bundesaußenminister Heiko Maas hält dagegen den Zeitdruck auf die Briten aufrecht. "Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, es ist schon zwei vor zwölf", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Regierung in London müsse sich bewegen.
Irland gilt auf EU-Seite als Schlüsselstaat in den Brexit-Gesprächen, weil es wegen seiner wirtschaftlichen Verflechtung mit Großbritannien und der Landgrenze zum britischen Nordirland besonders betroffen ist. Coveney sagte, es sei noch möglich, im jetzigen Zeitplan bis Ende März zu einer Vereinbarung zu kommen. Aber dafür seien intensivere Verhandlungen zwischen der britischen Regierung und der EU nötig. Nach Ansicht der EU müssen die Brexit-Verhandlungen bis Oktober abgeschlossen sein, damit genug Zeit zur Ratifizierung des Abkommens bleibt.
Laut Artikel 50 der EU-Verträge beträgt die Frist zwei Jahre, in denen ein Vertrag über die Bedingungen des Austritts eines Landes festgelegt werden können. Im Falle Großbritanniens ist der Stichtag der 29. März 2019. Die Frist kann nur verlängert werden, wenn im Europäischen Rat alle 27 verbleibenden EU-Staaten und Großbritannien dem zustimmen.
Coveney kritisierte, zurzeit liege der Fokus zu stark auf den möglichen negativen Folgen eines "No-Deal"-Brexit. Klar sei, dass ein ungeordneter EU-Austritt für Großbritannien und natürlich auch für Irland eine schlecht wäre. Man müsse sich zwar für alle Eventualitäten vorbereiten: "Aber ich glaube nicht, dass das ein wahrscheinliches Szenario ist."
MAAS: KEINE "ROSINENPICKEREI"
Maas sagte dagegen, der Zeitdruck für Fortschritte sei groß. Großbritannien müsse sich bewegen, "damit sich der Austritt so geregelt wie möglich vollzieht". Neben der Grenzfrage zwischen Irland und Nordirland ist vor allem unklar, wie sich die Handelsbeziehungen künftig gestalten. Maas sagte, es gehe um einen "ungeteilten Binnenmarkt, wo sich die Briten nicht einzelne Rosinen herauspicken können". Wegen der stockenden Gespräche macht die britische Premierministerin Theresa May die Gespräche mit der EU-Kommission zur Chefsache.
Die britische Finanzbranche wird nach Einschätzung ihrer Lobbyvereinigung den Brexit weitgehend unbeschadet überstehen. "Ich glaube nicht, dass der Finanzplatz London langfristig irreparablen Schaden nehmen wird", sagte der Verwaltungsratschef der britischen Großbank Barclays (LON:BARC), John McFarlane, der Nachrichtenagentur Reuters in seiner Eigenschaft als Chef der Finanzlobby "The CityUK". London werde der wichtigste Finanzplatz in Europa bleiben. McFarlane zeigte sich zuversichtlich, dass May einen ungeordneten Brexit ohne Abkommen vermeiden könne. Die britische Regierung müsse bei den EU-Austritts-Verhandlungen aber aufs Tempo drücken.