London/Brüssel (Reuters) - Wenige Tage vor dem nächsten EU-Gipfel zeichnet sich noch immer kein Durchbruch in den festgefahrenen Brexit-Verhandlungen ab.
In Großbritannien erhielt die Forderung nach einem weiteren Referendum über den geplanten Austritt aus der Europäischen Union am Wochenende prominente Unterstützung: Der Bürgermeister der Hauptstadt London, Sadiq Khan, schloss sich in einem Gastbeitrag für den "Observer" der Bewegung für eine neuerliche Abstimmung an. Premierministerin Theresa May hielt dagegen an ihren Austrittsplänen fest und kämpfte weiter mit Gegenwind aus ihrer eigenen Partei. Sie hat ein zweites Referendum wiederholt ausgeschlossen.
Ende der Woche berät May mit den Staats- und Regierungschefs der 27 anderen EU-Staaten in Salzburg über den Stand der Dinge. In den Verhandlungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich über die Bedingungen des Austritts gab es EU-Diplomaten zufolge keine signifikanten Fortschritte.
"Nichts hat sich getan. Ich weiß nicht, woher der Optimismus kommt", sagte ein mit dem Verhandlungsstand vertrauter hochrangiger EU-Diplomat mit Blick auf den Kursanstieg des britischen Pfunds in den vergangenen Wochen. Ein anderer EU-Diplomat sagte, dass das Risiko eines ungeordneten Brexit ohne Austrittsabkommen unverändert bestehen bleibe. "Die größte Gefahr ist ein politischer Stillstand in Großbritannien", sagte er. In den Verhandlungen gilt der Umgang mit der Landgrenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland als größtes Problem.
Einer von Mays größten innerparteilichen Widersachern, Ex-Außenminister Boris Johnson, beteuerte dem "Daily Telegraph" zufolge bei einer Veranstaltung in Washington, ihm gehe es nicht um den Sturz der Premierministerin. Er wolle aber, dass sie ihre Brexit-Pläne, die ein gewisses Maß der Bindung an die EU auch nach dem Austritt vorsehen, aufgebe. May wiederholte am Sonntag, dass sie an ihren Austrittsplänen festhalte und "ein kleines bisschen irritiert" sei wegen anhaltender Spekulationen über ihre Position.
Londons Bürgermeister Kahn schrieb in seinem Gastbeitrag, die Konsequenzen für Arbeitsplätze, die Wirtschaftsentwicklung und den Lebensstandard der Briten seien zu groß, als dass eine Brexit-Entscheidung ohne neuerliche Befragung der Bevölkerung getroffen werden könne. Daher müsse es ein Referendum geben sowohl über ein Brexit-Abkommen mit der EU als auch für den Fall, dass kein Abkommen zustande komme und ein ungeregelter Brexit drohe. Khan gehört der Labour-Partei an, deren Chef Jeremy Corbyn ein erneutes Referendum bisher ausgeschlossen hat. Das Finanzzentrum London ist von den Folgen eines Brexits besonders stark betroffen. Einer vor kurzem veröffentlichten Umfrage zufolge hat New York die britische Metropole als weltweit attraktivstes Finanzzentrum bereits überholt.
Großbritannien will Ende März 2019 der Europäischen Union den Rücken kehren. Bis dahin muss ein Austrittsabkommen unter Dach und Fach sein. Geplant ist eine Einigung bis Ende Oktober oder spätestens im November. Seit der Brexit-Entscheidung haben viele Banken Jobs aus London verlagert. Damit wollen sie erreichen, dass sie weiterhin wichtige Dienstleistungen für EU-Kunden erbringen können und den Zugang zum EU-Finanzmarkt nicht verlieren. 2018-09-16T142221Z_1_LYNXNPEE8F0GI_RTROPTP_1_BRITAIN-EU-KHAN.JPG