Wien/Frankfurt (Reuters) - Die EZB wird nach Einschätzung ihres Ratsmitglieds Ewald Nowotny wohl ab Anfang 2018 von ihrer ultralockeren Geldpolitik abrücken.
"Ich gehe davon aus, dass wir mit Beginn des kommenden Jahres in eine vorsichtige Geschwindigkeitsverringerung übergehen", sagte Nowotny dem Magazin "Trend" laut Vorab-Bericht. Mit Bundesbankchef Jens Weidmann stimme er darin überein, dass es nicht darum gehe, abrupt zu bremsen. "Das wäre gefährlich." Vielmehr müsse überlegt werden, wie der Fuß vom Gaspedal genommen werde. Den Protokollen der EZB-Zinssitzung vom 7. September zufolge besprachen die Währungshüter auf dem Treffen bereits mögliche Szenarien für die Zukunft ihrer umstrittenen Anleihenkäufe.
Die EZB hält schon seit längerem ihren Leitzins auf dem Rekordtief von Null Prozent. Zudem erwerben die Euro-Wächter seit März 2015 in großem Stil Staatsanleihen und andere Wertpapiere, um Banken zur stärkeren Vergabe von Krediten an Firmen und Haushalte zu bewegen. Das Programm soll noch bis Ende dieses Jahres laufen und dann eine Volumen von 2,28 Billionen Euro erreichen. Aktuell erwerben die Währungshüter Wertpapiere im monatlichen Volumen von 60 Milliarden Euro.
Aus den Protokollen der jüngsten Zinssitzung geht hervor, dass der EZB-Rat unter anderem bereits die Vorteile verschiedener Szenarien für eine Anpassung der Käufe ab 2018 auslotete. Dabei wurden die Vorschläge inbesondere hinsichtlich der Stellschrauben Laufzeit und monatliches Kaufvolumen abgeklopft, wie aus der Mitschrift hervorgeht. Szenarien mit einer längeren Laufzeit und einer größeren Verringerung des monatlichen Kaufvolumens wurden dabei solchen Vorschlägen gegenübergestellt, in denen von einer kürzeren Laufzeit aber mit größeren monatlichen Kaufvolumina ausgegangen wird.
Die meisten Experten gehen davon aus, dass die EZB das Programm ab Januar 2018 zurückfahren wird. Früheren Angaben von Insidern zufolge stehen Szenarien für eine Reduzierung der Monatskäufe ab Januar auf 40 oder 20 Milliarden Euro im Raum. Die Optionen hätten zudem Verlängerungen der Transaktionen um sechs oder um neun Monate enthalten. Auf dem Zinstreffen im September hatte Euro-Notenbank wegen der kräftigen Aufwertung des Euro die Füße noch still gehalten. Die Protokolle zur Sitzung geben wieder, wie besorgt die Ratsmitglieder über den Kursanstieg waren. EZB-Präsident Mario Draghi hatte aber signalisiert, dass nun der Großteil der Entscheidungen wahrscheinlich im Oktober fallen wird.
Österreichs Notenbank-Gouverneur Nowotny sieht in dem Kaufprogramm den Erwerb bestimmter Unternehmensanleihen - darunter von großen Glücksspielkonzernen, Ölfirmen und Industriegiganten - kritisch. Der Ankauf solcher Anleihen könne tatsächlich verzerrende Effekte haben, sagte er. "Ich bin dafür, dass wir diesen Bereich künftig nicht mehr ins Programm aufnehmen". Eine gewisse Problematik sieht er darin, dass in Folge der langewährenden ultralockeren Geldpolitik Pensionskassen, Versicherungen und Private-Equity-Firmen auf der Suche nach Renditen zu hohe Risiken eingehen könnten. Dass die Politik des billigen Geldes Verwerfungen am Markt erzeugen und damit zur nächsten Blase führen könnte, sei etwas, worauf man aufpassen müsse. "In den USA sehen wir am Aktienmarkt Anzeichen von sehr hohen Kurs-Gewinn-Verhältnissen und damit eine erhöhte Gefahr für abrupte Abstürze". In Europa sei eine generelle Überbewertung der Aktienmärkte hingegen noch nicht zu sehen.