BERLINER MORGENPOST: Auch Deutschland lebt über seine Verhältnisse -
Leitartikel
Berlin (ots) - Deutschland wähnt sich in der Euro-Krise als Insel
der Seligen. Während Italiener, Spanier und Griechen in einem Meer
von Schulden versinken und von den Märkten mit immer höheren Zinsen
bestraft werden, bekommt die Bundesrepublik neues Geld fast umsonst.
Noch nie waren die Renditen für deutsche Staatsanleihen niedriger als
heute. Doch wer daraus den Schluss zieht, hierzulande wirtschafte der
Staat grundsolide, der täuscht sich. Obwohl die Konjunktur seit nun
mehr zwei Jahren blendend läuft, türmt Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble neue Schulden auf. Im kommenden Jahr soll die
Neuverschuldung sogar höher ausfallen als im laufenden Jahr. Der
Mann, der sich gerne als hartleibiger Sparkommissar geriert, ist
allzu nachgiebig, wenn Kabinettskollegen mehr Geld fordern.
Deutschland ist innerhalb der Euro-Zone der letzte Stabilitätsanker.
Daraus erwächst die Verpflichtung, einen hohen Maßstab für solide
Staatsfinanzen zu setzen. Doch wer selbst in diesen (noch) guten
Zeiten nur sehr zögerlich seinen Haushalt konsolidiert, gibt kein
leuchtendes Beispiel ab. Dass von dem Sparpaket - das die
Koalitionäre im vergangenen Jahr stolz präsentiert hatten - ein
Großteil bis heute nicht umgesetzt wurde, zeigt, dass auch
hierzulande die Politik lieber Geld ausgibt als konsequent den Etat
zu sanieren. Die Bundesregierung kann nicht Athen, Rom und Madrid
harte Sparauflagen verordnen, selbst aber weiterhin völlig ungeniert
über ihre Verhältnisse leben. Schon jetzt ist absehbar, dass die
kommenden Jahre für Schäuble schwieriger werden. Das
Wirtschaftswachstum schwächt sich ab, entsprechend werden die
Steuereinnahmen nicht mehr so üppig sein wie zuletzt. Überdies
ergeben sich infolge der europäischen Schuldenkrise und der
gigantischen Haftungsrisiken, die Deutschland übernommen hat, enorme
Unsicherheiten für die hiesigen Staatsfinanzen. Noch ist keineswegs
sicher, dass die Regeln der Schuldenbremse in den kommenden Jahren
eingehalten werden können. Es wäre der GAU, sollten die Deutschen an
dieser Herausforderung scheitern. Denn dann sind alle Versuche,
ähnlich strenge Haushaltsregeln in sämtlichen Euro-Ländern in die
Verfassung zu schreiben, von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Noch winden sich die Schuldensünder in Südeuropa und hoffen darauf,
dass sie um jahrelange unpopuläre Reformprogramme herumkommen. Der
Ruf nach gemeinsamen Staatsanleihen aller Euro-Länder zielt darauf
ab, auch künftig möglichst billig an Kredite zu kommen. Doch dies
wäre der falsche Weg. Eine Schuldenkrise kann man nicht wirksam mit
immer neuen Schulden bekämpfen. Die Bundesregierung wirbt zu Recht
dafür, dass sich der verlotterte Euro-Club zur Stabilitätsunion
entwickelt. Nur so wird die gemeinsame Währung auf Dauer Vertrauen
genießen. Nicht bloß die anderen, auch Berlin muss dringend mehr
Ehrgeiz bei der Haushaltssanierung entwickeln. Das ist der deutsche
Finanzminister nicht nur seinen europäischen Partnern schuldig, die
auf die Solidität der stärksten Wirtschaftsnation des Kontinents
bauen. Sondern auch unseren Kindern und Kindeskindern.
Originaltext: BERLINER MORGENPOST
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BERLINER MORGENPOST
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Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
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Berlin (ots) - Deutschland wähnt sich in der Euro-Krise als Insel
der Seligen. Während Italiener, Spanier und Griechen in einem Meer
von Schulden versinken und von den Märkten mit immer höheren Zinsen
bestraft werden, bekommt die Bundesrepublik neues Geld fast umsonst.
Noch nie waren die Renditen für deutsche Staatsanleihen niedriger als
heute. Doch wer daraus den Schluss zieht, hierzulande wirtschafte der
Staat grundsolide, der täuscht sich. Obwohl die Konjunktur seit nun
mehr zwei Jahren blendend läuft, türmt Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble neue Schulden auf. Im kommenden Jahr soll die
Neuverschuldung sogar höher ausfallen als im laufenden Jahr. Der
Mann, der sich gerne als hartleibiger Sparkommissar geriert, ist
allzu nachgiebig, wenn Kabinettskollegen mehr Geld fordern.
Deutschland ist innerhalb der Euro-Zone der letzte Stabilitätsanker.
Daraus erwächst die Verpflichtung, einen hohen Maßstab für solide
Staatsfinanzen zu setzen. Doch wer selbst in diesen (noch) guten
Zeiten nur sehr zögerlich seinen Haushalt konsolidiert, gibt kein
leuchtendes Beispiel ab. Dass von dem Sparpaket - das die
Koalitionäre im vergangenen Jahr stolz präsentiert hatten - ein
Großteil bis heute nicht umgesetzt wurde, zeigt, dass auch
hierzulande die Politik lieber Geld ausgibt als konsequent den Etat
zu sanieren. Die Bundesregierung kann nicht Athen, Rom und Madrid
harte Sparauflagen verordnen, selbst aber weiterhin völlig ungeniert
über ihre Verhältnisse leben. Schon jetzt ist absehbar, dass die
kommenden Jahre für Schäuble schwieriger werden. Das
Wirtschaftswachstum schwächt sich ab, entsprechend werden die
Steuereinnahmen nicht mehr so üppig sein wie zuletzt. Überdies
ergeben sich infolge der europäischen Schuldenkrise und der
gigantischen Haftungsrisiken, die Deutschland übernommen hat, enorme
Unsicherheiten für die hiesigen Staatsfinanzen. Noch ist keineswegs
sicher, dass die Regeln der Schuldenbremse in den kommenden Jahren
eingehalten werden können. Es wäre der GAU, sollten die Deutschen an
dieser Herausforderung scheitern. Denn dann sind alle Versuche,
ähnlich strenge Haushaltsregeln in sämtlichen Euro-Ländern in die
Verfassung zu schreiben, von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Noch winden sich die Schuldensünder in Südeuropa und hoffen darauf,
dass sie um jahrelange unpopuläre Reformprogramme herumkommen. Der
Ruf nach gemeinsamen Staatsanleihen aller Euro-Länder zielt darauf
ab, auch künftig möglichst billig an Kredite zu kommen. Doch dies
wäre der falsche Weg. Eine Schuldenkrise kann man nicht wirksam mit
immer neuen Schulden bekämpfen. Die Bundesregierung wirbt zu Recht
dafür, dass sich der verlotterte Euro-Club zur Stabilitätsunion
entwickelt. Nur so wird die gemeinsame Währung auf Dauer Vertrauen
genießen. Nicht bloß die anderen, auch Berlin muss dringend mehr
Ehrgeiz bei der Haushaltssanierung entwickeln. Das ist der deutsche
Finanzminister nicht nur seinen europäischen Partnern schuldig, die
auf die Solidität der stärksten Wirtschaftsnation des Kontinents
bauen. Sondern auch unseren Kindern und Kindeskindern.
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