Börsen-Zeitung: Griechisch Roulette, Kommentar zur Erhöhung des Drucks
auf Griechenland durch EU und IWF, von Detlef Fechtner
Frankfurt (ots) - Ist das nicht merkwürdig? Urplötzlich sind
Europas Finanzminister ungemein streng mit den Griechen. Nicht nur,
dass sie umgehend zusätzliche Spar- und Reformmaßnahmen verlangen.
Sondern auch, dass sie den Deal über den Forderungsverzicht nicht
akzeptieren, auf den sich die Griechen mit ihren privaten Gläubigern
verständigen wollten. Auf einmal pochen Juncker, Schäuble und
Kollegen darauf, dass die Griechen einen Zins von deutlich weniger
als 4% verabreden, um sich nicht zu schwere Lasten aufzubürden.
Ein Schelm, wer dabei an den IWF denkt. Einiges spricht dafür,
dass die Europäer eigentlich gerne ein Auge zuzudrücken bereit wären,
wenn es um den Ausblick für Griechenlands Rückkehr in eine tragfähige
Finanzpolitik geht. Ginge es nämlich nur nach den Europäern, würden
die bestimmt sagen: Ach, den Abbau der Schuldenquote bis 2020 auf
120% werdet Ihr bestimmt schon hinbekommen, selbst mit 4% Zinsen.
Aber es sind nun einmal nicht die EU-Beamten allein, die
beurteilen müssen, ob die Anstrengungen in Griechenland reichen und
die Zinsen niedrig genug sind. Darüber hat vielmehr auch der
Internationale Währungsfonds und die Europäische Zentralbank
mitzuentscheiden. Und zumindest der IWF, so verlautet in Brüssel,
verliere langsam, aber sicher die Geduld mit den Krisen-Griechen.
Gewiss mag es dafür sogar einige plausible Gründe geben. Selbst
Diplomaten, die ganz sicher nicht im Verdacht stehen, die Lage in
Hellas absichtlich zu dramatisieren, sprechen von einem 'Mangel an
Staatlichkeit' - ein vernichtendes Urteil, weil damit die
Reformfähigkeit insgesamt angezweifelt wird.
Allein, die Strategie, den Druck immer aufs Neue zu erhöhen, ist
gefährlich. Die Wette darauf, dass am Ende ja doch weder die Griechen
noch deren Gläubiger das explosive Experiment eines verordneten
Schuldenschnitts oder einer ungeordneten Pleite eingehen wollen und
deshalb irgendwann noch mehr Zugeständnisse machen, ist gewagt. Sich
darauf zu verlassen, heißt Griechisch Roulette zu spielen.
Europa scheint erstmals seit Langem eine Chance zu haben, die
Staatsschuldenkrise in den Griff zu bekommen. Nicht kurzfristig und
nicht ohne Rückschläge, aber doch auf Sicht. Das kann aber nur
gelingen, wenn es Euro-Regierungen und der IWF endlich schaffen, eine
Verständigung darüber zu erzielen, wie mit Griechenland umgegangen
wird. Ein Zerwürfnis in der Troika könnte weitreichende Folgen haben
und eine neue Eskalation der Krise provozieren.
(Börsen-Zeitung, 25.1.2012)
Originaltext: Börsen-Zeitung
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Frankfurt (ots) - Ist das nicht merkwürdig? Urplötzlich sind
Europas Finanzminister ungemein streng mit den Griechen. Nicht nur,
dass sie umgehend zusätzliche Spar- und Reformmaßnahmen verlangen.
Sondern auch, dass sie den Deal über den Forderungsverzicht nicht
akzeptieren, auf den sich die Griechen mit ihren privaten Gläubigern
verständigen wollten. Auf einmal pochen Juncker, Schäuble und
Kollegen darauf, dass die Griechen einen Zins von deutlich weniger
als 4% verabreden, um sich nicht zu schwere Lasten aufzubürden.
Ein Schelm, wer dabei an den IWF denkt. Einiges spricht dafür,
dass die Europäer eigentlich gerne ein Auge zuzudrücken bereit wären,
wenn es um den Ausblick für Griechenlands Rückkehr in eine tragfähige
Finanzpolitik geht. Ginge es nämlich nur nach den Europäern, würden
die bestimmt sagen: Ach, den Abbau der Schuldenquote bis 2020 auf
120% werdet Ihr bestimmt schon hinbekommen, selbst mit 4% Zinsen.
Aber es sind nun einmal nicht die EU-Beamten allein, die
beurteilen müssen, ob die Anstrengungen in Griechenland reichen und
die Zinsen niedrig genug sind. Darüber hat vielmehr auch der
Internationale Währungsfonds und die Europäische Zentralbank
mitzuentscheiden. Und zumindest der IWF, so verlautet in Brüssel,
verliere langsam, aber sicher die Geduld mit den Krisen-Griechen.
Gewiss mag es dafür sogar einige plausible Gründe geben. Selbst
Diplomaten, die ganz sicher nicht im Verdacht stehen, die Lage in
Hellas absichtlich zu dramatisieren, sprechen von einem 'Mangel an
Staatlichkeit' - ein vernichtendes Urteil, weil damit die
Reformfähigkeit insgesamt angezweifelt wird.
Allein, die Strategie, den Druck immer aufs Neue zu erhöhen, ist
gefährlich. Die Wette darauf, dass am Ende ja doch weder die Griechen
noch deren Gläubiger das explosive Experiment eines verordneten
Schuldenschnitts oder einer ungeordneten Pleite eingehen wollen und
deshalb irgendwann noch mehr Zugeständnisse machen, ist gewagt. Sich
darauf zu verlassen, heißt Griechisch Roulette zu spielen.
Europa scheint erstmals seit Langem eine Chance zu haben, die
Staatsschuldenkrise in den Griff zu bekommen. Nicht kurzfristig und
nicht ohne Rückschläge, aber doch auf Sicht. Das kann aber nur
gelingen, wenn es Euro-Regierungen und der IWF endlich schaffen, eine
Verständigung darüber zu erzielen, wie mit Griechenland umgegangen
wird. Ein Zerwürfnis in der Troika könnte weitreichende Folgen haben
und eine neue Eskalation der Krise provozieren.
(Börsen-Zeitung, 25.1.2012)
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