(neu: Aktionäre, neuer Vorstandsposten, Prognose, Geschäftslage)
BOCHUM (dpa-AFX) - ThyssenKrupp-Chef
Der Konzern befindet sich nach fehlgeschlagenen Milliarden-Investitionen in neue Stahlwerke in Übersee und mehreren Kartellskandalen in einer Schieflage. In den vergangenen drei Geschäftsjahren fielen jeweils Verluste in Milliardenhöhe an. Die Aktionäre müssen auch wegen der hohen Verschuldung und der bedrohlich gesunkenen Eigenkapitalquote erneut auf eine Dividende verzichten. Zuletzt scheiterte der Verkauf des Krisen-Stahlwerks in Brasilien. Zudem muss der Konzern den längst perfekt geglaubten Verkauf der Edelstahltochter Inoxum zum Teil rückabwickeln.
AKTIONÄRE BEUNRUHIGT
Aktionären äußerten sich besorgt. 'Die Lage bei ThyssenKrupp ist nicht sonderlich stabil', sagte Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Hiesinger räumte ein, dass er beim Umbau gern schon weiter wäre: 'Natürlich hätten wir uns gewünscht, die Themen Edelstahl und Steel Americas in einem einzigen Schritt abschließend zu regeln.' Dem Vorstand komme es aber darauf an, tragfähige Lösungen für alle Großbaustellen zu finden. 'Wir wollen Werte erhalten, nicht vernichten.' Deshalb bat er die Aktionäre um Geduld. 'Der Umbau braucht Zeit.'
Dabei intensiviert der Konzern den Kampf gegen Korruption und Kartelle. Der Aufsichtsrat beschloss am Freitag, dafür ein eigenes Vorstandsressort zu schaffen. Die Aufgabe übernimmt der frühere Chefjustiziar des Handelskonzerns Metro
'MESSBARE ERFOLGE'
Hiesinger bekräftigte seinen Kurs. 'Wer nicht nur auf den Jahresfehlbetrag schaut, sondern alle wichtigen operativen Kennzahlen des Unternehmens im Blick hat, der wird feststellen, dass wir auf dem richtigen Weg sind und messbare Erfolge erzielt haben.' Hiesinger verwies etwa auf die auf 5 Milliarden Euro gesenkten Nettoschulden. Zudem habe der Konzern erstmals seit sechs Jahren wieder mehr Geld eingenommen als ausgegeben. Im laufenden Jahr will sich ThyssenKrupp nach eigenen Angaben wieder in Richtung eines ausgeglichenen Ergebnisses bewegen.
'Am Ende der grundlegenden Erneuerung des Unternehmens soll und wird ein ThyssenKrupp-Konzern stehen, der auf ganz neue Weise an die große Tradition anknüpft und alte Tugenden mit neuem Leben erfüllt', versprach Hiesinger. Dabei will er die Abhängigkeit vom schwankungsanfälligen Stahl reduzieren und stärker auf die Technologiesparte mit dem Großanlagenbau, dem Aufzugsgeschäft und dem Autozulieferbereich setzen.
VORRATSBESCHLUSS FÜR NEUE KAPITALERHÖHUNG
Dafür verschaffte sich ThyssenKrupp Anfang Dezember mit einer zehnprozentigen Kapitalerhöhung etwas Luft. Sie brachte brutto knapp 900 Millionen Euro ein. In der Folge stieg der Anteil des schwedischen Finanzinvestors Cevian auf knapp 11 Prozent, während die Krupp-Stiftung ihre Sperrminorität von gut 25 Prozent verlor. Trotz des frischen Geldes bleibt die Eigenkapitalquote weiter die mit Abstand schwächste aller Industrieunternehmen im Dax.
Um weitere Spielräume zu erhalten, sollten die Aktionäre neuen Finanzierungsoptionen zustimmen. Unter anderem will das Unternehmen ohne neue Hauptversammlung eine Kapitalerhöhung um bis zu 25 Prozent durchziehen können. Konkrete Pläne gibt es laut Finanzchef Guido Kerkhoff derzeit aber nicht./enl/uta/stw/stb