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SPD ruft nach Härte beim Bürgergeld

Veröffentlicht am 29.12.2024, 15:01
© Reuters

BERLIN (dpa-AFX) - Rund zwei Monate vor der Bundestagswahl will die SPD beim Bürgergeld mit Forderungen nach einem härteren Kurs punkten. Nach umstrittenen Äußerungen von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich verlangte auch Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) ein Einschreiten gegen angebliche Betrügereien von Empfängerinnen und Empfängern der Grundsicherung. Die Grünen warfen der in Umfragen schwächelnden SPD vor, sich der vorne liegenden Union als Koalitionspartner andienen zu wollen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr (ETR:DUEG) hielt Mützenich Wählertäuschung vor.

Rehlinger sagte dem "Tagesspiegel": "Arbeit muss sich immer lohnen, und streng genommen stimmt das auch. Aber die Leute sehen doch, dass wer mit Schwarzarbeit und Bürgergeld betrügt, viel zu selten auffliegt. Das müssen wir ändern."

Mützenich und die Ukrainer

Zuvor hatte Mützenich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) gesagt, er halte es für richtig, "nicht durchgehen zu lassen, wenn jemand das System ausnutzt. Sollten wir Gelegenheit dazu haben, würden wir in einer neuen Regierung nachsteuern". Mützenich, einer der führenden Politiker der Kanzlerpartei, sagte: "Vielleicht halten sich manche Menschen zu lange im Bürgergeldsystem auf. Und ein Teil der Flüchtlinge aus der Ukraine hat offenbar einen Mehrwert abgeschöpft, der nicht gerechtfertigt ist."

Auf die Frage, ob Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland einen ungerechtfertigten Mehrwert bei staatlichen Leistungen abgeschöpft haben, verwies das SPD-geführte Bundesarbeitsministerium darauf, dass es grundsätzlich keine Äußerungen aus dem politischen Raum kommentiere. Ressortchef Hubertus Heil hatte am 20. November 2023 unter dem Motto "Integration in Arbeit lohnt sich" einen sogenannten Job-Motor gestartet.

Dabei sollen Regierung, Bundesagentur für Arbeit, Verwaltung und Unternehmen an einem Strang ziehen: Geflüchtete Bürgergeld-Beziehende sollen so schnell in einen Job und aus der Staatshilfe kommen - mit Sprachkursen und Pragmatismus. 400.000 Geflüchtete seien mit ihrem Integrationskurs fertig oder fast fertig, sagte Heil damals. Die Hälfte davon stammten aus der Ukraine.

Rehlinger: Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein

Aktuell forderte Rehlinger einen besseren Schutz des Bürgergelds vor Missbrauch. "Wer hart arbeitet und sich an die Regeln hält, darf in Deutschland niemals den Eindruck haben, dass er der Dumme ist." Kanzler Olaf Scholz (SPD) habe "zu Recht gesagt, das Bürgergeld muss treffsicherer werden". Rehlinger betonte, auch den Job-Center könne man den Rücken stärken "und so vieles auch ohne große Gesetzespakete verbessern".

Scholz hatte im Juni im ARD-Sommerinterview gesagt, beim Bürgergeld solle die Treffsicherheit erhöht werden. Konkret kündigte Scholz damals an, dass sich niemand mehr vor Mitarbeit beim Jobcenter drücken könne und Schwarzarbeits-Kontrollen des Zolls ausgebaut würden. Die Ampel brachte dann auch bestimmte Verschärfungen auf den Weg. Großteils schafften diese es aber vor dem Bruch der Koalition nicht durchs Parlament.

SPD-Politiker: Bürgergeld ohne Ewigkeitsgarantie

Jetzt mahnten auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer und der Vizepräsident des SPD-Wirtschaftsforums, Matthias Machnig, Reformen ein. "Es ist ein Unding, dass Bürgergeld-Bezieher auf Einladungen der Jobcenter nicht reagieren", sagte Schäfer dem "Tagesspiegel". Das Bürgergeld habe in der jetzigen Form keine Ewigkeitsgarantie. "Die SPD ist immer gut beraten, existierende Schwachstellen zu erkennen und zu lösen."

CDU will Bürgergeld abschaffen

Die Abschaffung des Bürgergelds fordert im Wahlkampf bisher vor allem die CDU. Sie will laut ihrem Wahlprogrammentwurf das "Bürgergeld" unter diesem Namen streichen und durch eine "Neue Grundsicherung" ersetzen. Wer nicht bereit zur Arbeit sei, dem drohe die Streichung der Leistung.

SPD-Mann Machnig sagte dem "Tagesspiegel": "Arbeit muss Vorfahrt vor Sozialtransfers haben. Der Sozialstaat ist keine Einbahnstraße." Wer sich mutwillig der Arbeitsaufnahme verweigere, müsse mit Sanktionen rechnen. Machnig war unter dem damaligen SPD-Chef Gerhard Schröder mehrere Jahre Bundesgeschäftsführer der SPD. Unter Schröder als Kanzler kam es später zu den umstrittenen Hartz-IV-Reformen.

Grüne werfen Mützenich Anbiederung an CDU vor

SPD-Fraktionschef Mützenich hatte mit dem Eingeständnis eines möglichen Reformbedarfs heftige Kritik auf sich gezogen. Der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die SPD will sich offensichtlich zurück in die alten GroKo-Zeiten retten. Schade, dass sich die SPD zuallererst bei sozialen Themen der CDU anbietet."

Mützenich schloss in dem Interview indes eine erneute Koalition mit der FDP nicht aus. "Mit Herrn Lindner hätte ich meine Schwierigkeiten, aber eine Zusammenarbeit mit Demokraten darf man nicht grundsätzlich ausschließen", sagte er dem RND mit Blick auf Parteichef Christian Lindner.

Zum Thema Bürgergeld unterstrich Audretsch, für die Grünen bleibe im Fokus, mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Beim parteiübergreifenden Kompromiss zum Bürgergeld hätten die Beteiligten gemeinsam auf Qualifizierung und Vermittlung in Arbeit gesetzt. "Das war Kern der Einigung zwischen SPD, CDU/CSU, FDP und uns Grünen." Das Bürgergeld war 2023 von Heil entwickelt und von der Ampel eingeführt worden. Bis zur letzten Minute hatten Union und Ampel in einem Vermittlungsverfahren von Bundesrat und Bundestag um von CDU/CSU geforderte Verschärfungen gerungen - bis das Bürgergeld in heutiger Form beschlossen wurde.

FDP: SPD täuscht Wähler

FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der dpa: "Die Einsicht, dass beim Bürgergeld nachgesteuert werden muss, kommt sechs Monate zu spät." Immer wieder habe die FDP in der Ampel mit der SPD über Korrekturen gesprochen - die SPD habe stets abgelehnt. Heil solle ein Gesetz vorlegen. "Andernfalls sind die Worte von Herrn Mützenich nichts als ein durchschaubares Wahlkampfmanöver und grenzen gar an Wählertäuschung."

Was die Parteien beim Bürgergeld wollen

Die SPD will laut Entwurf ihres Wahlprogramms am Bürgergeld festhalten, auch am Prinzip des Forderns. "Ziel des Bürgergelds ist es, Menschen mit Hilfe von Qualifizierung und Weiterbildung zu unterstützen, die eigene Hilfebedürftigkeit zu beenden." Die Linke will das Bürgergeld zu einer "sanktionsfreien Mindestsicherung" machen in Höhe von 1.400 Euro monatlich für Alleinstehende inklusive Miete und Wohnkosten. Die AfD meint in ihrem Wahlprogramm, dass Bürgergeld funktioniere nicht und befördere Schwarzarbeit. "Die hohen Regelbedarfssätze im Bürgergeld stellen zudem einen der Magneten für die Einwanderung in unsere Sozialsysteme dar." Das Bündnis Sahra Wagenknecht will den Menschen "gebührenden Respekt und soziale Sicherheit" geben.

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