- von David Lawder und Gernot Heller
Washington/Peking/Berlin (Reuters) - Die USA und China schlittern auf einen Handelskrieg zu, der auch andere Teile der Welt in Mitleidenschaft ziehen könnte.
Nachdem die USA neue Abgaben von 25 Prozent auf 1300 chinesische Importgüter im Gesamtwert von 50 Milliarden Dollar auf den Weg brachten, kündigte China umgehend Gegenmaßnahmen in gleicher Größenordnung an. Das Finanzministerium in Peking sprach am Mittwoch von 106 Produkten aus den USA, die mit Zöllen von ebenfalls 25 Prozent belegt werden sollen. Es geht unter anderem um Sojabohnen, Autos, Chemieprodukte, aber auch einige Flugzeugtypen sowie Whiskey. Beide Seiten signalisierten dennoch ihre Bereitschaft zu Verhandlungen. Ab wann die neuen Zwangsabgaben in beiden Ländern gelten sollen, ist noch offen.
US-Präsident Donald Trump schrieb auf Twitter: "Wir sind nicht in einem Handelskrieg mit China." Er erneuerte jedoch den Vorwurf des Know-How-Diebstahls gegen das kommunistisch regierte Land. Für das riesige US-Handelsdefizit mit der Volksrepublik seien vor allem "dumme oder unfähige" frühere amerikanische Regierungen verantwortlich. Sein Handelsminister Wilbur Ross sagte dem TV-Sender CNBC, er rechne mit Allianzen gegen Chinas Praktiken. Es wäre aber nicht überraschend, wenn auf die jetzigen Aktionen Verhandlungen über eine Beilegung des Streits folgten.
Ähnliche Äußerungen kamen von Vertretern der chinesischen Regierung. Vize-Finanzminister Zhu Guangyao plädierte dafür, die Spannungen über Gespräche aufzulösen. Allerdings werde China zurückschlagen, wenn man gegen das Land weitere Zwangsmaßnahmen verhänge. Ein Handelskrieg würde beiden Ländern schaden. Vize-Handelsminister Wang Shouwen räumte ein, dass es in China Mängel beim Schutz des geistigen Eigentums gebe, sprach aber von Verbesserungen der Lage.
Die Börsen und Warenmärkte reagierten auf die Zuspitzung mit Kurseinbußen. So schickten die chinesischen Zollpläne für US-Agrarprodukte die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse auf Talfahrt. Aktien des US-Flugzeugbauers Boeing (NYSE:BA) brachen im vorbörslichen US-Handel zeitweise um mehr als sieben Prozent ein. In Deutschland büßte der Leitindex Dax bis zum Nachmittag mehr als ein Prozent an Wert ein.
AUSLÖSER STAHL- UND ALUMINIUM-ZÖLLE
Ausgelöst wurde die neue Runde im Zollstreit vor rund zwei Wochen durch die Entscheidung Trumps, auf Stahl- und Aluminium-Einfuhren beträchtliche Zölle zu erheben. Allerdings hatte er eine ganze Reihe von Ländern, meist befristet, ausgenommen. So versucht die EU derzeit in Verhandlungen mit den USA, die Ausnahmen für ihre Mitgliedsländer zu einem Dauerzustand zu machen. Haupt-Adressat der US-Zwangsmaßnahmen ist somit China, das den weitaus größten Überschuss im Handel mit den Vereinigten Staaten erzielt. Auf die Stahl- und Aluminiumzölle der USA hatte China zunächst mit relativ moderaten Gegenmaßnahmen reagiert.
Am Dienstag kündigte die US-Regierung aber einen zweiten, deutlich weitreichenderen Schritt an, der sich gegen zusätzliche Produkte aus China wendet. Die Liste von Gütern, die das Büro des Handelsbeauftragten Robert Lighthizer vorlegte, reicht dabei von Chemiewaren bis hin zu Fernsehern, Fahrzeugen und Elektronik-Komponenten. China kündigte an, die Welthandelsorganisation WTO deswegen anzurufen.
Die USA werfen China vor, von den offenen Märkten im Westen zu profitieren, ihren eigenen Markt aber abzuschotten und geistiges Eigentum zu stehen. Die neuen Zölle sollen für einen Ausgleich sorgen. Die Volksrepublik zwinge US-Unternehmen, ihre Technologie an chinesische Firmen weiterzugeben, so die USA. Die Regierung in Peking versuche damit, bis 2025 die Marktführerschaft in zentralen Technologiefeldern zu erlangen. Betroffen sind unter anderem Antibiotika oder auch Industrieroboter. Lighthizer sagte, ein Computer-Algorithmus sei zum Einsatz gekommen, um Güter auszuwählen, die maximale Auswirkungen auf die chinesischen Hersteller hätten, US-Verbrauchern aber nur minimal schade.
Die EU-Kommission und die deutsche Regierung hielten sich mit einer Bewertung des Zollstreits zwischen den USA und China zurück. Sie unterstrichen aber ihre Haltung, dass Probleme im Rahmen und entsprechend den Regeln der WTO beigelegt werden sollten. Der Chef der Industriestaaten-Organisation OECD, Angel Gurria, nannte den Streit Besorgnis erregend, denn es gehe um die Weltwirtschaftsmächte Nummer eins und zwei. "Das ist für niemanden gut."