Man soll sich als Anleger bekanntlich nicht gegen die Notenbank stellen. Aber heißt das im Gegenzug, dass man ihr blind folgen soll? Diese Frage treibt einige Anleger bereits seit einiger Zeit um und es könnten bald noch mehr Investoren sich diese wichtige Frage stellen.
Im Hintergrund steht das Vertrauen, dass die Marktteilnehmer den Zentralbanken entgegenbringen. Es war groß in den vergangenen zehn Jahren, weil allgemein die Meinung vorherrschte, dass es allein den Notenbanken und ihrer Politik des leichten Geldes zu verdanken war, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise nach 2008 so rasch überwunden werden konnte.
Dabei bildete sich eine ein wenig schizophren anmutende Zweckgemeinschaft heraus. Die Zentralbanken waren der Ansicht, dass es der Wirtschaft nicht so gut gehe, wie es ihr eigentlich gehen sollte, und fluteten den Markt mit billigem Geld. Die Börse jubelte, denn mehr Geld aus dem Nichts verstand sie als Zeichen für höhere Kurse. Das half mit, die Bevölkerung glauben zu lassen, die schwierigste Phase der Krise sei überwunden.
Die Anleger hätte sich aber auch ebenso gut ängstigen und die Kurse auf Talfahrt schicken können, denn eigentlich war das viele Geld der Notenbanken doch nur ein Zeichen dafür, dass es der Wirtschaft nicht so gut geht. Wäre es anders, hättem sich FED, EZB und Bank of Japan bequem zurücklehnen und abwarten können. Aber genau das taten sie nicht.
Ist die Lage zu gut für steigende Kurse?
Als Folge dieser Politik spielte der Markt acht Jahre lang ‚Verkehrte Welt‘: Schlechte Nachrichten nährten die Hoffnung auf weitere QE-Programme und wurden mit Kursgewinnen gefeiert, gute Nachrichten hingegen ängstlich mit Abschlägen quittiert, weil die Gefahr bestand, in Zukunft vom billigen Geld der Notenbanken abgeschnitten zu werden.
Begünstigt wurde diese Sicht der Dinge auch dadurch, dass weltweit nahezu alle Zentralbanken die gleiche Politik verfolgten, die Zinsen senkten und die Märkte mit frischem Geld beglückten.
Mit dieser Einigkeit ist es seit Ende 2015 vorbei, denn während die Europäische Zentralbank, die Peoples Bank of China und die Bank of Japan weiterhin für eine Ausweitung der Geldmenge stehen, zieht die FED bereits die Zügel an.
Der jetzt schon ansatzweise sichtbare Riss wird dabei umso größer, je schneller die US-Notenbank die Zinsen anhebt und je mehr Zentralbanken weltweit auf den neuen Kurs der FED einschwenken und ihre Zinssätze ebenfalls anheben.
Angespannte Nerven und enttäuschte Hoffnungen
Dabei müssen wir berücksichtigen, dass die Notenbanken seit Anfang der 1990er Jahre eine recht einheitliche und harmonische Geldpolitik betrieben haben. Es gab nur wenige Abweichungen und auf die wichtigen Schritte wurden die Märkte immer mit aller Vorsicht und Behutsamkeit vorbereitet.
All das hat mit dazu beigetragen, dass das Vertrauen des Marktes in die Aktionen der Notenbanken beständig wuchs und nahezu unerschütterlich wurde. Auch jetzt wieder gehen die Notenbanken, insbesondere die FED und die EZB, ausgesprochen vorsichtig vor und bemühen sich an den Märkten kein Porzellan zu zerschlagen und dennoch kommt Unsicherheit auf.
Deutlich zu spüren ist diese aufkommende Unruhe an der gestiegenen Volatilität. Dabei sind Schwankungen in den Charts eigentlich etwas ganz normales. Trotzdem mögen sich die Anleger nicht so recht an sie zu gewöhnen. Ein wenig erinnern die Marktreaktionen an trotzige Kinder. Gerade das macht sie so gefährlich, weil unberechenbar.
Weitere Enttäuschungen sind unvermeidlich
Kritisch wird es, wenn der Markt und die Notenbanken auf längere Sicht zu einer unterschiedlichen Bewertung der Lage kommen. In diesem Fall wären zu viele Anleger der Ansicht, die FED würde ihre Zinsen zu schnell erhöhen oder die EZB und Bank of Japan hätten zu lange zu viel Geld in die Märkte gepumpt. In diesem Fall sind nervöse Marktreaktionen, die sich in einer erhöhten Volatilität niederschlagen, unvermeidbar.
Hinzu kommt, dass die bisherige Geldpolitik der Notenbanken nicht über jeden Zweifel erhaben war. Generell werden die unübersehbaren Nebenwirkungen der Maßnahmen immer stärker kritisiert. Zu nennen sind hier die ungleiche Wohlstandsverteilung und die Ausbildung von Hypes und Blasen bei verschiedenen Anlageklassen, die früher oder später wie Kartenhäuser wieder in sich zusammenfallen werden.
Nimmt man alle diese Punkte zusammen, stehen die Märkte möglicherweise wieder vor einem Paradigmenwechsel. Die Notenbanken, die bislang als Hort der Stabilität und „Wohltäter“ gesehen wurden, könnten zunehmend zu einem Faktor werden, der Angst, Unsicherheit und damit Volatilität begünstigt.
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Ein Beitrag von Dr. Bernd Heim.